Anleihen

Wie die Wahlen in Frankreich und Großbritannien die Märkte destabilisieren können

Nach den Wahlen in Frankreich und Großbritannien können gigantische Wahlversprechen auf Pump zu Problemen für die Märkte führen!

Marine Le Pen
Marine Le Pen. Foto: Cyril Marcilhacy/Bloomberg

Großbritannien hat gewählt. Die Bürger haben die lange regierenden Konservativen (144 Sitze) aus dem Amt gejagt und die sozialdemokratische Labour Party gewählt (410 Sitze). Eine klare Wahlentscheidung. Die Wähler bestrafen die desolate Lage in vielen Bereichen der britischen Volkswirtschaft. Aber nun kann eine Politik folgen, die zwar viele Wohltaten mit sich bringt, aber für die finanzielle Stabilität in Europa ein großes Problem werden kann. Noch schlimmer kann es in Frankreich laufen, und damit für die ganze Eurozone!

Großbritannien: Viele neue Schulden?

Kennen Sie noch Liz Truss? Die britische Premierministerin mit der kürzesten Amtszeit jemals auf der Insel. Sie versprach 2022 Steuersenkungen, aber ohne zu sagen, wie das finanziert werden soll. Die Anleihemärkte erwarteten sofort einen massiven Anstieg der Neuverschuldung, die Renditen für britische Staatsanleihen stiegen massiv an, die Kurse fielen. Britische Pensionskassen gerieten in Schieflage, die Bank of England musste massiv eingreifen über den Kauf von Staatsanleihen, was die Renditen absenkte. Eine größere Finanzkrise in Großbritannien konnte gerade noch verhindert werden.

Und heute? Die Menschen erwarten von der neuen sozialdemokratisch ausgerichteten Regierung viele neue Wohnungen, massive Investitionen in das Gesundheitswesen uvm. Man darf vermuten, dass umfassende Wohltaten auf Pump anstehen. Wenn es so kommt, könnte es erneut zum Anstieg der Anleiherenditen in Großbritannien kommen. Liz Truss brach ihr Experiment schnell ab, und durch die Intervention der Bank of England war es ein kurzes aber schockartiges Ereignis. Aber wenn diese neue Labour-Regierung mit ihrer satten Mehrheit im Parlament nun konsequent auf neue Schulden setzen sollte, könnte es eine ernsthaftere Krise in Großbritannien geben.

Wird die Bank of England dann einfach als eine Art Dauerzustand Staatsanleihen kaufen um die Kurse hoch und die Renditen tief zu halten? Man würde damit die Krise quasi künstlich ausblenden. Ein auf Schulden basiertes Wirtschaftswachstum könnte in Großbritannien den Aktienmarkt kurzfristig pushen, aber das Marktvertrauen in die Solidität der Staatsfinanzen wäre arg angeschlagen. Helfen würde hier wie gesagt vermutlich eine Intervention der Bank of England.

Frankreich vor massiver Neuverschuldung

Gewinnt die rechte Marine Le Pen am Sonntag die Parlamentswahl in Frankreich, droht eine massive Neuverschuldung, um die umfangreichen Wahlversprechen zu finanzieren. Aber wer nach links schaut, dem wird klar: Der große linke Block hat noch weitaus umfangreichere Wahlversprechen auf dem Tisch, was noch mehr Neuverschuldung für den französischen Staat bedeuten würde.

Wir hatten vorgestern bereits berichtet: Die Analyse der Denkfabrik Institut Montaigne ergab, dass die Wahlzusagen der linken Neuen Volksfront zusätzliche Mittel in Höhe von fast 95 Milliarden Euro pro Jahr erfordern würden. Die Pläne der rechten Nationalen Sammlungsbewegung von Marine Le Pen belaufen sich auf etwa 48 Milliarden Euro, während Macrons Partei im Laufe der Zeit zusätzliche Ausgaben in Höhe von fast 15 Milliarden Euro tätigen würde.

Es ist also relativ wahrscheinlich, dass die Staatsschulden in Frankreich kräftig ansteigen werden, egal wer gewinnt. Es ist nur die Frage, wie stark der Anstieg ausfällt. Und da kommt die EZB ins Spiel. Steigende Renditen für französische Staatsanleihen sind denkbar oder sogar wahrscheinlich, wenn die Märkte die Solidität des französischen Staatshaushalts in Frage stellen. Wegen Problemen in Italien hatte die EZB unlängst ein neues Instrument ins Leben gerufen, das bislang aber noch nicht genutzt wurde.

EZB hat bereits Bazooka-Instrument in Stellung gebracht

Als „Drohkulisse“ für die Anleihemärkte schuf die EZB vor zwei Jahren das Transmission Protection Instrument (TPI). Einfach erklärt bedeutet es: Sollten Anleiherenditen für Staatsanleihen von Euro-Ländern zu stark ansteigen, wird die EZB diese Anleihen verstärkt aufkaufen, um die Renditen wieder runterzudrücken. Offiziell schreibt die EZB, man habe dieses Instrument geschaffen, um notfalls einer „ungerechtfertigten, ungeordneten Marktdynamik entgegenzuwirken, die eine ernsthafte Bedrohung für die Übertragung der Geldpolitik im gesamten Euroraum darstellt“. Tatsächlich geht es darum, normale Einpreisungen höherer Risiken künstlich zu unterdrücken. Alles soll geordnet und normal aussehen, auch wenn die freien Anleihemärkte Probleme und Risiken sehen.

Kauft man als EZB genug Staatsanleihen und senkt die Renditen, sieht der Anleihemarkt optisch wieder ganz normal aus. Bundesfinanzminister Christian Lindner hatte jüngst gedroht, unter Umständen gerichtlich prüfen zu lassen, ob TPI-Käufe überhaupt zulässig sind, falls die EZB bei französischen Staatsanleihen eingreifen sollte. Aber so wie die Gerichte seit Jahren in Sachen EZB urteilen, dürfte so eine Klage wohl scheitern? Der folgende Chart zeigt seit der EU-Wahl vor vier Wochen: Der Aufschlag auf französische Anleiherenditen im Vergleich zu deutschen ist von 0,48 Prozentpunkten bis zuletzt auf 0,68 Prozentpunkte angestiegen. So viel mehr Rendite erhalten Anleger derzeit, wenn sie französische statt deutsche Papiere kaufen – ein Zeichen der „noch“ freien Anleihemärkte, dass man den französischen Haushalt wesentlich unsolider sieht als den deutschen.

Grafik zeigt Aufschlag auf Renditen für Staatsanleihen aus Frankreich gegenüber Anleihen aus Deutschland

Und so könnte es kommen: In Frankreich steigt die Neuverschuldung massiv an, die Anleger verkaufen französische Staatsanleihen, die Renditen steigen deutlich an. Und zack, die EZB aktiviert ihr TPI-Programm und kauft so viele Papiere, bis die Renditen wieder auf vorige Niveaus gefallen sind. Die neue französische Regierung kann dann weiter massiv Schulden machen, und alle sind glücklich – zumindest vordergründig. Mit so einem Instrument würde die EZB es ihren Mitgliedern letztlich ermöglichen, neue Versprechen an die Wähler massiv auf Pump zu finanzieren und die Staatshaushalte noch weiter zu überschulden, was auf ganz lange Sicht gesehen eben keine solide Arbeitsweise ist.

Am europäischen Aktienmarkt können schuldenfinanzierte Programme kurzfristig als positiver Push-Faktor für die Aktienmärkte wirken, so wie man es aktuell bereits in den USA sieht. Dort wird eine robuste Konjunktur durch eine gigantische Neuverschuldung des Staats ermöglicht. Aber ob schuldenfinanziertes Wachstum gerade für den Aktienmarkt ein nachhaltiger Faktor ist, darf bezweifelt werden.



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