Allgemein

Koalition vor dem Ende? Jetzt laufen der FDP in Hamburg Top-Leute weg – Lindner-Panik?

Nach dem heutigen Rücktritt des Grünen-Vorstands beginnt die Erosion bei der FDP. In Hamburg laufen führende Köpfe zur CDU über. Neuwahlen im Bund voraus?

Christian Lindner
Christian Lindner. Foto: Krisztian Bocsi/Bloomberg

Man darf vermuten, dass Olaf Scholz solange an seinem Stuhl im Kanzleramt kleben bleiben wird, wie nur irgend möglich. Aber das Auflösen der Koalition – so vermute ich es – wird die FDP übernehmen. Heute hat der Vorstand der Grünen seinen kompletten Rücktritt erklärt, weil die Ergebnisse in Thüringen, Sachsen und Brandenburg desaströs waren. Und die FDP? Dort findet man nur noch als Restposten bei den „Sonstigen“statt. Wann kommt der große Knall für Christian Lindner, darf man getrost fragen.

Die Erosion bei der FDP ist bereits jetzt in Gange, und zwar gut sichtbar in Hamburg! Laut Berichten verliert die FDP-Sitze in Hamburg Top-Leute, die jetzt zur CDU wechseln. Bereits übergelaufen war die ehemalige Spitzenkandidatin Anna von Treuenfels-Frowein. Heute nun laufen auch Wiebke Köhler und Claus Krumrei aus dem FDP-Landesvorstand in Hamburg zur CDU über. Beide begründen das vor allem mit dem Thema Innere Sicherheit.

Man könnte aber auch sagen: Die FDP-Leute in Hamburg schauen nach vorne, nämlich auf die Bürgerschaftswahl im März 2025. Bei der letzten Wahl erreichte man 4,97 %, man scheiterte also an der 5 %-Hürde. Und nach den letzten drei desaströsen Ergebnissen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg versucht man wohl, das sinkende Schiff zu verlassen, und sich auf das größere Schiff der CDU ins Trockene zu retten. Man erwartet wohl für Hamburg für die FDP einen ähnlich katastrophalen Absturz in die Bedeutungslosigkeit wie in Ostdeutschland. Das sollte für Christian Lindner mehr als ein Alarmzeichen sein.

Eigentlich ist es eh merkwürdig, warum eine so wirtschaftsliberale Partei wie die FDP mit der SPD und vor allem den Grünen überhaupt im Bund eine Koalition eingehen konnte. Nun wird die FDP dafür mehr und mehr bestraft an der Wahlurne. Der Sturz in die totale Bedeutungslosigkeit droht. Ich habe keine Glaskugel, aber meine persönliche Vermutung ist: Mit einer vorzeitigen Aufkündigung der Koalition im Bund könnte die FDP für eine Neuwahl alte Stammwähler zurückgewinnen, die diesen Schritt doch nochmal honorieren, und man schafft im Bund doch noch 5 %. Man weiß es nicht, aber das wäre möglich.

Dass die Lage mehr als ernst ist, hat man auch an den jüngsten Aussagen von Christian Lindner gemerkt. Er sagte vorgestern, bis zum 21. Dezember müsse die Ampel zu Beschlüssen kommen, bei den Themen Migration, Wirtschaft und Haushalt. Aber was, wenn nicht? Und welche Entscheidungen meint er eigentlich? Das ließ er offen. Klar war aber, dass er einen Handlungsdruck sieht, dass die FDP irgendwas vorweisen muss, um nicht auch noch die letzten paar Wähler zu verlieren.

Auf Social Media jedenfalls war der Spott nach der Brandenburg-Wahl groß. Ob die letzten FDP-Wähler beim Stimmzettel vielleicht nur aus Versehen an der falschen Stelle das Kreuz gemacht haben? Und das war nur einer von unzähligen spöttischen Aussagen. Selbst alte Stammwähler könnten sich nach aktuellem Stand fragen: Warum eigentlich wieder FDP wählen, bei dieser Wirtschaftspolitik, siehe Heizungen, Steuern, Autos, Umweltvorgaben, immer mehr Bürokratie etc. Die FDP steht doch (eigentlich) genau für das Gegenteil. Auch sonst kann man nicht erkennen, dass Herr Lindner irgendetwas umgesetzt hätte, wo die FDP glänzen kann. Nur damit zu punkten, dass man die schlimmsten Ideen der Grünen verhindert habe, kann kein Erfolgsnachweis sein.

Ich vermute: Die aktuelle Erosion in Hamburg könnte erst der Anfang sein. Die FDP muss jetzt schnell agieren und in der Koalition kräftig punkten, wohl vor allem beim Thema Migration. Aber da bei diesem Thema mit den Grünen wohl kaum ernsthafte Veränderungen machbar sind, dürfte ein Bruch der Koalition wahrscheinlicher werden, und damit Neuwahlen.



Kommentare lesen und schreiben, hier klicken

Lesen Sie auch

7 Kommentare

  1. Warum sollte man Personen eine Wahlstimme zugestehen die knapp drei Jahre lang Lindners Koalition unterstützt haben und jetzt im Untergangsmodus zur CDU flüchten?

  2. Ob es der Bundeskanzler Olaf Scholz-Bundesregierung/Koalition überhaupt bewusst ist, daß die momentane instabile politische Situation alles andere als einen Standortfaktor darstellt, wo sich doch die Industrie bereits jetzt in einem katastrophalen Zustand befindet?

    1. Der Bundeskanzler schätzt die wirtschaftliche Lage hier sicher nicht als negativ ein, sonst hätte er längst entsprechende Reaktionen angekündigt. Natürlich ist die indifferenten politische Lage ein Standortfaktor, auf der anderen Seite kann nicht erwartet werden, dass sich der deutliche wirtschaftliche Niedergang in geordneten politischen Bahnen vollzieht. Eines bedingt das Andere

  3. Wenn eine mit Wirtschafts- und Freiheitskompetenz gesegnete sozial-liberale „FDP“(zumindest war dies mal so) explizit um ihren Niedergang bittet, in dem sie sich mit den „Grünen“ und der „SPD“ in’s Regierungsbett legt, dann sollte man dieser Bitte auch entsprechen. Ich habe dies zumindest getan. Guter Oppositionsarbeit zolle ich Respekt, schlechtes Mitregieren nicht.

    Übrigen:

    Für mich gibt es zur „FDP“ besserer Alternativen als das linke und Rechte Parteienspektrum.

    Grüße aus Thüringen

  4. „Top-Leute“ und FDP ist ein Oxymoron, also ein Widerspruch in sich selbst. Was übrigens auch für das Wortpaar „Wirtschaftsliberal“ und FDP gilt. Außer natürlich man hält Gosplan für die Inkarnation einer liberalen Wirtschaft. Obwohl die im Vergleich zur FDP ja schon reinster Manchester-Kapitalismus war.

  5. „Eigentlich ist es eh merkwürdig, warum eine so wirtschaftsliberale Partei wie die FDP mit der SPD und vor allem den Grünen überhaupt im Bund eine Koalition eingehen konnte. Nun wird die FDP dafür mehr und mehr bestraft an der Wahlurne.“

    Man könnte auch sagen, SPD und Grüne werden dafür bestraft, sich mit einer Totalverweigerer-Partei und Basisopposition innerhalb der Regierungskoalition eingelassen zu haben, die sich nicht einmal an die eigenen ausgehandelten Verträge und vollmundigen Anfangsversprechen hält.
    Vielleicht wird die FDP ja genau deswegen abgestraft?!

Hinterlassen Sie eine Antwort

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert




ACHTUNG: Wenn Sie den Kommentar abschicken stimmen Sie der Speicherung Ihrer Daten zur Verwendung der Kommentarfunktion zu.
Weitere Information finden Sie in unserer Zur Datenschutzerklärung

Meist gelesen 7 Tage