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Banken-Krise verändert Zinserwartungen EZB unter Druck: Zinsschritt von 0,5 Prozentpunkten nicht sicher

EZB unter Druck: Zinsschritt von 0,5 Prozentpunkten nicht sicher

So schnell kann es gehen – vor wenigen Tagen galt eine Zinserhöhung der EZB auf der Sitzung am kommenden Donnerstag noch als ausgemachte Sache. Doch in Anbetracht der jüngsten Ereignisse im US-Banken-Sektor hat sich das Blatt gewendet. Die Pleiten der Silicon Valley Bank und der Silvergate Bank haben eine große Unsicherheit an den Märkten ausgelöst. Aufgrund des historisch schnellen Zinsanstiegs durch die Federal Reserve sind erste Risse im Finanzsystem entstanden. Zinsschritte von 50 Basispunkten sind jetzt nicht mehr das Basisszenario.

Die Aktienmärkte dies- und jenseits des Atlantiks sind auf Talfahrt, dabei trifft es vor allem die Bank-Aktien hart. Aber auch die Renditen auf US-Staatsanleihen sowie der US-Dollar verzeichnen starke Rückgänge, wovon derzeit Gold, das in Krisenzeiten als sicherer Hafen gilt, profitieren kann. Infolge der Turbulenzen an den Finanzmärkten rechnen die Marktteilnehmer demnach nicht mehr damit, dass die EZB am Donnerstag die Zinsen um 50 Basispunkte erhöht. Zudem hat sich die Zinserwartung aufgrund der Krise verändert – die terminale Zinsrate wird nur noch bei 3,3% gesehen.

Banken-Krise verändert die Zinserwartung am Markt

Wie Bloomberg berichtet, ist in Europa eine Zinserhöhung der Europäischen Zentralbank um 50 Basispunkte in dieser Woche keine ausgemachte Sache mehr, angesichts der Verwerfungen im US-Bankensektor und der daraus resultierenden Verunsicherung.

Am Geldmarkt wird für den Donnerstag nur noch eine Leitzins-Erhöhung um 34 Basispunkte eingepreist. Die Wahrscheinlichkeit eines Zinsschritts um 50 Basispunkte wird inzwischen bei weniger als 50% gesehen. Der Zinsgipfel beim Einlagensatz der EZB wird von Händlern nun bei 3,30% erwartet und damit um rund 90 Basispunkte niedriger als noch vor einer Woche.

Die Neubewertung zeigt, wie schnell sich die Erwartungen an die Geldpolitik ändern können, wenn Anzeichen für systemische Risiken auftauchen. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte auf der letzten geldpolitischen Sitzung im Februar eine Anhebung um einen halben Prozentpunkt als sehr wahrscheinlich bezeichnet, und der Markt es seither als nahezu sicher angesehen, dass es so kommt.

“Die EZB befindet sich in einer schwierigen Lage, da sie gezwungen sein könnte, ihre für diese Woche versprochene Zinserhöhung um 50 Basispunkte zurückzunehmen”, sagte Steven Barrow, Leiter der G10-Strategie der Standard Bank. “Sollte dies der Fall sein, würde dies einmal mehr zeigen, dass es keinen Sinn macht, wenn die Zentralbanken künftige Zinsschritte ankündigen, es sei denn, die Leitzinsen bleiben bei null.”

Verwerfungen an den Märkten

In Reaktion auf die Pleite der amerikanischen Silicon Valley Bank setzte am Finanzmarkt eine Flucht aus dem Risiko ein, der zu massiven Bewertungssprüngen bei Staatsanleihen führte. Deutsche Schatzanweisungen sind am heutigen Montag so gesucht, dass die gegenläufig zum Kurs tendierende Rendite um zeitweise 60 Basispunkte fiel. In den USA gingen Händler zwischenzeitlich davon aus, dass die Federal Reserve angesichts der Verwerfungen im Bankensektor wohl komplett von weiteren Zinserhöhungen absehen werde.

“Wir sind zuversichtlich, dass die europäischen Behörden bei Bedarf ebenso schnell eingreifen und die Auswirkungen auf die Durchführung der Geldpolitik und die Finanzstabilität bewerten werden”, sagte der italienische Finanzminister Giancarlo Giorgetti.

Nach Ansicht von Bloomberg Economics verringern die Ereignisse die Wahrscheinlichkeit, dass die EZB auf ihrer Sitzung in dieser Woche eine weitere starke Erhöhung der Kreditkosten beschließt. Einige Analysten sind der Meinung, dass die EZB Gefahr läuft, sowohl die systemischen Auswirkungen der SVB-Verwerfungen falsch einzuschätzen als auch die Inflation nicht so aggressiv zu bekämpfen wie nötig.

“Die Entscheidung wird schwierig werden, und es besteht das Risiko eines politischen Fehlers von beiden Seiten”, sagte Fredrik Repton, Portfoliomanager bei Neuberger Berman. “Meiner Meinung nach ist es aus Sicht des Risikomanagements wahrscheinlich am besten, einen Schritt von 25 Basispunkten zu machen.”

FMW/Bloomberg

Christine Lagarde, president of the European Central Bank (ECB), at a news conference in Frankfurt, Germany, on Thursday, Feb. 2, 2022. The ECB lifted interest rates by a half-point and pledged another such move before officials then take stock of where borrowing costs must go to tame inflation. Photographer: Alex Kraus/Bloomberg


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3 Kommentare

  1. Eine Bankenpleite während einer Inflation, wie soll man das einordnen?

    Nun, Zinserhöhungen können jetzt nur noch in kleineren Schritten erfolgen, doch es ist weiterhin notwendig, das Zinsniveau anzuheben, denn das Problem mit der Inflation besteht weiterhin.

    Die Inflationsbekämpfung sollte defitiniv Vorrang haben, doch jetzt muss man bei Zinserhöhungen aus Rücksicht auf Banken vorsichtiger sein. Dennoch sind weitere Zinserhöhungen unabdingbar, um der Inflation Herr zu werden und sie wieder auf 2 % zurückzubringen.

    1. Eine blöde Frage.
      Wie wollen Sie wieder auf eine 2% Inflationsrate zurückkommen bei einer geschönten Verbraucher Inflation von 8-10 %, selbst wenn der Leitzins auf 4 wäre? Ausserdem sollten die Börsen sowie die Staaten und Banken wieder daran gewöhnt werden, das Zocken zu unterbinden und ihre Ausgaben zu veringern. Dann wären wir erst garnicht in dieser Lage.

  2. Die EZB versucht mit Fehlern ihre Fehler wiedergutzumachen:
    Die Nullzinspolitik der EZB war ein politischer Fehler, die indirekte Staatenfinanzierung ist ein Fehler, die schier unbegrenzte Geldmengenschöpfung ist ein Fehler und die Inflation, die aus dem Vertrauensverlust der Europäer in den Euro resultiert, kann man nicht durch Zinserhöhungen heilen. Diese verschlimmern nur das Problem des Vertrauensverlustes, da nun auch noch Wirtschaft und die Arbeitsplätze beschädigt werden und das Vertrauen in den Euroraum weiter zurückgeht.

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