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Israel-Krieg: Auswirkungen auf Russland, die Ukraine und Eurasien

Geopolitische Folgen einer Eskalation

This pool photograph distributed by Russian state owned agency Sputnik shows Russian President Vladimir Putin visiting the new residential building of the presidential lyceum at the Sirius Park of Science and Art on October 4, 2023. Photographer: Vladimir Smirnov/AFP/Getty Images
This pool photograph distributed by Russian state owned agency Sputnik shows Russian President Vladimir Putin visiting the new residential building of the presidential lyceum at the Sirius Park of Science and Art on October 4, 2023. Photographer: Vladimir Smirnov/AFP/Getty Images

Die Ereignisse in Israel und Gaza in den letzten Tagen haben – wenig überraschend – zu Spekulationen über eine Beteiligung Russlands und über das Risiko einer breiteren regionalen Konfrontation geführt, die nicht nur Russland, sondern auch die Ukraine und den Südkaukasus betreffen könnte. In einer so gefährlichen Zeit in einem so gefährlichen Teil der Welt ist es schwierig, Vorhersagen über die regionalen und geopolitischen Folgen zu treffen.

Was ich aber mit einem hohen Maß an Überzeugung sagen kann, ist:

– Die Situation vor Ort, der Krieg, wird sich in den kommenden Tagen und Wochen noch verschärfen

– Der Ölpreis wird steigen, da Saudi-Arabien (aus politischen Gründen) die westlichen Volkswirtschaften, die hauptsächlich Israel unterstützen, nicht mit höheren Fördermengen unterstützen wird. Ein höherer Preis (100 US-Dollar für Brent) passt zur OPEC-Strategie und unterstützt insbesondere die Erholung des russischen Haushalts und die sozioökonomische Stabilität

– Moskau wird versuchen, sich aus dem Konflikt herauszuhalten

Israel-Krieg: Was ist die Position Russlands?

Moskau beharrt darauf, dass es weder die Hamas noch die Hisbollah unterstützt und seine Rolle darin sah und sieht, beide Seiten an den Verhandlungstisch zu bringen und den Friedensprozess zu befördern. Es gibt keine Beweise dafür, dass Russland (seit 1991) die Hamas oder die Hisbollah militärisch unterstützt hat. Dies wird durch Äußerungen aus dem Weißen Haus bestätigt. Anderslautende Pressemitteilungen (in den USA) sehen bei gegenwärtiger Faktenlage eher nach antirussischer Propaganda aus.

Moskau würde nicht riskieren, Israel oder die arabische Welt zu verprellen, indem es in diesem Konflikt nun plötzlich Stellung bezieht. Es steht zu viel auf dem Spiel und die relevanten russischen Entscheider verstehen das. Die Beziehungen zu Israel und den arabischen Staaten sind viel zu wichtig, um sie aufs Spiel zu setzen.

Warum ist Russland involviert?

Kiew ist besorgt, dass die USA ihren Fokus auf die Unterstützung Israels verlagern und beginnen, die Unterstützung reduzieren. Die Befürchtung unter den Ukraine-Befürwortern ist, dass die USA (und Europa) bereits beginnen, den Ukraine-Russland-Konflikt als Sackgasse und als nicht zu gewinnen einschätzen. Bei begrenzten Ressourcen habe ich wenig Zweifel daran, dass die Unterstützung Israels die viel größere Priorität für jede US-Regierung hat. Innerhalb weniger Stunden nach Beginn des Angriffs entsandte das Weiße Haus eine Flugzeugträger-Kampfgruppe ins östliche Mittelmeer, was von ukrainischen Offiziellen aufmerksam zur Kenntnis genommen wurde.

Aktivisten in der Ukraine und pro-ukrainische Unterstützer sind in den sozialen und Mainstream-Medien massiv aktiv und versuchen, die Position Israels mit der der Ukraine zu vergleichen. So auch Präsident Selenskyj, der Montag in einer Fernsehansprache behauptete, Kiew habe Beweise für die Beteiligung Russlands an dem Konflikt. Die unangekündigte Reise Selenskyjs nach Brüssel untermauert diese Einschätzung.

Wie reagiert Moskau?

Bisher verhält sich Russland (ungewöhnlich) klug. Abgesehen davon, dass Russland eine feste Position einnimmt, eine Beteiligung ablehnt und eine Vermittlung anbietet, deutet sich an, dass Russland die Angriffe auf Ziele in der Ukraine reduziert hat. Seit dem Angriff der Hamas gibt es keine Berichte über größere Raketenangriffe.

In Moskau sind Stimmen zu hören, dass Russland nicht beschuldigt werden will, den Konflikt in Israel mit Angriffen auf die Ukraine auszunutzen, denn das würde sich später mit einer größeren US-Unterstützung für die Ukraine rächen. Es liegt wohl aber auch daran, dass Putin sich darauf vorbereitet, am Gipfel der GUS-Staats- und Regierungschefs in Bischkek Ende dieser Woche teilzunehmen und dann am Wochenende zum BRI-Gipfel (Belt and Road Initiative) nach Peking zu reisen.

Wie antwortet die Ukraine?

Abgesehen von der aktiven Lobbyarbeit und der Nutzung sozialer Medien besteht die Gefahr, dass die Ukraine versucht, einen spektakulären Angriff auf russische Stellungen, die Krim oder sogar Moskau zu inszenieren, während Putin von Ende dieser Woche bis Anfang nächster Woche reist.

Was sind regionale Implikationen?

Man muss sich nur die Beziehungen im Kaukasus ansehen, um zu verstehen, wie sich dieser Konflikt im Falle eines größeren und längeren Krieges auf die Region auswirken würde:

– Israel unterhält enge Beziehungen zu Aserbaidschan. Dies ist schon lange der Fall und hat sich in jüngster Zeit z.B. durch geplante Kooperationen im Energiesektor und Satellitenentwicklungen ausgeweitet

– Israel ist ein Feind des Iran, während der Iran ein enger Verbündeter und Handelspartner Armeniens ist. Dies könnte zu Komplikationen für Armenien mit der EU und den USA führen

– Saudi-Arabien hat daran gearbeitet, die Beziehungen sowohl zu Israel als auch zum Iran zu verbessern. Dies ist einer der Gründe, warum es Optimismus über eine effektivere BRICS-Union (nach dem Beitritt des Iran und Saudi-Arabiens im Januar) und über die Ausweitung des regionalen Handels gibt, was auch Russland und Indien helfen würde. Aber wenn das Vorgehen Israels in Gaza zu „zu vielen“ zivilen Todesopfern führt, dann würden die israelisch-arabischen Beziehungen um mindestens ein Jahrzehnt zurückgeworfen. Das bedeutet nicht, dass Saudi-Arabien oder die Vereinigten Arabischen Emirate den Iran umarmen würden, aber jeder Optimismus über eine friedliche regionale Integration und einen Handelsschub wäre dahin.

Ein größerer Konflikt zwischen Israel und dem Iran (militärisch) könnte leicht auf den Südkaukasus übergreifen, wo zum Beispiel aserbaidschanische und türkische Streitkräfte die Kontrolle über den Zanzegur-Korridor übernehmen und den iranischen Zugang nach Armenien blockieren könnten. In diesem Fall wäre das Risiko eines militärischen Konflikts zwischen Aserbaidschan und dem Iran sehr hoch.

Was ist mit dem Iran?

Der Iran wird aufgrund seiner Unterstützung der Hisbollah verantwortlich gemacht, auch wenn es keine nachgewiesene direkte Verbindung zu dem Anschlag vom Samstag gibt. Es ist eigentlich nur die Frage, wie viel Schuld Teheran zugeschrieben wird und welche Konsequenzen sich dann für die Pläne Chinas und Russlands ergeben könnten, sich stärker mit dem Iran zu beschäftigen (in Handel, Transport, Investitionen) und ob es auch Auswirkungen auf die Politik der USA und auf die BRICS-Staaten geben könnte.

Der Rial-Wechselkurs spiegelt das veränderte Bild für den Iran wider. Er hatte sich gegenüber dem US-Dollar auf 45.000 erholt und schien sich sogar bis Ende dieses Jahres auf den „festen offiziellen Kurs“ von 42.000 zuzubewegen. Seit Samstag ist er auf 53.000 gestiegen. Die Befürchtung ist, dass die USA, die die Maßnahmen zur Durchsetzung des Ölembargos deutlich gelockert hatten (wodurch die iranischen Ölexporte auf 1,9 Millionen Barrel pro Tag steigen konnten), die Durchsetzung erneut verschärfen und die iranischen Exporte beeinträchtigen würden.

Wenn Israels Vorgehen in Gaza als übertrieben erachtet wird, dann werden die Regierungen in Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten (aufgrund des öffentlichen Drucks) keine andere Wahl haben, als alle Kontakte mit Israel zu beenden – aber ich bezweifle, dass wir eine Rückkehr zu der Art von Öl-Boykotten erleben würden, die in den 1970er Jahren und später angewandt wurden.



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7 Kommentare

  1. Ein weiterer Aspekt:

    []…Der Angriff der radikalislamischen Gruppe Hamas kann auch für Schweden mit bedeutenden Folgen verbunden sein, da die Türkei weitgehend auf den Seiten der Hamas steht, was wiederum bedeutet dass die USA gegenwärtig kaum die Kampfflugzeuge F-16 an Erdogan liefern wird. Die Lieferung der Flugzeuge ist jedoch die Voraussetzung dass die Türkei den schwedischen Antrag auf einen Natobeitritt unterstützen wird. Mit dem Angriff der Hamas dürfte daher die Nato-Mitgliedschaft für Schweden in weite Ferne gerückt sein…[]

    http://schweden-nachrichten.blogspot.com/

  2. OPEC+-Mitgliedsland Russische Föderation-Staatspräsident Dr. Wladimir Putin betreibt eine multipolare Außen(wirtschafts)politik auf Grundlage der UN-Charta, dahingehend, daß er sowohl Beziehungen zum Staat Israel, als auch zur Islamische Republik Iran und der Arabische Liga unterhält. Präsident Putin wird sich einerseits für das Existenzrecht des Staates Israel im Zusammenhang mit dem Rückkehrgesetz aussprechen, aber eben auch gleichzeitig das zionistische Regime, welches die Golan-Höhen besetzt, und die Tatsache, daß US-Besatzungstruppen in Kooperation mit PKK-nahen Kurden Erdöl aus/von besetzten Ölfeldern im Arabische Republik Syrien-Nordosten/Deir Al-Zor stehlen, unterstützt, kritisieren. Der Kreml ist mit der Öl-Allianz OPEC+ vernetzt, BRICS-Mitglied und Partner der syrischen Offshore-Ölförderung. Putin wird aus den genannten Gründen akzeptieren, daß Syrien, der Iran und die Hisbollah den Staat Israel aktuell nicht anerkennen, aber wohl auch Teheran und Damaskus dazu aufrufen, die Unterstützung der Hamas zu beenden. Russland möchte, wie Ägypten und die Türkei in Sachen aktueller Israel-Hamas-Krieg vermitteln, und wird in diesem Zusammenhang sicherlich die Forderung der Arabische Liga, Israel möge die Invasion gegen die Hamas beenden, unterstützen.

  3. Lieber Autor, bitte noch einmal durchlesen und diese Framing-Wörter in Zukunft weglassen und ganz neutral berichten. Viele Menschen sind schon so umverstimmt und merken es nicht.

    Besten Dank wenn Sie es in anderen Texten so anwdnden können.

    1. Hallo Müller,

      der Artikel enthält subjektive Einschätzungen, die als solche klar erkennbar sind. Das ist kein Framing.
      Framing ist z.B., wenn ein Artikel von der „weltweit hochgeschätzten Kanzlerin“ und dem „umstrittenen Professor“ spricht.

      1. @Oberlehrer Felix
        Nur weil du glaubst, dass etwas für dich klar erkennbar ist, muss das längst nicht auf andere Leser zutreffen. Bereits dieser kurze Nebensatz von dir ist ebenfalls Framing, weil er dich ins Licht der Überlegenheit und Objektivität rückt, während er deinen Adressaten in deutlich tieferen kognitiven Sphären schweben lässt. Daher solltest auch du regelmäßig ein „Re-Framing“, also einen ganz bewussten Perspektivenwechsel in Betracht ziehen.
        Wäre es nämlich tatsächlich so, wie du behauptest, müsste journalistisch korrekt über dem Artikel stehen: „Ein Kommentar von Michael Pietz“ oder ganz oben „Meinung“ statt „Allgemein“.

        Framing entsteht zwar auch durch positiv oder negativ besetzte Worte. Aber eben nicht ausschließlich. Geeignet ist ebenso die Hervorhebung bzw. Unterdrückung gewisser Perspektiven und Informationen. Als Großmeister der Manipulation müsste gerade dir das bestens geläufig sein.

        Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, ob irgendetwas davon auf subjektiven Einschätzungen oder bewusster Wortwahl von Adjektiven basiert. In der Wissenschaft ist es inzwischen Konsens, dass Framing ein beinahe allgegenwärtiger kognitiver Prozess ist, ohne dies nun als negativ oder manipulativ wertend zu besetzen.
        Hier ein Zitat aus einem wissenschaftlichen Artikel:
        „Wenn bestimmte Formulierungen gezielt oder unbewusst die Wahrnehmung eines Inhaltes beeinflussen, wird das eigene Denken durch einen Rahmen begrenzt: Framing. Wird nur der begrenzte Inhalt eines möglichen größeren Themenfeldes dargestellt, beeinflusst das den Empfänger der Botschaft in der Wahrnehmung. Bekannt ist der Framing-Effekt vor allem auch durch eine ganz andere, unterschiedliche Sichtweise von Dingen und Situationen.“

        Nachdem ich selbst nun ausreichend Framing betrieben habe, überlasse ich das Feld gerne wieder dir und deinen philosophischen Höhenflügen.

        1. Young Global Leader

          @Helix, vielleicht erläutert @Müller ja noch welche „Framing-Wörter“ ihn besonders gestört haben.

          1. @Young Global Leader
            Vielleicht, wer weiß. Das solltest du am besten @Müller direkt fragen. Diese direkte Art der Kommunikation ist immer besser als das ständige Hintenrum über Dritte. Was übrigens nicht selten auch eine Art von Framing sein kann 😉

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