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Öl-Embargo gegen Russland: EU-Sanktionen in Realität reine Symbolpolitik

Ursula Von der Leyen Photographer: John Thys/AFP/Getty Images
Ursula Von der Leyen Photographer: John Thys/AFP/Getty Images

Das Öl-Embargo der EU ist in der Praxis reine Symbolpolitik, die ihren Zweck, die Einnahmen Russlands durch den Ölverkauf zu senken, nicht erreicht. Denn die EU nimmt offensichtlich keinerlei Kontrollen vor, ob es sich bei Ölimporten um russisches Öl handelt – oder nicht. Wer aber ein Embargo nicht in der praktischen Umsetzung kontrolliert, ist auch nicht in der Lage, die Umsetzung eines solchen Embargos durchzusetzen. Mit anderen Worten: die EU betreibt mit dem Öl-Embargo gegen Russland reine Symbolpolitik!

Das Öl-Embargo der EU gegen Russland: Theorie und Praxis

Am 3. Dezember 2022 verkündete Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, dass die G7-Staaten und alle EU-Mitgliedstaaten einen Beschluss gefasst haben, der Russlands Einnahmen noch stärker beschneiden und seine Fähigkeit, Krieg in der Ukraine zu führen, einschränken werde.

‘‘Er wird uns auch dabei helfen, die globalen Energiepreise zu stabilisieren, was weltweit Ländern zugutekommt, die derzeit mit einem hohen Ölpreis konfrontiert sind. Das Einfuhrverbot der EU für russisches Rohöl und russische Erdölerzeugnisse, die auf dem Seeweg befördert werden, wird in vollem Umfang beibehalten. Gleichzeitig ermöglicht es der Preisdeckel europäischen Wirtschaftsbeteiligten, russisches Öl in Drittländer zu befördern oder damit verbundene Dienstleistungen zu erbringen, sofern sein Ölpreis strikt unter der festgelegten Obergrenze von 60 USD/Barrel bleibt.“

Russland reagierte auf das Öl-Embargo der EU seinerseits im Februar 2023 mit einem „Gegen-Embargo“: Es verbietet den Ölexport in Länder, die einen Preis-Deckel anwenden.

Das Embargo der EU – und die Ausnahmen

Stand der Dinge ist derzeit:

– Russisches Öl darf nicht mehr auf dem Seeweg von Russland direkt in die EU transportiert werden

– Die Europäische Union und die G7-Staaten verbieten Banken, Versicherungen und Häfen vom 5. Dezember 2022 an, den An- und Verkauf von russischem Öl zu finanzieren, die Schiffsladungen zu versichern oder die Ladungen zu löschen, falls das Öl an Bord eines Tankers zu höheren Preisen gehandelt wird als von der EU festgesetzt. Damit soll ein Öl-Embargo Russland hart treffen.

Doch es gibt Ausnahmen. Ein EU-Land hat sich eine weitreichend Ausnahme erstritten. Bulgarien darf weiterhin bis Ende 2024 Rohöl über den Seeweg von Russland importieren – und zwar zum Marktpreis (also ohne Preiss-Deckel!). Ungarn, Tschechin und die Slowakei haben ebenfalls eine Ausnahme bekommen. Sie beziehen weiterhin Öl aus Russland aus der Druschba-Pipeline. Tschechien steigerte, trotz EU-Sanktionen, sogar die Importe von russischem Öl im 1. Halbjahr 2023 deutlich! Der Anteil des russischen Öls betrug 65 Prozent seiner Importe – damit war der Anteil russischen Öls an den Öl-Importen des Landes insgesamt so hoch wie seit über zehn Jahren nicht mehr.

Was ist für andere EU-Länder erlaubt?

Es ist erlaubt, dass z.B. griechische Reeder das russische Erdöl in Länder wie Indien oder die Türkei transportieren dürfen. Diese Länder liefern wiederum das Öl legal, denn sie fallen ja nicht unter die Sanktionen der EU. Sicher ist das ein Grund, warum die Türkei den Import von russischem Öl verdoppelt hat – man kann annehmen, dass die Türkei dabei einen kleinen Rabatt von Russland bekommt. Und natürlich verkauft die Türkei nicht das russische Öl in EU-Staaten weiter, oder etwa doch?

Türkei Drehkreuz für Öl und Gas

Die Türkei ist dabei, das Öl- und Gas-Drehkreuz für Europa zu werden. Der Hafen von Istanbul ist nur einen Katzensprung (835 Kilometer) vom russischen Hafen Noworossiysk entfernt. Momentan importiert die Türkei über den Seeweg täglich Rohöl aus Russland im Wert von knapp 20 Millionen Dollar. Das entspricht jährlich über sieben Milliarden Dollar. Russland könnte mit dieser Einnahme von sieben Milliarden Dollar ca. 2000 T-90 Panzer produzieren – oder 280.000 Lancet-Drohnen, die von der ukrainischen Verteidigung nur schwer abzuwehren sind.

Kann man die Herkunft von Öl analysieren? Die EU interessiert das nicht

Es stellt sich die Frage, ob man nicht das Erdöl, das etwa zu deutschen Ölraffinerien geliefert wird, auf seine Herkunft prüfen kann – dass man also klärt, wo dieses Öl gefördert wurde. Bislang aber hat sich erstaunlicherweise niemand bei der EU über diese Art der Kontrolle Gedanken gemacht! Wir sprachen über dieses Thema daher mit Ölraffinerien, Universitäten und Chemie-Laboren. Ergebnis:

Jedes Land, das Rohöl fördert, hat natürlich seinen eigenen „Fingerabdruck“. Wenn man einen Mix aus Rohöl hat, wird es jedoch etwas schwieriger. Ein international tätiges Mineralölunternehmen sendete uns freundlicherweise auf unsere Anfrage eine Mail: „Als Hintergrundinformation kann ich Ihnen folgende Informationen zur Verfügung stellen: In unserem Raffinerie-Labor finden dazu keine eigenen Untersuchungen statt. Ein Kollege hat aber freundlicherweise recherchiert. Die Artikel geben einen Aufschluss, dass die Ursprünge durch Analytik tatsächlich ermittelt werden können. ‘‘

https://www.uni-bremen.de/kksb/news-1/erklaerung-fuer-ungewoehnliche-isotopenmuster
https://www.faz.net/aktuell/wissen/physik-mehr/rohoel-eine-uhr-im-schwarzen-gold-1233773.html
https://isobarscience.com/de/strontium/application/

Wie entsteht Erdöl?

Erdöl entsteht wie Erdgas und Kohle aus Pflanzen- und Tierresten. Diese sind vor vielen Millionen Jahren abgestorben und unter die Erde gesunken. Durch Hitze und den Druck verwandelten sie sich in Öl, Gas oder Kohle. Die Lagerstätten liegen bis zu 3000 Meter tief unter der Erdoberfläche. Nach einigen Telefonaten mit renommierten Professoren der Geochemie zeigt sich: das ist kein Hexenwerk! Ein Fingerabdruck bei Erdöl ist möglich!

Jede Region der Welt weist ein spezifisches Verhältnis auf, basierend auf der umgebenden Geologie und den Wasserquellen. Die Geologie und damit die Böden, haben eine spezifische Signatur, die mit ihrem Ursprung verbunden ist. Wenn man das Öl aus dem Boden fördert, gelangen zusätzlich Bakterien nahe der Oberfläche in das Öl. Das bedeutet, dass man feststellen kann, ob das Rohöl aus Russland stammt – und sogar wo es dort gefördert wurde. Doch die EU vergibt dazu keine Aufträge! Wenn es einen Forschungsauftrag geben würde, müsste man dazu reine Erdöl-Proben aus den jeweiligen Regionen für ein Forschungs-Team bekommen. Danach würde für jede Probe ein Profil erstellt.

Wäre die Herkunftsanalyse des Öls die Lösung?

Nur wenn sich die EU wirklich für die Herkunft von Öl-Importen interessieren würde, könnte sie das Öl-Embargo gegen Russland glaubhaft durchsetzen. Es wäre dann auch möglich, Öl-Tanker etwa wieder in die Türkei zurückzuschicken, wenn im Öl-Anteil russische Herkunft nachzuweisen ist. Ganz wird man aber die Umgehungen des Öl-Embargos wohl nicht unterbinden können, denn Indien würde möglicherweise lupenreines indisches Öl liefern – und für sich selbst günstigeres russisches Öl nutzen.

Trotzdem würde das Russland und alle anderen Länder, die sich gerade am russischen Öl direkt oder indirekt bereichern, erheblich schmerzen. Wenn die EU sich aber faktisch nicht für die Herkunft von Öl-Importen interessiert, dann könnte Deutschland im Grunde auch gleich direkt aus Russland Öl importieren. Das wäre deutlich günstiger und würde vielleicht sogar den Ölpreis sinken lassen. So aber kauft Deutschland wahrscheinlich Öl aus Russland über Drittanbieter, die damit das große Geschäft machen – während Deutschland die Zeche dafür zahlt!

Öl-Embargo der EU gegen Russland wirkungslos – das hilft der Ukraine nicht

Damit verpufft das Öl-Embargo gegen Russland also wirkungslos. Jenseits der Tatsache, dass der Ölpreis-Deckel der EU gegen Russland ohnehin nicht funktioniert, wie wir kürzlich in dem Artikel „Russland-Ölpreis Urals dramatisch höher als die Sanktionsgrenze“ aufgezeigt haben! Der Ölpreis für die russische Sorte Urals liegt bereits weit über dem Preis-Deckel von 60 Dollar!

Russlands Ölexporte sind allein in diesem Frühjahr 2023 um 50 Prozent gestiegen – gut drei Viertel der Transporte laufen auf dem Seeweg. Damit ist das vollmundige Versprechen durch Frau von der Leyen, wonach das Embargo der EU Russlands „Fähigkeit, Krieg in der Ukraine zu führen, einschränken wird“, reines Wunschdenken. Der Ukraine jedenfalls hilft dieses Öl-Embargo der EU nicht.



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8 Kommentare

  1. Der Staatspräsident des NATO-Mitgliedslandes Republik Türkei Recep Tayyip Erdogan steht somit für eine multipolare Außenwirtschaftspolitik auf Grundlage der UN-Charta. Er ist sowohl Richtung Westen, als auch Richtung Russische Föderation orientiert. Im Zusammenhang mit letzterem verhandelt er mit Staatspräsident Dr. Wladimir Putin, den Russland-Ukraine-Konflikt zu beenden. Vielleicht verhilft das geplante Öl- und Gas-Drehkreuz der Türkei ja auch, die aktuelle hohe Inflation zu verringern.

  2. …EU-Sanktionen in Realität reine Symbolpolitik…
    Naja, zumindest für Deutschland aber auch recht teuer.

    Viele Grüße aus Andalusien Helmut

  3. Gurkentruppe, Dilettanten ?
    Welch Lobpreisungen gibt es noch ? Was sollen Sanktionen bewirken ? verehrteste Frau von der Leyen (und all die anderen) ?
    Wem sollen sie schaden ? dem der sie auspricht oder dem an den sie gerichtet sind ?
    und bisher nichts gelernt. Das ist das mehr wie peinlich.

  4. Vor ein paar Wochen hat Finanzmarktwelt noch behauptet die Sanktionen wirken. Vielleicht haben sie gemeint es wirkt indem Deutschland geschadet wird.

    1. Aber, aber, man kann doch seine Meinung ändern, wenn man es zuvor nicht so ganz überrissen hat. Jedenfalls die die nicht dem mainstream angehören haben es von Anfang an richig eingeschätzt. Aber das waren dann alles Verschwörungstheoretiker.

  5. Genau, fast 50% Einbruch der Einnahmen bei den Fossilen Energietraegern aber die Sanktionen wirken nicht.
    Irgendwie schreibt der Autor ziemlch Faktenfrei.

  6. Daneben gehen 30% der Staatsausgaben für „Verteidigung“ drauf. Aber die Leidensfähigkeit der Russen soll ja groß sein. Bei 20% Frauenüberschuss sehe ich auch noch Exportmöglichkeiten.

  7. Die EU hat gar kein Interesse an dem jetzigen Zustand etwas zu ändern. Durch die Exporte Russlands kommt genug Öl auf den europäischen Markt und die Inflation wird im Zaum gehalten. Die russischen Mineralölfirmen müssen im Inland Kraftstoffe zum Selbstkostenpreis abgeben und exportieren lieber zum geringen Preis ins Ausland. Das führt zur Unterversorgung und Protesten (!) von Landwirten und Speditionen. Warum sollte die EU Putin aus diesem Dilemma befreien?

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