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HETA-Desaster: Kärnten ab heute Abend wohl pleite, und eine entscheidende Frage…

FMW-Redaktion

Das österreichische Bundesland Kärnten ist ab heute Abend wohl pleite bzw. wird de facto in die Pleite getrieben. Bis heute 17 Uhr gilt das Rückkaufangebot der HETA (ehemals Hypo Alpe Adria). Man möchte HETA-Gläubigern zu niedrigeren Kursen (Schuldenschnitt) die Forderungen wieder abkaufen, was die Gläubiger aber bis zuletzt abgelehnt haben. In den nächsten Minuten erwartet auch niemand mehr ein eiliges Fax der Gläubigervereinigungen. Was dann folgt, ist das Herantreten an das österreichische Bundesland Kärnten.

Das hatte nämlich als staatliche Institution für die Anleihen der inzwischen pleite gegangenen Bank „Hypo Alpe Adria“ gebürgt, die heute durch ihren Resteverwerter HETA verkörpert wird. Durch die Garantie Kärntens wurden die Hypo Alpe Adria-Bonds zu sogenannten „mündelsicheren Anlagen“. Ein Ritterschlag für die Seriosität von Schuldverschreibungen. „Mündelsicher“ bedeutet auch in Deutschland, dass die Rückzahlung de facto sicher ist, da z.B. bei mündelsicheren Sparkassenbriefen eine Kommune haftet, bei Bundesanleihen der Staat Deutschland usw. Und in diesem Fall haftete eben das Bundesland Kärnten, auch eine staatliche Institution. Und wie allseits bekannt (bisher zumindest !??): Staaten sind sicher, Staaten stehen für eine Zahlungsgarantie, und natürlich erst recht Länder wie Österreich, Deutschland etc.

Also was sollte das schiefgehen? Verständlich, dass sich die Gläubiger nicht weichkochen ließen, da sie darauf beharren, dass das Land Kärnten Milliardenvermögen besitzt, dass verwertet werden kann, um dann mit den Erlösen die Gläubiger zu bedienen. Es geht immerhin um 11 Milliarden Euro, und das kleine Bundesland Kärnten stellt sich verständlicherweise als so richtig arm dar (man wollte 10% der Summe zum Rückkauf der Schulden beisteuern). Das ist aber „mal so richtig“ Ansichtssache“. Jetzt kommt nämlich die entscheidende Frage für die Bürger, die in Kärnten wohnen:

Was genau umfasst die „Bestands- und Funktionsgarantie“ ?

Darübrer streiten sich Juristen schon jetzt vorab in Österreich. Kärnten in der Pleite, das heißt Verwertung von allem, was verwertbar ist – nur was gehört alles dazu, und was muss der Staat behalten dürfen, um weiter seine Kernaufgaben erledigen zu können? Das Problem ist auch, dass es in Österreich kein klares Insolvenzrecht für Kommunen gibt, an welches sich ein Gericht halten könnte. Es gibt eine „Exekutionsordnung“ auf Kommunalebene. Darin steht geschrieben, dass durch die Befriedigung von Gläubigeransprüchen das öffentliche Interesse nicht beeinträchtigt werden darf.

Beauftragte Juristen beider Lager vertreten natürlich (welch Wunder) die jeweiligen Sichtweisen ihrer Auftraggeber. Es gibt in Österreich eine Art „Funktionsgarantie“ staatlicher Organe. Dies bedeutet der Staat muss immer im Stande sein seine Funktion zu erfüllen. Darunter kann man z.B. verstehen, dass Schulen, Feuerwehr und Polizei funktionieren. Je nachdem was man als Grundfunktion des Staates ansieht, könnte man auch Wasserwerke, Stromnetze, Kindergärten, staatliche Betriebe, im Staatsbesitz befindliche Wohnungen und Grundstücke uvm mit dazu zählen.

Man könnte aber auch meinen der Staat muss nicht zwingend Eigentümer von Wohnungen und Grundstücken sein, dann könnte man (wäre man der zuständige Richter) zu dem Schluss kommen der Immobilienbesitz von Kärnten müsse verwertete werden zur Befriedigung der Gläubigeransprüche. Die Professoren Georg Kodek und Michael Potas, die vom Land Kärnten beauftragt wurden, rechnen quasi alles in diesen Bestandsschutz ein, wonach nur noch 60 Millionen Euro als verwertbares Vermögen übrig blieben. Bereits in Stellung gebrachte Experten der Gegenseite legen diese Funktionsgarantie des Staates natürlich genau andersrum aus. Nur das absolute Minimum sei vor der Verwertung geschützt, wie z.B. Polizei und Gerichte. D.h. Krankenhäuser, Versorger etc gehören nicht dazu?

Laut Gläubigerkreisen könne Kärnten beim Staat Österreich 3,5 bis 5 Milliarden Euro Schulden aufnehmen mit einer extrem langen Laufzeit und derzeit natürlich sehr niedrigen Zinssätzen. Außerdem hätte das Land zur Verwertung jetzt schon um 3 Milliarden Euro Vermögenswerte, die es verwerten und an die Gläubiger zahlen könnte. Beides zusammen würde einen Großteil der Gläubigerforderungen abdecken. Nach den Kalkulationen eines Gläubigerpools würde laut dem Standard die Pro Kopf-Verschuldung der Kärntner Bürger auf das Niveau von Hamburg oder Berlin steigen, wenn man 5 Milliarden Euro Schulden beim Bund in Wien machen würde. Der Grundtenor dahinter: Kärnten kann sich das Geld aus Wien holen, das ist tragbar für das Bundesland.

Es läuft wohl also auf einen spektakulären und in dieser Form einzigartigen Gerichtsprozess hinaus, wo ein Richter entscheiden muss, wie viel ein Staat bzw. eine Bundesland mitten in Europa hergeben muss um Schulden zu bezahlen, und was er zur Aufrechterhaltung seiner Grundfunktionen „behalten darf“. Das wird spannend – wo will ein Richter da die Grenze ziehen? Erst gestern hatten wir zu einem ähnlichen Thema über Argentinien geschrieben, wo der Staat nach jahrelangem Streiten mit Altgläubigern doch noch große Teile seiner Schulden beglichen hat. Wollen die Gläubiger von Kärnten auch lange durchhalten in einem jahrelangen Gerichtsstreit, weil sie darauf pokern, dass Kärnten bzw. der darüber stehende österreichische Staat strukturell gesehen nicht pleite sind? Wertschöpfung ist in Österreich vorhanden, eine Steuerverwaltung, Staatsvermögen. Alles ist da um Ansprüche von Gläubigern bedienen zu können, also warum sollte man mal eben schnell auf Ansprüche verzichten? Die Wahrscheinlichkeit einer Rückzahlung ist hier doch wohl größer als in Argentinien (mag man meinen). Eine Möglichkeit: Ein Gericht schlägt eine Art langfristige Ratenzahlung durch Kärnten an die Gläubiger vor, und Kärnten wird langfristig „unter dem Schuldenjoch“ leben müssen.



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