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Gefährliche Bullen-Party Aktienmärkte: Die riskante Wette auf die Fed und ein Soft Landing

Aktienmärkte: Die riskante Wette auf die Fed und ein Soft Landing
Display an der Wall Street zeigt Fed-Chef Powell. Foto: Bloomberg

Die abgelaufene Handelswoche ist ein weiteres Beispiel für die derzeit grenzenlose Risikosucht der Wall Street. Es ist gerade einmal eine Woche her, da haben die US-Aktienmärkte eine sehr schwache Handelswoche beendet. Der US-Leitindex S&P 500 verlor auf Wochensicht 4,3 %, da die Sorgen groß waren, dass die Fed bereits hinter der Kurve liegt und der Abschwung der US-Wirtschaft Fahrt aufnimmt. In dieser Woche stieg der Index wieder um 4 % aufgrund einer großen Wette auf die Fed und ein Soft Landing, obwohl sich fundamental nichts entscheidendes geändert hat. Die Konjunktur sendet weiterhin Warnsignale und es herrscht große Ungewissheit darüber, wie stark die Federal Reserve die Zinsen senken wird. Es scheint den Aktienmärkten fast egal zu sein, ob die Fed eine große oder kleine Zinssenkung verkündet, sie wollen einfach eine große Bullen-Party feiern.

Aktienmärkte: Große Wette auf die Fed

Die risikofreudige Brigade der Wall Street hat sich immer wieder taub gestellt, wenn es um die politischen Machenschaften der Federal Reserve und die sich verändernde wirtschaftliche Stimmung auf dem Anleihemarkt ging. Jetzt – wo die Märkte fest mit einer Zinssenkung der Fed in den nächsten Tagen rechnen – werden die Händler hellhörig und leiten eine neue Runde von Wetten auf eine sanfte Landung ein, so ein Bericht von Bloomberg.

Die Stimmung bei Tech-Aktien, Kryptowährungen und Junk-Bonds flammte in dieser Woche erneut auf, da die Marktteilnehmer durch einen Anstieg der Erwartungen ermutigt wurden, dass die US-Notenbank möglicherweise eine seltene Zinssenkung um einen halben Prozentpunkt vornehmen wird. Das FedWatch-Tool zeigt inzwischen eine 50/50-Chance für eine Jumbo-Zinssenkung. Besonders ausgeprägt war der Umschwung beim Nasdaq 100, der an fünf aufeinanderfolgenden Tagen um fast 6 % zulegte, nachdem er in der Vorwoche in ähnlicher Größenordnung eingebrochen war.

Dies ist die jüngste Wendung in einer besonders fruchtbaren Periode für Marktgeschichten in letzter Zeit. Nachdem die Aktienhändler fast einer Vision von wirtschaftlicher Düsternis erlegen waren, haben sie sich selbst davon überzeugt, dass das Wachstum nachhaltig ist, vor allem, da eine weithin erwartete geldpolitische Lockerung näher rückt. Doch es bleibt die Frage: Warum sollte die Fed die Zinsen aggressiv und stark senken, wenn es der Wirtschaft so gut geht und die Inflation noch nicht besiegt ist?

Aktienmärkte glauben an Goldilocks-Szenario

Eine Gruppe von Bullen sieht sogar einen idealen Investitionshintergrund: Eine proaktive US-Notenbank – möglicherweise dank extra großer Zinssenkungen – kurbelt eine immer noch expandierende Wirtschaft an.

„Das Best-Case-Szenario für die Aktienmärkte: Gute Wirtschaft, niedrigere Zinsen, nachlassende Inflation“, sagt Priya Misra, Portfoliomanagerin bei JPMorgan Asset Management. „Eine Zinssenkung um 50 Basispunkte ist eine gute Nachricht. Es zeigt, dass die Fed nicht hinter der Kurve zurückfallen will.“

US-Aktienmärkte und die Wette auf die Fed und ein Soft Landing
Großes Minus, großes Plus | Nasdaq 100 verzeichnet größten Wochenumschwung seit 2022

An den Futures-Märkten wurde am Freitag wieder auf eine große Senkung der Zinsen gewettet, nur wenige Tage nachdem man dieser Aussicht fat gar keine Chance eingeräumt hatte. Die Verschiebung verlängerte eine lebhafte Rallye bei Aktien, die als Nutznießer angesehen werden – billige Aktien, kleinere Unternehmen und solche, die hohe Dividenden zahlen – und drückte gleichzeitig den Dollar.

Mit einem Plus von 4 % in fünf Sitzungen erzielte der S&P 500 seine beste Woche seit November und liegt nun nur noch 50 Punkte von seinem im Juli erreichten Allzeithoch entfernt. Auch Junk-Anleihen kletterten und Kryptowährungen legten zu.

Dennoch erreichte der Goldpreis in dieser Woche ein Allzeithoch, während die Renditen 10-jähriger Staatsanleihen ein 15-Monats-Tief erreichten – beides Marktbewegungen, die als negative wirtschaftliche Signale gewertet werden können.

Zinsen: Erwartung an Fed-Zinssenkung lässt den S&P 500 steigen
Erwartungen für Zinssenkung der Fed im September schwanken stark | Wetten auf 50 Basispunkte wachsen schnell

Aggressive Lockerung der Fed

Die über den Prognosen liegenden Kern-Verbraucherpreise und der relativ robuste Arbeitsmarkt sprechen eher für maßvolle Zinssenkungen der Fed in der Zukunft. Dennoch sind Ökonomen wie der ehemalige Präsident der New Yorker Fed, William Dudley, und Michael Feroli von JPMorgan der Meinung, dass die Fed die Zinsen stärker senken sollte, um nicht hinter die Kurve zu fallen.

„Unserer Meinung nach ist klar, was die Fed in der nächsten Woche tun sollte: die Zinsen um 50 Basispunkte senken, um der sich verändernden Risikobilanz Rechnung zu tragen“, schrieb Feroli am Freitag in einer Mitteilung.

Nach Ansicht von Raphael Thuin, Leiter für Kapitalmarktstrategien bei Tikehau Capital, bewegt sich die Fed auf einem schmalen Grat.

„Eine Zinssenkung um 50 Basispunkte durch die Fed, die auf eine schwächelnde Wirtschaft abzielt, könnte die Aktienmärkte verunsichern und möglicherweise Volatilität auslösen, während wir uns dem Jahresende nähern“, sagte er. „Wenn andererseits eine Senkung um 50 Basispunkte als Reaktion auf günstige Inflationsdaten erfolgt und mit einer beruhigenden Mitteilung der Zentralbanker einhergeht, könnte dies den Risikoanlagen Auftrieb geben.“

Skepsis an Bullen-Party

Wie auch immer die Fed vorgeht, der ehrwürdige Doug Ramsey ist skeptisch, dass die Party, auf die sich die Bullen an den Aktienmärkten vorbereiten, lange anhalten wird. Der Chief Investment Officer der Leuthold Group ist der Ansicht, dass die besonderen Merkmale der derzeitigen Rallye risikoreicher Vermögenswerte darauf hindeuten, dass sie wahrscheinlich nur eine kurze Lebensdauer hat.

Von den letzten 12 Bullenmärkten hatten nur vier ihren Ursprung außerhalb einer Rezession – und diese hielten im Durchschnitt nur halb so lange an wie die anderen, zeigen Leutholds Daten.

„Bullenmärkte, denen die traditionelle rezessive ‚Vaterfigur‘ fehlt, haben tendenziell eine kürzere Lebensdauer und bringen dem S&P 500 deutlich weniger Gewinne“, schrieb er in einer Notiz. „Wenn der aktuelle Bullenmarkt die durchschnittliche Performance seiner vier zyklisch relevantesten Vorgänger erreichen würde, würde er sich bis Mai 2025 erstrecken, wobei der Anstieg des S&P 500 bei 5.852 Punkten enden würde – etwa 4 % über dem Schlussstand vom 13. September. Nicht gut.“

Die Vorsicht spiegelt sich auch bei den Hedgefonds wider, die nach Angaben des Prime-Brokerage-Teams von Morgan Stanley ihr Nettoexposure in Aktien auf den niedrigsten Stand seit Ende letzten Jahres reduziert haben. Generell wird die Marktpositionierung vorsichtiger, und US-Aktienfonds mussten die größten wöchentlichen Abflüsse seit April hinnehmen, wie EPFR Global-Daten der Bank of America zeigen.

Aktienmärkte: Zu hohe Zinserwartungen

Skeptiker weisen auch darauf hin, dass das Tempo der Zinssenkungen, wie es in den Fed-Fonds-Futures eingepreist ist – nämlich mehr als zwei volle Prozentpunkte in den nächsten 12 Monaten – ohne dass es zu einer Rezession kommt, nur ganz selten gesehen wurde.

„Eine supergroße Zinssenkung zur Einleitung eines Zinssenkungszyklus, wenn der S&P 500 und Dow Jones nahe einem Allzeithoch stehen und die Kreditspreads eng sind, scheint nur möglich zu sein, wenn die Fed etwas weiß, was sonst niemand weiß“, sagte James St. Aubin, CIO bei Ocean Park Asset Management mit einem verwalteten Vermögen von 5,3 Milliarden Dollar. „Ich glaube, dass die Zinssenkung um 50 Basispunkte der Stimmung an den Aktienmärkten möglicherweise mehr schadet als nützt. Es gibt reichlich Spielraum für weitere Senkungen, wenn sich die Notwendigkeit ergibt. Wir sind nur noch nicht so weit.“

FMW/Bloomberg



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1 Kommentar

  1. Dr. Sebastian Schaarschmidt

    Zum langfristigen Vermögensaufbau gehören nunmal Aktien – und Aktienfonds.

    Es nützt nichts nur auf die FED zu schauen.

    Dabei bleiben, regelmäßig investieren, über monatliche Sparpäne und bei Schwäche zukaufen…

    Dabei das Kapital breit streuen, über viele Länder und Regionen, Branchen und vielleicht den einen oder anderen Wert als Beimischung zukaufen…

    Wer Angst vor der Börse hat, kann ja mit einem monatlichen Fondssparplan anfangen…

    Es wird nie den richtigen Zeitpunkt geben…

    Immer wird es Krisen und Rücksetzer geben…Immer wird es Gründe geben, gerade jetzt nicht zu investieren…

    Die Angsthasen gehen auf lange Sicht leer aus…

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