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EZB meldet sich zu Wort – höhere Zinsen, das kann noch lange dauern

Man sollte sich keinen Illusionen hingeben. Dass die EZB die Zinsen für die Eurozone anheben wird, das kann noch lange dauern. Zwar sagte EZB-Direktorin Isabel Schnabel erst gestern, dass eine Änderung der Geldpolitik der EZB möglich sei aufgrund der stark steigenden Energiepreise. Aber ihre Worte klangen doch sehr hypothetisch. In einem heute veröffentlichten Interview mit EZB-Direktor Philip Lane wird schon eher klar, in welche Richtung die EZB beim Thema Zinsen steuert.

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So wurde er von der italienischen Zeitung Il Sole 24 Ore gefragt, ob die Zinsen in der Eurozone in diesem Jahr nicht mehr steigen. Seine Antwort: Es gebe eine Einschätzung der EZB aus Dezember, wonach die Inflation nicht nur in diesem Jahr sinken, sondern sich 2023 und 2024 „unter unserem Zielwert“ (2 Prozent) einpendeln werde. Die Kriterien für eine Anhebung der Zinssätze seien also nicht gegeben. Man bleibe bei dieser Einschätzung. Im Laufe des Jahres werde man über mehr Daten verfügen und die Situation weiter bewerten.

So schnell gibt es wohl keine höheren Zinsen in der Eurozone

Auch interessant war die darauf folgende Frage an Philip Lane, dass viele Marktteilnehmer die erste Anhebung der Zinsen in der Eurozone immer noch für Ende dieses Jahres erwarten würden, und ob es diesbezüglich ein Kommunikationsproblem gebe. Darauf folgte die Antwort: Die Daten, die der EZB vorliegen, würden es ziemlich unwahrscheinlich machen, dass die von der EZB festgelegten Kriterien für eine Zinserhöhung in diesem Jahr erfüllt werden. Nächstes und übernächstes Jahr würden die gleichen Kriterien gelten. Diese Kriterien seien sehr klar, und der Markt könne sie studieren.

Aber lassen Sie mich auf ein Element eingehen – man habe eine Gegenprobe, so Philip Lane. Um die Zinsen anzuheben, müsse man bei der EZB ausreichende Fortschritte bei der zugrunde liegenden Inflation sehen. Die Pandemie mache es schwieriger Indikatoren für die zugrunde liegende Inflation zu interpretieren. Es werde einige Zeit dauern, bis die Auswirkungen der Pandemie – Basiseffekte, Versorgungsengpässe usw. – herausgefiltert sind und eine angemessene Bewertung der zugrunde liegenden Inflation möglich ist.

EZB schaut vor allem auf die Löhne

Man habe regelmäßig darauf hingewiesen, dass das zentrale Element für das Verständnis der zugrunde liegenden Inflation darin bestehe, herauszufinden, wie der Trend bei der Lohnentwicklung verläuft. Wir werden uns das ganze Jahr über mit den Lohnabschlüssen befassen, so die Worte von Philip Lane. Hinter den Preisen würden Kosten stehen, und die wichtigsten Kosten in der Wirtschaft seien die Löhne. Die Arbeitskosten würden einen großen Teil des Gesamtpreisniveaus ausmachen, und die Arbeitskosten bewegen sich in der Regel auf einer beständigeren und allmählicheren Basis. Die Energiepreise bewegen sich abrupt, sie könnten in unbeständiger Weise steigen und fallen. Eine signifikante Veränderung der dauerhaften und zugrundeliegenden Quelle für Inflation sei jedoch unwahrscheinlich, es sei denn, die Löhne ziehen deutlich an. Bis jetzt deuten die Lohndaten laut Philip Lane aber nicht auf eine wesentliche Beschleunigung der zugrunde liegenden Inflation hin.

FMW-Anmerkung: Die EZB schaut also eher auf die Löhne als auf die Energiepreise. Auch wenn Frau Schnabel erst gestern auf die Energiepreise einging. Sie müssten wohl noch einige Monate weiter kräftig ansteigen, damit die EZB doch noch unter Zugzwang gerät um die Zinsen zu erhöhen. Aber man darf vermuten, dass die EZB noch geraume Zeit die Zinsen im Keller belässt. Zu 100 Prozent ausschließen kann man aber nicht, dass sie den Leitzins früher anhebt. Dafür aber müssten wie gesagt die Energiepreise in den nächsten Monaten nochmal richtig Druck erzeugen.

Importierte Inflation, weil die USA voranschreiten?

Die US-Notenbank Federal Reserve wird dieses Jahr 3 oder 4 Mal die Zinsen anheben. Damit werden Geldanlagen in US-Anleihen attraktiver, der Geldfluss geht Richtung US-Dollar, und er dürfte wohl gegenüber dem Euro aufwerten. Daher müssten bei einem schwächeren Euro die europäischen Käufer von Waren auf dem Weltmarkt für Produkte in US-Dollar mehr Geld ausgeben. Diese höheren Einkaufskosten müssen die Importeure an ihre Kunden in Europa weitergeben. Dies nennt man dann eine importierte Inflation.

Genau auf dieses Risiko wurde Philip Lane auch angesprochen, eben weil die USA voranschreiten, die EZB sich aber wohl nicht rührt beim Thema Zinsen. Philip Lane bleibt bei diesem Thema aber äußerst entspannt. Es sei wichtig die Wechselkurse als Teil des Pandemiezyklus zu betrachten. Im Jahr 2020 habe man eine Aufwertung des Euro erlebt. In den letzten Monaten sei ein Teil dieser Aufwertung wieder rückgängig gemacht worden. Im Vergleich zu den Werten vor der Pandemie habe es eine anfängliche Aufwertung des Euro und jetzt eine Abwertung gegeben. Dies sei kein wesentliches Element. Ich würde mich nicht zu sehr auf den Wechselkurs konzentrieren, so seine Worte.


EZB-Direktor Philip Lane. Foto: EZB (CC BY-NC-ND 2.0)



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1 Kommentar

  1. Es sind also nur die Löhne? Ich glaube es persönlich nicht dran. Die Industrie ist doch von Energie abhängig. Und bei jedem anstieg der Energie Preise müssen die Erzeugung Kosten steigen. Und werden weitergegeben, was wiederum Teil der Inflation ist.

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