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Welchen Anteil hat der Ölpreis an der Inflation? Ölpreis: US-Märkte sorgen sich vor Anstieg der Inflation

Ist Energie wirklich der Inflationstreiber?

Ölpreis und Inflation

Seit einigen Wochen vergeht kaum ein Tag, an dem die Wall Street nicht aufgeschreckt werden durch einen stetigen Anstieg beim Ölpreis, sowohl für WTI aber auch für Brent Oil: man fürchtet einen weiteren Anstieg der Inflation.

Zuletzt befeuert durch die gemeinsame Aktion der Olförderländer Saudi-Arabien und Russland mit ihrer Verknappung der Öllieferungen bis Jahresende und dies, obwohl gerade ein neuer Rekord in der globalen Nachfrage nach dem schwarzen Gold mit 103 Millionen Barrel pro Tag gemeldet wurde. Und sofort machte sich die Sorge an der Wall Street breit, dass dieser Energiepreisanstieg die Inflation wieder antreiben könnte, mit entsprechenden Auswirkungen auf die Kapitalmarktzinsen und die Geldpolitik der Federal Reserve. Hatten wir nicht in den letzten 13 Monaten einen Rückgang beim Verbraucherpreisindex CPI von 9,1 auf 3,0 Prozent erlebt, der für den Monat Juli wieder auf 3,2 Prozent geklettert war. Jetzt wird ein weiterer Anstieg auf 3,6 Prozent erwartet, oder sogar noch höher.

Doch wie stark ist eigentlich der Einfluss von Energie auf die Berechnung der Inflation in den USA? Hier ein kleiner Faktencheck.

Inflation, US-Wirtschaft und der Ölpreis-Einfluss

Immer wieder wird in den Medien der Vergleich der jetzigen Inflation mit der Zeit der 1970-er-Jahren herangezogen. Weil damals die Ölkrisen starke Inflationsphasen und zugleich große Wirtschaftskrisen hervorgerufen hatten. Ausgelöst durch die Embargos nach dem Jom-Kippur-Krieg 1973, sowie der iranischen Revolution am Ende des Jahrzehnts. Der Ölpreis vervierfachte sich teilweise, die Abhängigkeit von Öl aus dem Nahen Osten war riesig. Die Folge davon war, dass die USA in dem ganzen Jahrzehnt von 1970 bis 1979 eine durchschnittliche Inflationsrate von 7,98 Prozent erleben mussten.

1973 gab es eine Vervierfachung des Ölpreises für die USA von 3 auf 12 Dollar, am Ende der zweiten Krise war der Ölpreis für WTI auf 36 Dollar gestiegen. Hier ein Langzeitchart mit den gewaltigen damaligen Amplituden für die Inflation und die verschiedenen Zinsarten:

Inflation Wall Street Renditen Ölpreis

Jetzt haben sich die Ölsorten WTI und Brent Oil wieder auf den Weg in Richtung 90 Dollar gemacht. Einem Niveau, welches es genau vor einem Jahr gegeben hat. Aber diese Regionen sind kein Level, welches man inflationsjustiert mit der damaligen Zeit vergleichen könnte.

Hier ein Chart über das letzte Jahrzehnt mit der Entwicklung beim US-Ölpreis:

Ölpreis 2012-2023 und Inflation

Inflation: US-Verbraucherpreisindex CPI -welchen Anteil besitzt Energie?

Bezahlbare Energie ist unerlässlich für eine Industriegesellschaft, aber was den US-Inflationsindex angeht, dominieren andere Komponenten. In diesen acht Parametern ist Energie gar nicht explizit dabei – es geben Lebensmittel und Getränke, Wohnen, der Transport und die medizinische Versorgung den Takt an. Energie wäre gesondert betrachtet unter acht Prozent schwer, ist aber auch im Haussektor (Heizung) und Transport (Spritkosten) enthalten.

Hier die acht Komponenten des CPI und deren jährliche Veränderung im Lauf des Jahres 2023:

Ölpreis Inflation und Energie

Worauf achtet die Fed?

Interessanterweise achtet die US-Notenbank nicht so sehr auf die allgemeine Rate der Inflation, sondern auf die Kernrate, bei der Energie und Lebensmittel ausgenommen sind. In dieser Grafik von Lance Roberts über sechs Jahrzehnte wird folgendes deutlich: Obwohl Energie in so vielen Bereichen des Lebens unerlässlich ist, besteht eine relativ niedrige Korrelation zwischen der Höhe des Ölpreises und der Kerninflation:

Ölpreis und Kern-Inflation

Aber andersherum wird ein „Schuh daraus“. Da wir Öl und Energie in allen Bereichen des Daseins benötigen, zeigt eine steigende Nachfrage eine dynamische Wirtschaft an. Fällt der Ölpreis hingegen, ist dies zumeist verbunden mit einer Schwächung der Wirtschaft und erst recht beim Auftreten einer Rezession.

Diese Feststellung gibt einig einiges zum Nachdenken. Wieso ist die Ölnachfrage momentan auf den höchsten Stand aller Zeiten gestiegen, wo wir doch in China handfeste Probleme haben oder auch Europas Volkswirtschaften an der Rezession entlang schrammen? Gibt es etwa doch Aussicht auf ein Soft Landing?

Hier eine Grafik in der der Ölpreis, Zinsen, Inflation und das Bruttoinlandsprodukt in den USA in einen Zusammenhang gesetzt werden.

Öl Inflation und BIP

Aber Börse wäre viel zu einfach, wenn es eine so eine einfache Kausalität gäbe. Stieg der Ölpreis über ein gewisses Niveau, so bestand Gefahr im Verzug für die Volkswirtschaft, eine Rezession war oftmals die Folge. Wenn im Land der Autofahrer mit weit über 100 Millionen Kfz, darunter sehr viele spritschluckende SUVs, das Benzin zu teuer wird, muss der Konsument irgendwann den Gürtel enger schnallen.

Und es entstehen Kosten für die Firmen, die diese an die Verbraucher weitergegeben.

Da der Konsument für 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukt verantwortlich zeichnet, bedeutet dies eine echte Gefahr für das Wirtschaftswachstum.

Bereits des Öfteren an dieser Stelle erwähnt: Wieso hatten 2020 selbst Republikaner unter Donald Trump Helikopterchecks verteilt und Arbeitslosenunterstützungen in vorher nie gekannter Weise gewährt, nur um den Konsum aufrecht zu erhalten? Aber dies dürfte jetzt der Vergangenheit angehören.

Fazit

Ungeachtet des Anteils von Energie am US-Verbraucherpreisindexindex CPI gibt es doch eine ganz wichtige Komponente darunter, den US-Spritpreis. Denn dieser hat seit jeher in den USA eine enorme politische Bedeutung. Bei zu hohen Preisen an der Zapfsäule (Schwellenwert vier Dollar/Gallone) braucht sich ein Amtsinhaber gar keine großen Illusionen über eine Wiederwahl zu machen. Die Anzeigen an den Tankstellen – in großen Ziffern – sind so etwas wie ein Symbol für Inflation und für den Zustand der Wirtschaft im Lande. Demzufolge wird US-Präsident Biden in den nächsten Monaten alles in seiner Macht stehende unternehmen, um Öl- und Spritpreise wieder nach unten zu bringen. Kein leichtes Unterfangen, schließlich braucht Saudi-Arabien 100 Dollar pro Barrel, um kein Defizit im Staatshaushalt zu erwirtschaften – was schon seit einigen Jahren der Fall ist.

Jetzt dreht Kronprinz Mohammed bin Salman aber erst richtig auf, mit überbordenden Kosten für gekaufte Spitzensportler oder beim Bau der Stadt der Zukunft Neom.

Für die allgemeine Inflationsrate in den USA (Headline) hat der Energiepreis aber nicht die entscheidende Bedeutung, es ist die viel mehr der Bereich des Wohnens mit seinem über 40-prozentigen Anteil. Die große Unbekannte.

Wie werden sich die gestiegenen Kreditzinsen in diesem Bereich künftig bemerkbar machen, schließlich ist diese Inflationskomponente ein (lagging – nachlaufender) Indikator, speziell auch wegen des Konstrukts der „Home Owners Equivalent Rent“. Also der fiktiven Miethöhe, die ein Immobilienbesitzer für sein im Wert gestiegenes Heim bezahlen müsste.

Außerdem achtet die Fed auf die Kern-Inflation und in der sogenannten Core Rate sind weder Energie noch die Lebensmittel enthalten.

Ergo, das Thema Inflation ist sehr vielschichtig, insbesondere in der nahen Zukunft mit den drei D’s: Demographie, Deglobalisierung und Dekarbonisierung.

Mal sehen, wie hoch die neuen Daten zur Inflation heute gemeldet werden. Vielleicht wird alles wieder einmal nicht ganz so schlimm, denn welchem Investor ist der temporäre Swing im Inflationsgeschehen entgangen und wie viele Anleger haben sich für den Fall der Fälle abgesichert? Das Prinzip der Reflexivität an den Märkten, welches oft nicht verstanden wird und für Kopfschütteln sorgt. Oder anders ausgedrückt, wer sich absichert, sorgt oft im Nachgang für einen Anstieg des Underlyings.



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2 Kommentare

  1. In der Ära des 45. US-Präsidenten Donald Trump waren die USA zeitweise der weltweit größte Ölexporteur.

    1. Ein Anstieg des Ölpreises von 3 auf 12 US im Jahre 1973 ist bzw. war keine Inflation. Das war ein Preisanstieg. Der Preisanstieg 2023 auf 95 US ist ebenfalls keine Inflation. Der Anstieg vom Niveau 1973 auf unser heutiges Niveau. Das ist Inflation oder besser Geldentwertung. Irgendwelche CPI Daten sind letztlich politische.Taschenspielertrcks von geringer praktischer Bedeutung wie Müller am US Spritpreis sehr schön aufzeigt.

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