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Welthandel: Ein weiterer Belastungsfaktor tritt in Kraft

Welthandel wird erschwert - Containerschiffe in der San Francisco Bay

Neben dem zunehmenden Protektionismus und der zyklischen Abkühlung der Weltwirtschaft belasten seit 1. Januar auch neue Abgasvorschriften in der Schifffahrt den Welthandel.

Strengere Umweltauflagen verteuern den Welthandel

Zum Beginn dieses Jahres traten neue Vorschriften der UN-Seefahrtsorganisation IMO (International Maritime Organization) in Kraft, was den Welthandel zusätzlich zu anderen Faktoren belastet. Die IMO ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen mit Sitz in London, die zuständig ist für die Gewährleistung einer sauberen, sicheren und effizienten globalen Seeschifffahrt. Die neuen Umwelt-Auflagen haben signifikante Auswirkungen auf die Kosten der Reedereien und werden vor allem für Kreuzfahrt-Passagiere direkt spürbar sein.

Mit den IMO-2020-Bestimmungen gilt seit dem 1. Januar weltweit eine Schwefelemissionsobergrenze für kommerziell genutzte Schiffe in Höhe von 0,5 Prozent. Zuvor lag dieser Wert bei deutlich höheren 3,5 Prozent. IMO 2020 ist die bislang bedeutendste Änderungen der Kraftstoffvorschriften für die Seefahrt. Die neuen Regeln betreffen mehr als 50.000 Handelsschiffe weltweit. Neben den steigenden Preisen für das teurere schwefelarme Dieselöl fallen auch zusätzliche Kosten für die Nachrüstung von Schiffsmonotoren durch sogenannte „Scrubber“ an, die die Abgase vom Schwefel reinigen. Die Umrüstung der Schiffe sowie die höheren Treibstoffpreise verursachen bei den Reedereien nach Schätzungen von Goldman Sachs bis Ende 2020 Mehrkosten in Höhe von 240 Mrd. US-Dollar. Zum Vergleich: Der Handelskrieg hat die Weltwirtschaft bis dato mit ca. 350 Mrd. US-Dollar belastet.

In den letzten Monaten ist der Preis für schwefelarmes Heizöl (VLSFO) bereits signifikant angestiegen. Gemäß den Angaben von S&P Global Platts lag der Preis Ende November 2019 in Singapur noch bei 560 US-Dollar pro Tonne. Zu Beginn dieses Jahres schoss der Preis auf 750 US-Dollar pro Tonne nach oben und hat sich aktuell bei ca. 700 US-Dollar pro Tonne eingependelt (Stand 10. Januar: 715 US$/t). Die VLSFO-Preise in Singapur liegen um ca. 150 US-Dollar pro Tonne höher als in Rotterdam, da v. a. chinesische Reedereien den Markt in Asien leerkaufen.

Betroffen sind neben Frachtschiffen auch Passagierschiffe

Aktuell durchfahren ca. 6200 Passagierschiffe und 400 Kreuzfahrtschiffe die Weltmeere und das bisher nahezu ausschließlich angetrieben von stark schwefelhaltigem Schweröl mit einer Beimischung von schwefelarmem Schiffsdiesel (Intermediate Fuel Oil). Der größte Teil der Betriebskosten eines Fracht- oder Passagierschiffs fällt für den Treibstoff an. Größere Kreuzfahrtschiffe verbrauchen ca. 150 Tonnen Dieselöl pro Tag. Für eine zehntägige Reise bedeutet dies eine Tankrechnung in US-Dollar in siebenstelliger Höhe.

Besonders bei den schwimmenden Hotels dürfte der Kostenanstieg durch die strengeren Umweltauflagen auch beim Endkunden ankommen. Tui Cruises rechnet damit, dass sich der wöchentliche Kabinenpreis für die Passagiere um über 100 Euro verteuern könnte. Tui Cruises baute bisher in sechs seiner sieben Kreuzfahrtschiffe der Marke „Mein Schiff“ die abgasreinigenden „Srubber“ ein. MSC Cruises stattete bislang elf seiner Schiffe mit „Scrubbern“ aus. Bei dem Bau neuer Kreuzfahrtschiffe favorisieren die Anbieter von Luxuskreuzfahrten bereits alternative Kraftstoffantriebe (z. B. Flüssiggas).

Die Mehrkosten bei den Frachttransportern werden für den Endverbraucher hingegen weniger spürbar sein, da nur ein Bruchteil des Ladenpreises auf die Transportkosten zurückzuführen ist. So kostet beispielsweise der Transport einer Jeans per Schiff aus Südasien nur ca. 40 Cent pro Stück. Aufgrund des hohen Wettbewerbs und des Margendrucks wird ohnehin der größte Teil der Mehrkosten bei den Reedereien hängen bleiben.

Fazit

Was der WLTP-Effekt für die Automobilbranche bedeutete, bedeutet der IMO 2020 Effekt für die kommerzielle Schifffahrt. Vom Zeitpunkt her ist diese zusätzliche Kostenbelastung für den Welthandel suboptimal, wie der sich fortsetzende Einbruch des DHL Global Trade Barometers verdeutlicht. Positiv zu werten ist der Effekt für die Umwelt und der höhere Anreiz für die Entwicklung und Nutzung umweltschonender Antriebsformen auch in der kommerziellen Schifffahrt. Dies wiederum setzt Wertschöpfung im Bereich der Innovationen und Neuentwicklungen frei, also einen Prozess der kreativen Zerstörung bei Schiffsantrieben. Bedenklich ist der aktuelle Versorgungsengpass mit schwefelarmem Schiffsdiesel, der zum starken Anstieg der Treibstoffpreise beiträgt. Es ist aber davon auszugehen, dass die relativ hohen Preise die Raffinerien veranlassen werden, das Angebot im Laufe dieses Jahres deutlich zu erhöhen.



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