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Schuldenbremse irreführender Begriff Bundeshaushalt: Von wegen Sparen – jede Menge neue Schulden!

Trotz Schuldenbremse gibt es im neuen Bundeshaushalt jede Menge neue Schulden. Hier dazu die Details und einige Expertenkommentare.

Christian Lindner, Olaf Scholz und Robert Habeck
Christian Lindner, Olaf Scholz und Robert Habeck.

Die Schuldenbremse wird eingehalten! Dann denkt man doch gleich, dass keine neuen Schulden gemacht werden, korrekt? Falsch! Heute hat die Koalition aus Scholz, Lindner und Habeck verkündet, dass man sich endlich auf einen neuen Bundeshaushalt geeinigt hat. Und von Budgetkürzungen in einzelnen Resorts will man so recht nichts entdecken. Dabei musste doch gespart werden, das Geld ist knapp? Von wegen, es ist eigentlich jede Menge Steuergeld vorhanden. Und im neuen Bundeshaushalt werden jede Menge neue Schulden gemacht, die von der „Schuldenbremse“ als gewisser Rahmen der Neuverschuldung noch erlaubt sind. Nach dem Motto „Neuverschuldung ja bitte, aber eben nur bis zu einer gewissen Grenze“. Das nennt man dann offiziell Schuldenbremse.

Einigung auf Bundeshaushalt

Was geht heute in Berlin vor sich? Es brauchte nur wenige Stunden nach der nächtlichen Einigung im Koalitionspoker um mehr Ausgaben und weniger Schulden, da wurde der mühsam erreichte Kompromiss schon wieder in Frage gestellt, so schreibt es Bloomberg aktuell. Weiter wird berichtet: SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich ließ direkt nach einer Unterrichtung durch Bundeskanzler Olaf Scholz im Parlament Journalisten wissen, dass die Abgeordneten sich in den kommenden Monaten für weitere Änderungen an dem Entwurf für den Bundeshaushalt fürs 2025 einsetzen würden.

Und dann setzte Mützenich noch hinzu, die Ausrufung einer erneuten Notlage zur Aussetzung der Schuldenbremse bleibe aus Sicht der SPD weiterhin als Option auf dem Tisch. Denn dies seien keine normalen Zeiten — und da könne man nicht an alten Dogmen festhalten, warnte der SPD-Fraktionschef. Schöne Grüße an den Finanzminister.

Auf der gemeinsamen Pressekonferenz bemühten sich Scholz, Habeck und Lindner gleichwohl um Geschlossenheit. Sie verwiesen auf ein neues Rekordhoch bei den staatlichen Investitionen und nochmals höhere Ausgaben für Sicherheit und Verteidigung. Möglich wurde dies laut Bloomberg auch, weil die Koalition im neuen Bundeshaushalt zwar auf dem Papier an der Schuldenbremse festhält — de facto aber mit einer nun erhöhten Neuverschuldung von mehr als 50 Milliarden Euro in diesem und 44 Milliarden Euro im nächsten Jahr an die Grenzen des Möglichen geht.

In der SPD wird bereits darauf hingewiesen, dass der Entwurf für den Bundeshaushalt 2025 erst im Dezember abschließend vom Parlament verabschiedet wird — und damit nach der US-Wahl, die eine Rückkehr des Populisten Donald Trump ins Weiße Haus bedeuten könnte. Abgerechnet wird also erst in der Adventszeit und nicht in der Sommerpause. Ob diese Strategie den Parteien der Ampelkoalition auch bei den drei ostdeutschen Landtagswahlen im September zu mehr Zustimmung verhilft, ist mehr als fraglich.

Im offiziell veröffentlichten Papier zum Bundeshaushalt kann man unter anderem entnehmen (einige kurze Ausschnitte):

Im kommenden Jahr wird der Bund seine Investitionsausgaben auf rund 57 Milliarden Euro erhöhen. 2024 lagen sie bei 53 Milliarden Euro. Hinzu kommen Ausgaben aus dem Klima- und Transformationsfonds sowie Zuschüsse zur Entlastung beim Strompreis (EEG-Umlage) in Höhe von rund 40 Milliarden Euro. Insgesamt stehen rund 100 Milliarden Euro für investive Ausgaben zur Verfügung.

Investitionen in die Innere Sicherheit. Für die Sicherheitsbehörden werden rund eine Milliarde Euro mehr als bislang vorgesehen zur Verfügung gestellt.

Durch den Abbau der sog. kalten Progression und andere Maßnahmen werden die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler allein in den Jahren
2025 und 2026 um 23 Milliarden Euro entlastet. Die Abschaffung der EEG-Umlage entlastet auch im Jahr 2025 Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen in zweistelliger Milliardenhöhe; für 2024 sichert ein Nachtragshaushalt diese Entlastung.

Der Kinder- und Grundfreibetrag wird in 2024 und 2025 und zugleich das Kindergeld zum 1. Januar 2025 erhöht. Um berufstätige Eltern mit geringen Löhnen zu unterstützen, wird für den Kinderzuschlag ab 2025 mehr als eine Milliarde Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt.

Zielsicheres Bürgergeld. Im Rahmen der Verabredungen zur Wachstumsinitiative wird die Effizienz beim Bürgergeld erhöht (zum Beispiel durch erhöhte Mitwirkungspflichten). Missbrauch und Schwarzarbeit werden bekämpft. Gleichzeitig werden die Anreize zur Aufnahme einer Beschäftigung erhöht.

Damit in Deutschland mehr und bezahlbarer Wohnraum zur Verfügung steht, setzt der Bund die soziale Wohnraumförderung langfristig fort. Bis 2028 sind mehr als 20 Milliarden Euro vorgesehen.

Abschließend steht im Papier zum neuen Bundeshaushalt: Durch die Priorisierung der Ausgaben ist die notwenige Schwerpunktsetzung im Haushaltsentwurf gelungen. Die Zinsbelastungen werden zukünftig periodengerecht veranschlagt. Die Maßnahmen der Wachstumsinitiative werden einerseits zu mehr Steuereinnahmen und Sozialversicherungsbeiträgen führen und andererseits Ausgaben einsparen. Zeitgleich mit dem Haushaltsentwurf 2025 wird der Entwurf eines Nachtragshaushalts für dieses Jahr auf den Weg gebracht, der die höheren Bedarfe
berücksichtigt.

Ökonomen und Verbände äußern sich

Das IfW Kiel schreibt aktuell zur Einigung für den Bundeshaushalt: „Die Einigung auf den Haushaltsentwurf 2025 und das Wachstumspaket zeichnet sich als Minimalkompromiss ab, der insbesondere im Hinblick auf die verschwindend geringen Zuwächse im Verteidigungsbereich den drängendsten Herausforderungen des Landes und Europas nicht gerecht wird. Angesichts der globalen geopolitischen Lage und der anhaltenden Spannungen bleibt Deutschland und damit auch Europa sicherheitspolitisch verwundbar und von einem möglichen Präsidenten Trump erpressbar. Der vorliegende Haushaltsentwurf sichert den Koalitionsfrieden auf Kosten der europäischen Sicherheit. Ökonomisch beruht der Haushaltsentwurf auf sehr optimistischen Annahmen zu den Effekten der sogenannten Wachstumsinitiative – die tatsächlichen Impulse dieses ‚Wachstumspaketchens‘ dürften gering bleiben. Die Absichtserklärungen zu Bürokratieabbau und Investitionsförderung sind positiv zu bewerten, die Frage der Umsetzung bleibt jedoch bisher unbeantwortet. Insgesamt ist es ein ‚Weiter so‘ und kein Aufbruch in eine Zeiten- oder Wachstumswende.“

Die Ökonomen der Commerzbank schreiben aktuell (hier nur die Headline-Aussage): Die Bundesregierung hat sich heute grundsätzlich auf den Entwurf eines Haushalts für das kommende Jahr und ein „Wachstumspaket“ geeinigt. Die Details sollen erst am 17. Juli präsentiert werden. Fest steht aber bereits, dass man die Schuldenbremse einhalten will, wobei allerdings wohl auch auf zwei Kunstgriffe gesetzt wird. Die wirtschaftlichen Folgen dürften sich erst bei Vorlage der detaillierten Zahlen annähernd abschätzen lassen. Damit bleibt als wichtigste Folge der heutigen Einigung, dass die Koalition wohl bis zur regulären nächsten Bundestagswahl im Herbst 2025 zusammenbleiben wird.

Der Bankenverband schreibt aktuell: „Die Spitzen der Ampelregierung haben heute wirtschaftspolitisch zwei Schritte nach vorne gemacht. Erstens haben sie sich auf einen Haushaltsentwurf für das kommende Jahr verständigt, der die Neuverschuldung in politisch und ökonomisch akzeptablen Grenzen hält. Zweitens haben sie ein Wachstumspaket beschlossen, mit dem einige der hartnäckigen Wachstumshürden angegangen werden. Angesichts der enormen Herausforderungen, vor denen der Wirtschafts- und Investitionsstandort Deutschland steht, ist das Wachstumspaket ein Aufschlag für die Verbesserung der längerfristigen Wachstumsbedingungen. Es wäre allerdings ein großes Versäumnis, wenn die Bundesregierung das wirtschaftspolitische Aufgabenbuch nun bereits zuklappen würde. Dies gilt insbesondere mit Blick auf eine dauerhafte Verbesserung der Investitionsbedingungen, die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie den weiteren Abbau von bürokratischen Lasten.

Der Maschinenbau-Verband VDMA schreibt aktuell: Der Haushaltsvorschlag 2025 der Bundesregierung in Kombination mit der Wachstumsinitiative stellt die Weichen in Richtung investive Ausgaben und zwingt die Politik zur Priorisierung. Dazu sagt VDMA-Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann: „Es ist gut, dass sich die Bundesregierung zur Schuldenbremse und zu Anreizen für Wachstum bekannt hat. Mit der richtigen Priorisierung, mit mehr investiven anstatt konsumtiven Ausgaben kann das gelingen. Schuldenbremse und Wachstumsinitiative – beides ist möglich!“ „Die Bundesregierung hat Stellschrauben für mehr Wettbewerbsfähigkeit erkannt. Erfreulicherweise sind viele davon Vorschläge des VDMA, wie die steuerliche Forschungsförderung und Anreize für mehr Beschäftigung. Jetzt muss konsequent an diesen Schrauben gedreht werden, mit schneller und rechtssicherer Umsetzung. Wir brauchen Planungssicherheit!“ „Die zeitliche Verlängerung der höheren degressiven Abschreibung bis 2028 sorgt für bessere Liquidität in den investierenden Unternehmen und wirkt als Investitionsbeschleuniger. Weitere Investitionsturbos, wie zum Beispiel eine bessere steuerliche Verlustverrechnung, müssen folgen.“ „Wir begrüßen das erneute Bekenntnis zum Bürokratieabbau wie zum Beispiel das Versprechen, Exportkontrollen zu beschleunigen. Solche Maßnahmen kosten noch nicht einmal Geld.“

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft schreibt aktuell: „Es ist gut, dass es jetzt zu einer Einigung beim Haushalt gekommen ist. Durch die Einigung vor der Sommerpause ist eine Verabschiedung eines Ordentlichen Haushaltes für 2025 in diesem Jahr möglich, ohne Eskapaden und vorläufiger Haushaltsführung. In der heutigen Haushaltseinigung sind wichtige Punkte berücksichtigt, die nun auch so um-gesetzt werden müssen. Hierzu gehört zuvorderst, dass Sicherheit und Verlässlichkeit für die anstehenden Investitionen in den Blick genommen werden. Die Energiewirtschaft steht bereit, hohe Summen zu investieren, unter anderem in den Ausbau der Erneuerbaren Energien, den Aus- und Umbau von Netzinfrastrukturen, den Ausbau der heimischen Wasserstoffwirtschaft und die Dekarbonisierung der Wärme und des Verkehrs. Diese Investitionen sind gut angelegtes Geld. Sie tragen zu nachhaltigem Wachstum und Wertschöpfung in Deutschland bei. Neben staatlichen Mitteln wird hier der Großteil von privaten Geldgebern getragen werden müssen. Die Investitionsbedingungen hierfür müssen sich verbessern.

Die angekündigten Praxischecks zum Bürokratieabbau müssen nun wirklich kommen. Dies ermöglicht für die Unternehmen sowohl Freiraum für die Aufgaben der Energiewende als auch Kosteneinsparungen. Die Energiewirtschaft ist hier in besonderem Maße betroffen: 16 Prozent aller Bundesnormen gelten für die Energiewirtschaft. Dazu kommen noch diverse landes- und kommunalrechtliche Vorgaben.

Beim Ausbau der Erneuerbaren Energien halten wir Kurs. Im ersten Halbjahr haben wir mit einem Erneuerbaren-Anteil von 58 Prozent Erneuerbaren am Stromverbrauch eine neue Rekordmarke erzielt. Das ist der Lohn für den beharrlichen Ausbau von Windenergie und Photovoltaik und der Integration des grünen Stroms in die Stromnetze in den vergangenen Jahren. Diesen Weg müssen wir weiter beschreiten, mit so vielen ungeförderten Anlagen wie möglich, aber so viel Förderung, wie nötig.

Gleichzeitig sind die Rahmenbedingungen für den entsprechenden Aus- und Umbau der Stromnetze sowie von Speichern und Sektorkopplungstechnologien weiter zu verbessern. Hier muss die Bundesregierung schnell die Hemmnisse aus dem Weg räumen.

Die seit langem angekündigte Kraftwerksstrategie muss nun zügig in die Konsultation und konkrete Umsetzung kommen. Hier muss Entschlossenheit mit Sorgfalt Hand in Hand gehen. Die Details der Ausschreibungen müssen so ausgestaltet sein, dass die wasserstofffähigen Kraftwerke schnellstmöglich gebaut werden können. Der Zubau und Betrieb neuer wasserstofffähiger Kraftwerke ist eine zentrale Voraussetzung für den Kohleausstieg. Dafür brauchen die Unternehmen Investitionssicherheit. Neben dem Meeresschutz müssen auch ausreichend Finanzmittel zur Finanzierung der Maßnahmen im Rahmen der Nationalen Wasserstrategie zur Verfügung stehen.“

FMW/Bloomberg



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3 Kommentare

  1. Lange nichts mehr aus Deutschland gehört. Endlich geht es vorwärts!
    Freut mich für meine alte Heimat! Weiter so!

  2. Somit ist Stand aktuell zumindest nicht 100%ig auszuschließen, daß der Bundeshaushalt 2025 u.a. mittels einer erneuten Erhöhung der wettbewerbsverzerrenden, rein entfernungsbezogenen Luftverkehrssteuer, die nicht berücksichtigt, daß an den Heimatmärkten der Arabische Liga-Luftfahrtallianz Arab Air Carriers Organization keine Luftverkehrssteuer berechnet wird, finanziert wird.

  3. Der Sparhaushalt ist ein bis zur Lächerlichkeit zusammengeflickter Haushalt, bei dem jeder weiß, dass zig Milliarden nachgeschoben werden müssen.
    Wenn Habeck seine grünen Phantasien aber doch wahr machen wird, dann kann es allerdings auch in die hunderte von Milliarden gehen, die fehlen werden.
    Plus ggf. Krieg gegen Russland.
    Ich habe das Gefühl, dass den beteiligten Politikern das alles egal ist.
    Ist der Ruf erst ruiniert…
    Bringt Euer Geld in Sicherheit.

    Viele Grüße aus Andalusien
    Helmut

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