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Regelmäßige gemeinsame EU-Schulden Draghi-Pläne: Deutsche Industrie erfreut, aber…

Mario Draghi sagt, die EU solle jährlich 800 Milliarden Euro investieren in die Wettbewerbsfähigkeit, finanziert über gemeinsame Schulden.

EU-Fahne
Foto: Gpointstudio-Freepik.com

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte den ehemaligen EZB-Präsidenten Mario Draghi damit beauftragt, eine Analyse mit Handlungsempfehlungen zu erstellen, wie die EU strukturell aus der wirtschaftlichen Rückständigkeit herauskommt. Hätte man beispielsweise einen ehemaligen Notenbanker aus Deutschland beauftragt, hätte die Analyse vermutlich so gelautet: „Die EU-Staaten könnten viele unnütze Ausgaben streichen, und die frei werdenden Gelder umschichten in sinnvolle Zukunftsinvestitionen“.

Aber da man den Italiener Mario Draghi beauftragte, wusste man wohl schon vorher, was man bekommt. Und so kam es dann auch: Die EU soll jährlich bis zu 800 Milliarden Euro zusätzlich investieren, um die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern (hier auf 69 Seiten nachzulesen). Und zwecks Finanzierung soll die EU die gemeinsame dauerhafte Schuldenaufnahme massiv ausweiten. Wie lautet dazu das Sprichwort? Wenn alle haften, bedeutet das letztlich, dass niemand haftet. Und im Zweifel dann eben Deutschland als mit Abstand größter Nettozahler.

Die Südländer in der Eurozone sind dafür bekannt, keine Probleme mit jeder Menge Neuverschuldung zu haben. Man hält sich überhaupt nicht an die EU-Schuldenregeln, die eh nur lästig sind. Und die gemeinschaftlichen EU-Anleiheemissionen sind der heilige Grahl, das große Glück. Unbegrenzt und zu niedrigen Zinsen Schulden machen, die eigenen Staatshaushalte vollsaugen mit immer wieder frischem Geld. Das wäre wohl das Problem beim Draghi-Plan. Auf dem Papier mag es gut klingen, dass man jede Menge neue Schulden macht, damit neu investiert wird. In der Praxis würde diese Schuldenschwemme aber in so manchen EU-Ländern das Gegenteil bewirken. Warum innovativ sein, warum gut haushalten, warum sich anstrengen, warum kreativ sein, warum investieren? Es kommt doch eh ständig frisches Schuldengeld aus Brüssel, um das eigene entspannte Leben zu finanzieren. Im Kleinen sieht man es in Deutschland beim Bundesland Berlin: Der Länderfinanzausgleich bescherte Berlin allein in den letzten fünf Jahren 20 Milliarden Euro an Transfergeldern aus Bundesländern wie Bayern, Hessen oder Hamburg. Warum also soll man sich im Berliner Senat anstrengen gut zu haushalten oder sinnvoll zu investieren? Je schlechter man arbeitet, desto mehr Geld kommt über den Länderfinanzausgleich aus den anderen Bundesländern.

Aber zurück zum Draghi-Plan für den großen Aufbruch in der EU: Die deutsche Industrie hat aktuell positiv reagiert auf die Pläne von Mario Draghi, und ein Verband hat den Braten der gemeinsamen EU-Schuldenaufnahme auch schon gerochen. Der Verband der deutschen Maschinenbauer VDMA sagt aktuell: „Europas Zukunft und Werte hängen davon ab, dass es uns wirtschaftlich gut geht – diese Analyse des Draghi-Berichts ist absolut richtig und wäre eine Kehrtwende der Politik der vergangenen Jahre. Europas Stabilität und Erfolg der Wirtschaft sind eng miteinander verbunden und müssen daher ganz oben auf der politischen Agenda stehen.“
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„Mario Draghi scheint den Handel stärker und mehr nach außen gerichtet im Blick zu haben als EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen in ihren politischen Leitlinien. Dies ist erfreulich und vielversprechend und sollte in die Arbeit der Kommission in den kommenden Monaten einfließen. Von protektionistischen Maßnahmen ist dringend abzusehen. Offene Märkte und freier Handel sind für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen essenziell.“ „Offen ist, welche Maßnahmen die richtigen sind, um die notwendigen Investitionen finanzieren zu können. Ob gemeinsame Schulden für öffentliche Gelder der richtige Weg sind, bezweifeln wir.“

Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) schreibt aktuell: Dass Mario Draghi, früherer italienischer Ministerpräsident und Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), in seinem am 9. September präsentierten Bericht zur Wettbewerbsfähigkeit der EU verbesserte Rahmenbedingungen für die Wirtschaft fordert, bezeichnet die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) als „gute Nachricht“. Damit rücke die Wettbewerbsfähigkeit „jetzt in den Fokus des Handelns in der EU“, so DIHK-Präsident Peter Adrian.

„Der Wirtschaft ist besonders dann geholfen, wenn hohe Energiepreise, überbordende Bürokratie und eine schleppende digitale Transformation als Hindernisse der Wettbewerbsfähigkeit konsequent abgebaut werden – so die richtige Botschaft von Draghi“, lobt Adrian. Gute Standortbedingungen in Europa für die Breite der Wirtschaft seien die entscheidende Grundlage für erfolgreiche Innovationen und mutige Investitionen, sagt der DIHK-Präsident.

Bei Initiativen zur Verringerung strategischer Abhängigkeiten müsse die EU darauf achten, dass sie nicht über das Ziel hinausschießt – wie etwa durch Vorgaben für eine Mindestproduktion in der EU. „Unternehmen passen ihre Lieferketten ohnehin fortlaufend an, um Risiken zu managen und ihre Resilienz zu stärken“, gibt Adrian zu bedenken. „Sie müssen aber gerade dazu die Vorteile der internationalen Arbeitsteilung auch jenseits der EU-Grenzen nutzen können.“



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5 Kommentare

  1. Dr. Sebastian Schaarschmidt

    Berlusconi hat im Nachhinein alles richtig gemacht, aus seiner Sicht gesehen…

    Gegen den erbitterten Widerstand der Nordländer installierte er Mario Draghi ,im Frühjahr 2011,als Nachfolger des Franzosen, Jean Claud Trichet ..

    Sonst wären die PIIGS heute schon Geschichte…

    Er hat nicht den Euro gerettet, sondern Italien….

    Von den 950 Milliarden des Next Generation Fonds erhält Italien 270 Milliarden…

    Und Deutschland….? 4 Milliarden….

    Genauso dürfte es jetzt wieder laufen…

  2. letztlich heizt dies die Inflation stark an

  3. Wieder alles auf Kosten des Steuerzahlers bis die Blase platzt

  4. Der Sozialismus, Planwirtschaft etc. produziert Waren und Dienstleistungen am Markt vorbei. Das ist die größte Umweltverschmutzung die es gibt. Ebenso werden Rohstoffe (siehe Chinas Immobilienleerstand) unnötig verbraucht. Deshalb sind Unternehmen und ein gesellschaftlich ausgeprägtes Unternehmertum wichtig um solche Missstände schnell zu bereinigen. Alles andere führt zu Vertrauensverlust wenn man mit Steuerabgaben tote Geschäftsmodelle weiterhin subventioniert.

  5. nun, ich habe nachgedacht. die können soviel g ld wie sie wollen reinpumpen, wenn die Strukturen nicht verbessert werden, versickert das ganze Geld

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