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Robinhood: Trader tot wegen falsch verstandenem Kontoauszug

Beispielbild für Trading - Kunde von Robinhood tot

In den USA nahm sich ein 20-jähriger Trader des bei Privatkunden beliebten Gratisbrokers Robinhood das Leben. Sein Kontoauszug zeigte einen negativen Saldo von mehr als 700.000 US-Dollar. Die von seinen Eltern gefundene Abschiedsnachricht zeigt, dass er höchstwahrscheinlich lediglich die Depotmechanik seines eigenen Options-Trades nicht verstand und der negative Saldo nur theoretisch bestand, solange Aktien aus Optionsausübungen noch nicht verbucht waren. Eine menschliche Tragödie! Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, die eingesetzten Handelsinstrumente zu verstehen!

Selbstverständlich sollte ein Depotauszug keinen negativen Bestand von mehr als 700.000 US-Dollar aufweisen, nur weil eine Seite der durchgeführten Geschäfte noch nicht verbucht wurde. Auch ist es ein höchst fragwürdiges Vorgehen, einem 20-jährigen Studenten ohne Einkommen und nur wenigen tausend US-Dollar Eigenkapital zu erlauben, mehr als 700.000 US-Dollar Trade-Risiko aufzubauen.

Broker Robinhood ermöglicht praktisch unbegrenzten Kredit für jeden Trader

Schon vor Monaten fanden Kunden von Robinhood heraus, dass mit minimalem Eigenkapital im Prinzip unendlich große Positionen aufgebaut werden können. Robinhood erlaubt(e) es Tradern, Optionen mit von Robinhood geliehenem Geld zu kaufen. Der Wert der gekauften Optionen wird dem Trader als depotwerterhöhend angerechnet und erhöht damit auch die Kreditwürdigkeit. Daraufhin kann sich der Kunde mehr Geld leihen, um neue Optionen zu kaufen, die den Depotwert wieder fälschlich erhöhen und noch mehr Kredit freigeben. Auf diese Weise konnte ein Kunde im vergangenen Jahr mit 4.000 US-Dollar ein Depotvermögen von mehr als einer Million US-Dollar auf Kredit aufbauen.

Pro Schritt lässt sich der Depotwert so verdoppeln – auf Kredit. Höchstwahrscheinlich spielte dieser Mechanismus auch beim Selbstmord vor einer Woche eine Rolle. Denn unter normalen Umständen wäre es nicht möglich, mit 16.000 US-Dollar 1.000.000 US-Dollar Risiko aufzubauen, das dann zu einem angezeigten negativen Saldo von 730.000 US-Dollar führte.

Trader arbeitete mit Bull Put Spread und begrenztem Risiko

Dabei ging der Trader durchaus risikobewusst vor. Er kaufte nicht einfach hoch gehebelte Optionen und betete, dass der Kurs stark steigen möge. Nein, er baute einen Bull Put Spread auf. Dabei werden Put-Optionen im gleichen Basiswert und gleicher Fälligkeit aber mit unterschiedlichen Ausübungspreisen ge- und verkauft. Der Vorteil ist, dass der höchstmögliche Verlust der Preisabstand zwischen beiden Ausübungspreisen abzüglich dem Kaufpreis der Optionen ist.

Der Bull Put Spread hat gegenüber einem „normalen“ Put für den Trader zwei entscheidende Vorteile: Da beim Bull Put Spread die gekaufte Option günstiger ist als die verkaufte Option, erzielt er eine Einnahme, statt wie beim Put-Kauf eine Ausgabe zu haben. Zudem begrenzt der gekaufte Put das Risiko gegenüber einem einfachen verkauften Put. In beiden Fällen wird jedoch Rendite-Chance gegen Sicherheit getauscht. Liegt der Aktienkurs am Fälligkeitstag der Optionen unter dem Strike der gekaufte Option, dann werden beide Optionen ausgeübt. Bei der Ausübung der verkauften Put-Option muss der Trader den Basiswert zum Ausübungskurs kaufen. Gleichzeitig kann er jedoch auch die gekaufte Put-Option ausüben und die Aktien sofort wieder zu einem etwas niedrigeren Kurs verkaufen.

Liegt der Aktienkurs am Tag der Fälligkeit zwischen beiden Strikes, dann wird nur die verkaufte Put-Option ausgeübt, der Trader muss Aktien zum Ausübungspreis kaufen und kann sie zum aktuellen Marktpreis an der Börse veräußern.Liegt der Aktienkurs über beiden Strike-Preisen, verfallen beide Optionen wertlos. Da der Trader beim Aufbau des Bull Put Spreads eine Einnahme in Form der Optionsprämie erzielte, ist die Optionsprämie sein Gewinn.

Robinhood buchte dem Trader Kaufpreis vom Konto ab, nicht jedoch die Aktien ein

Wahrscheinlich ist, dass einer der beiden ersten Fälle passierte. Der Trader musste nach der Ausübung des verkauften Puts Aktien im Wert von 730.000 US-Dollar kaufen, die ihm der Broker als Kredit automatisch gewährte. Bei Aktienkäufen liegen zwischen der Trade-Ausführung und der Lieferung der Aktien jedoch einige Tage. Normalerweise zeigt der Broker den Wert der gekauften Aktien nach dem Kauf an, selbst wenn die Aktien noch nicht geliefert wurden.

Robinhood scheint jedoch so vorgegangen zu sein, dem Trader erst die 730.000 US-Dollar vom Konto abzuziehen, den Wert der dafür gekauften Aktien jedoch nicht anzuzeigen. Das kann man sogar als korrekt ansehen, da das Geld bereits weg, die Aktien jedoch noch nicht da sind. Die Folge war ein angezeigter Kontowert von rund -730.000 US-Dollar und der Suizid des Traders. Eine andere Anzeige im Konto des Brokers, eine dem Vermögen und Einkommen des Kunden entsprechende, niedrigere Margin-Gewährung und vor allem mehr Wissen des Traders selbst hätten den Suizid womöglich verhindert.



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8 Kommentare

  1. Habe diesen Artikel noch garnicht durchgelesen und ROFL hoch drei! Die Schlagzeile und die Bilder von dem RobinHooder Anführer (der Buffet einen Idioten nennt) in meinem Kopf …lösen bei mir einen Lachflasch aus der nicht so schnell aufhören kann… aber vorsicht nicht dass ich dadurch einen Infarkt bekomme LOL

  2. OK jetzt durchgelesen und das ist natürlich tragisch und absolut krank! Danke, dass es dieses tolle Finanzsystem gibt und Ihr es ermöglicht dass junge Leute soviel auswahl an INstrumenten haben die kein normaler Mensch versteht. Ach wie schön es doch mal früher war, wo man Papier-Aktien kaufen konnte und diese dann im Schlissfach legen konnte.

  3. Dieses Finanzcasino wird am Ende zusammenfallen wie ein Kartenhaus. Zu schnell für die Masse um es überhaupt zubegreifen.

    1. Wenn es zusammen fällt, sind Sie der erste der seine Arbeit verliert.

  4. …die Überschrift ist aber irreführend, wenn man den Artikel dann liest…denn im TExt wird ja sogar geschrieben, dass der Kontoauszug nicht zwingend falsch ist, sondern im Endeffekt die Möglichkeiten die ein „kleiner“ Trader iVm Verschuldung hat und das Unwissen des Traders (wobei auch das Suggestion ist, da er ja auch kein wirklich einfaches Produkt getradet hat, also schon ein wenig Ahnung gehabt haben muss – ein Anruf bei RobinHood vor dem gewählten Suizid hätte zumindestens als Alternative überdacht werden sollen)…wenn es keine FakeNews sind, dass ist es natürlich ein schlimmes Einzelschicksal…ich vermute mal in den nächsten Monaten wird es dann mit echten Kontoauszügen zu ähnlichen Vorfällen kommen…das Kartenhaus wackelt…

  5. Habe jetzt das Protokoll bei CNBC durchgelesen und ehrlich gesagt, klingt es schon sehr nach Hollywood Script… Abenteuer, Drama, IRL alles drin… den Amis kann man natürlich so eine PublicRelation zutrauen, da sind die Profis drin. So bekommt man evtl. die Schaafsherde unter Kontrolle, sprich dass die nicht mehr so Hirnlos alles kaufen. Damit die Instis endlich den Kurs drücken können um selber unten einzusteigen.

    https://www.cnbc.com/2020/06/18/young-trader-dies-by-suicide-after-thinking-he-racked-up-big-losses-on-robinhood.html

  6. Abwarten, bis die ganzen Robinhooder das Leerverkaufen entdeckt haben. Es kann extrem auch in die entgegengesetzte Richtung gehen.

  7. Pingback: Aktuelles vom 23.06.2020 | das-bewegt-die-welt.de

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