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Viele Solisten, doch es fehlt der Dirigent China: Wirtschafts-Maßnahmen – ein Orchester ohne Dirigenten

Scheitern vorprogrammiert

China Orchester ohne Dirigent
Foto: evening_tao - Freepik.com

Die jüngsten wirtschaftlichen Entscheidungen in China wirken wie eine unkoordinierte Aufführung: Einzelne Maßnahmen folgen zwar Schlag auf Schlag, doch es fehlt die klare, übergeordnete Führung. Während die chinesische Regierung versucht, mit massiven Geldspritzen die stagnierende Wirtschaft zu beleben, mangelt es an einem überzeugenden Gesamtplan, der die Märkte beruhigen könnte. Statt orchestrierter Klarheit herrscht Unsicherheit – Anleger und Experten warten vergeblich auf die entscheidende Wende.

China: Die Milliarden-Maßnahmen

Am vergangenen Samstag kündigte der chinesische Finanzminister Lan Foan auf einer Pressekonferenz an, dass die Regierung die Staatsverschuldung erheblich erhöhen werde, um die stagnierende Wirtschaft anzukurbeln. Zu den Maßnahmen gehören die Ausgabe von 2,3 Billionen Yuan an Sonderanleihen sowie die Anhebung der Schuldenobergrenze für lokale Regierungen.

Diese Ankündigung ist nur eine von vielen Initiativen, die die chinesische Regierung in den letzten Wochen vorgestellt hat. Bereits am 25. September hatten die Zentralbank, die Wertpapieraufsicht und die Finanzregulierungsbehörde eine Reihe von geldpolitischen und marktunterstützenden Maßnahmen präsentiert. Dazu gehörten unter anderem Unterstützung für den Immobilienmarkt und Stärkung des Kapitalmarktes, um Chinas hochwertige wirtschaftliche Entwicklung zu fördern.

Nur einen Tag später, am 26. September, betonte das Politbüro in einer Sitzung die Notwendigkeit, die Anpassungen der fiskalischen und geldpolitischen Maßnahmen zu intensivieren und sicherzustellen, dass ausreichend finanzielle Mittel bereitgestellt werden. Analysten sprachen bereits von einem „Draghi-Moment“, und es wurde spekuliert, dass Peking die „Bazooka“ zünden würde. Dann verkündete Zheng Shanjie, der Vorsitzende der Nationalen Entwicklung- und Reformkommission (NDRC), am 8. Oktober eine Reihe von Maßnahmen zur wirtschaftlichen Stabilisierung. Ein großes Stimulusprogramm wurde jedoch nicht vorgestellt. Kurz darauf, am 10. Oktober, veröffentlichte die Regierung den Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Privatwirtschaft, das gleiche Rechte und Schutz für private Unternehmen gewährleisten soll. Am 11. Oktober folgten Maßnahmen zur Erleichterung des Aktienmarktes: Banken wurden ermutigt, Kredite für Börsengeschäfte zu ermöglichen, während die chinesische Börsenaufsicht (CSRC) Richtlinien zur Verbesserung der Marktaufsicht und zur Risikominderung vorstellte. Dazu zählten unter anderem Maßnahmen zur besseren Überwachung des Kreditmanagements, um zu verhindern, dass Unternehmen Darlehen für Warenterminmarkt-Spekulationen missbrauchen. Auch wurde geprüft, Aktienindex-Futures und Staatsanleihen-Futures für ausländische Investoren zugänglich zu machen.

Am 12. Oktober kündigten die Bank of China, die Industrial and Commercial Bank of China sowie weitere Geschäftsbanken an, die Zinssätze für bestehende Hypotheken um 30 Basispunkte unter den Benchmark-Loan-Prime-Rate zu senken. Diese Maßnahme wurde begleitet von der Ankündigung, dass die Zentralbank (PBoC) und das Finanzministerium eine gemeinsame Arbeitsgruppe ins Leben gerufen haben, um die Koordination der Geld- und Fiskalpolitik zu verbessern. Einen Tag später, am 13. Oktober, wurden die Banken erneut daran erinnert, sicherzustellen, dass Firmenkredite nicht für Börsenspekulationen missbraucht werden.

Die Politbüro-Sitzung Ende September führte zu einer der größten Aktienrallyes der letzten 20 Jahre in China, die jedoch durch die „Golden Week“ jäh unterbrochen wurde. Anleger und Analysten hatten große Hoffnungen in die Pressekonferenz der NDRC gesetzt, die letztlich jedoch enttäuschend verlief. Viele hatten erwartet, dass die Regierung ein umfassendes Stimulusprogramm ankündigen würde, um die Wirtschaft anzukurbeln. Stattdessen präsentierte die NDRC nur Ausgaben in Höhe von 200 Milliarden Yuan – weit weniger als die erwarteten 3 Billionen Yuan. Diese Enttäuschung führte zu einem starken Einbruch der Aktienkurse, und der Hang Seng Index in Hongkong verzeichnete den größten Verlust seit Oktober 2008.

Falsches Erwartungsmanagement: Anleger enttäuscht von schwachem Stimulus

Ein offensichtlicher Fehler der ersten Ankündigung war, sie während der Handelszeiten der Börse abzuhalten. Die chinesische Führung schien daraus gelernt zu haben und verschob die nächste Pressekonferenz bewusst auf einen Samstag, einen handelsfreien Tag. Was sie jedoch nicht gelernt zu haben scheint, ist das richtige Erwartungsmanagement. Bereits vor der ersten Konferenz gab es vorsichtige Hinweise aus „gut informierten Kreisen“, um die Erwartungen zu dämpfen. Doch vor der Samstagsankündigung schossen die Erwartungen erneut in die Höhe, wie umfangreich das Stimulusprogramm wohl ausfallen würde.

Ein Beispiel: Der Finanzanalyst Hao Hong führte eine Umfrage zur erwarteten Höhe der Unterstützung durch. Diese wurde jedoch nach nur einer Stunde von der Zensur gelöscht – ein mögliches Indiz dafür, dass keine konkreten Summen angekündigt werden sollten. Auf der Pressekonferenz selbst zeichnete sich durch den Dialog zwischen dem Finanzminister und einem Stellvertreter ab, dass die Höhe der Maßnahmen innerhalb der Regierung noch diskutiert wird.

Ein zentrales Problem bleibt, dass der Finanzminister nicht die Befugnis hat, eigenständig Budgetänderungen vorzunehmen. Solche Entscheidungen bedürfen der Zustimmung des Nationalen Volkskongresses (NPC). Wenn ein umfassendes Stimulusprogramm angekündigt werden soll, wäre es wahrscheinlicher, dass dies durch den Premierminister oder einen Vizepremier geschieht. So wurde beispielsweise das berühmte 4-Billionen-Yuan-Paket von 2008 in einer Sitzung des Staatsrats unter Premierminister Wen Jiabao beschlossen.

Ohne klare Führung: Wirtschaftspolitik in China auf gefährlichem Irrweg

Beim Betrachten des gesamten Maßnahmenkatalogs, der bisher angekündigt wurde, drängt sich das Bild eines uninspirierten Orchesters auf, das immer ein wenig zu spät, immer ein wenig zu tief spielt. Statt eines mitreißenden Stücks in Dur, zieht sich das Konzert in Moll dahin, und der Höhepunkt wird durch verzögerte Einsätze verfehlt. Es wirkt, als ob die Musiker ihre Noten nicht kennen oder ein Dirigent fehlt, der sie mit klaren Anweisungen führt. Was die Zuhörer – in diesem Fall die Investoren – sich erhofften, war eine meisterhafte Aufführung à la Wiener Philharmoniker. Stattdessen erleben sie ein holpriges Konzert eines Provinzorchesters, das weder begeistert noch inspiriert.

Die falsche musikalische Wahl – um in diesem Bild zu bleiben – scheint darin zu bestehen, dass die chinesische Führung den wirtschaftlichen Abschwung als zyklisch interpretiert, während viele Experten die Probleme als strukturell ansehen. Jahrelange Überinvestition und unzureichende Konsumausweitung haben zu tiefgreifenden Ungleichgewichten geführt. Zusätzliche Verschuldung wird diese strukturellen Probleme nicht lösen, sondern die notwendigen Anpassungen nur hinauszögern. Doch je länger diese verzögert werden, desto schmerzhafter wird der unausweichliche Anpassungsprozess werden.

Wer dirigiert also das Orchester? Solisten wie das Politbüro treten auf die Bühne, doch es fehlt der Dirigent. In der klassischen Aufgabenteilung der chinesischen Politik wäre der Premierminister Li Qiang der natürliche Leiter der Wirtschaftspolitik. Doch er ist überwiegend auf dem internationalen Parkett tätig, wie etwa bei seinem Treffen mit dem malaysischen König oder seinem Besuch in Vietnam. Somit wäre es naheliegend, dass der Generalsekretär das Steuer übernimmt. Doch auch Xi Jinping tritt nur als Teil des Politbüros in Erscheinung, obwohl weithin bekannt ist, dass er die dominante Figur in dieser Runde ist.

Ein Sprachrohr der Führung, Professor Dong Yu von der USTC School of Management, brachte es treffend auf den Punkt: „Politische Maßnahmen lassen sich nicht immer nur anhand von Zahlen bewerten. Einige sind quantifizierbar, andere nicht. Der Ausdruck ‚X Billionen‘ ist anschaulich, und viele wünschen sich noch höhere Summen. Doch Wirtschaftspolitik ist mehr als nur ein Zahlenspiel. Natürlich müssen die Entscheidungsträger auch die Marktstimmung im Auge behalten. Aber wir sollten geduldig sein, da viele Maßnahmen noch rechtliche Hürden nehmen müssen.“



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2 Kommentare

  1. Moin, moin,

    der Dirigent fehlt? Da hätten wir doch den Harbeck abzugeben. Der würde auch China an die Wand fahren.

    Fazit: Leider fehlt oft wirtschaftliche Kompetenz in den Staatsspitzen.

  2. Daniel barenboim, Simon rattle, Kurt Masur, James levine nicht mehr,z.B. Dirigenten erreichen ihr Ziel gemeinsam mit den Orchester.
    Sie werden gehört. Hören wir von China wirklich alles?
    Sicherlich die Dirigenten sind anscheinend in China nicht erst klassik. Und ob das chinesische Orchester auf ihre Dirigenten hört wer weiß. Trotz allem es ist anzustimmen der Dirigent hat das sagen und kann aus was mittelprächtigen was grosses zaubern.
    Sie brauchen PERSÖN LICH KEITEN die eine X Kraft erzeugen die alle mitreisst, Musik neu zu entfachen.
    So könnten Sie eine Stimmung erzeugen die den Ton neu entfacht.
    Und jetzt nicht Ablenkungsmanöver um Taiwan. Der Ton wird schärfer, aber man weiß bei den Opernhäusern bald nicht mehr, wer für was welche Scene inszeniert und wer sich im Ton vergriffen…….Götterdämmerung? Nein. Wer weiss was sie tun.
    Ihrem Ende eilen Sie zu, die so stark im Bestehen sich wähnen..
    Das lassen wir im rheinen golden sein.

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