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Ampel-Regierung hält Versprechen nicht Wohnungsnot in Deutschland: Wo sind die versprochenen Wohnungen?

Wohnungsnot in Deutschland: Wo sind die versprochenen Wohnungen?
Wohbauprojekt in Berlin steht still. Foto: Bloomberg

Die Lage am deutschen Wohnungsmarkt ist verherrend, es fehlen in Deutschland nach wie vor massiv Wohnungen. Von den jährlich 400.000 neuen Wohnungen, die sich die Ampel-Regierung vorgenommen hatte, ist Deutschland weit entfernt. Wegen der hohen Zinsen und Baukosten und fehlenden Baugenehmigungen werden nicht genügend neue Wohnbauprojekte gebaut oder nicht fertiggestellt, da die Bauträger während der Bauphase Pleite gehen. Wie Bloomberg berichtet, führt die größte Pleitewelle unter Bauträgern seit 10 Jahren dazu, dass immer mehr Geisterbaustellen entstehen, die die Wohnungsnot in Deutschland noch verschlimmern.

Pleitewelle im Immo-Sektor

Valeriy Shevchenko war gerade dabei, in eine neue Dreizimmerwohnung im gehobenen Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg zu ziehen, als die Katastrophe eintrat, die mehr als ein Jahr später noch immer ohne Lösung ist — und ein Symptom für die Turbulenzen auf dem deutschen Wohnungsmarkt.

Der Bauträger des Mehrfamilienhauses, in dem Shevchenko eine Wohnung gekauft hatte, ging in Konkurs. Nur wenige Monate vor dem geplanten Einzug der dreiköpfigen Familie wurden wegen des Kollapses der Project Immobilien-Gruppe die Bauarbeiten eingestellt.

Ein Jahr später liegt der Rohbau noch immer brach und die Shevchenkos befinden sich in einer Art Schwebezustand. Die Familie sitzt auf unbestimmte Zeit in ihrer Mietwohnung fest und ihre Anzahlung von 250.000 Euro – etwa die Hälfte der Gesamtkosten der Wohnung — ist im Insolvenzverfahren gebunden. Zusätzlich zur Miete müssen sie zudem für die Zinsen des Darlehens aufkommen, das sie zur Finanzierung der Anzahlung aufgenommen haben.

“Es waren deprimierende Tage als wir die Nachricht erhielten”, sagt Shevchenko, ein 34-jähriger Software-Ingenieur, der 2017 aus Russland nach Berlin gezogen ist. Er fühlt sich nicht nur vom Bauträger, sondern auch von der Politik im Stich gelassen, die seiner Meinung nach Hauskäufer besser schützen sollte. “Ich hätte nicht gedacht, dass so etwas in Deutschland möglich ist.”

Halb fertige Eigenheim-Rohbauten gibt es inzwischen vielerorts im Land. Mehr als 1.000 Unternehmen, die im Immobiliensektor tätig sind, sind seit 2022 im Zuge der steigenden Baukosten und der raschen Zinserhöhungen durch die Europäische Zentralbank zusammengebrochen.

Die Auswirkungen in Deutschland sind besonders schwerwiegend, da der Wohnungsmarkt lange Zeit als einer der sichersten in Europa galt. Pensionsfonds auf Renditesuche und Großvermieter stürzten sich auf die Finanzierung von Bauprojekten und den Kauf von Wohnungsportfolios, was die Immobilienpreise in die Höhe trieb.

Pleiten der Bauträger, hohe Zinsen und Baukosten verschärfen Wohnungsnot

Wohnungsnot in Deutschland

Günstige Kredite und niedrige Bondrenditen befeuerten ehrgeizige Akquisitionen zu hohen Preisen. Im Gegensatz zu den meisten anderen europäischen Ländern konnten deutsche Bauprojekte laut einer Präsentation von PwC mit “wenig oder (fast) keinem Eigenkapital” durchgeführt werden. Hohe Verschuldung indessen bedeutete, dass sie besonders anfällig waren, als die Baukosten stiegen und die Finanzierung versiegte.

“Wir haben viele Situationen erlebt, wo man im Grunde mit dem Grundstück als Sicherheit von Banken viel Geld geliehen hat, um mit der Planung zu beginnen, dann aber nichts unternommen wurde”, berichtet Zach Vaughan, Chief Investment Officer für Immobilien bei Arrow Global, einem Investor in notleidende Vermögenswerte. “Die Banken sitzen dann auf einem großen Kredit und man kann nicht einmal die Wohnungen vorab verkaufen, weil das Bauunternehmen im Grunde genommen nicht mehr existiert.”

Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum hat zu Frustration geführt, die sich in eine einwanderungsfeindliche Stimmung verwandelt hat, da viele Wähler Migranten für die Verschärfung der Wohnungsnot verantwortlich machen. Am Sonntag könnte bei den Landtagswahlen in Brandenburg erneut die AfD stärkste Kraft werden, wie zuvor bereits in Thüringen.

Die Ampel-Regierung von Bundeskanzler Olaf Scholz ist weit hinter ihrem Versprechen zurückgeblieben, mindestens 400.000 Wohnungen pro Jahr zu bauen. Die Ökonomen der Deutschen Bank prognostizieren, dass im Jahr 2024 nur 260.000 und im Jahr 2025 nur 265.000 Einheiten fertiggestellt werden.

“Die Krise im Wohnungsbau wird sich noch lange hinziehen”, sagt Klaus Wohlrabe, Leiter für Umfragen des deutschen Ifo-Instituts, dessen monatliche Umfragen zeigen, dass die Stimmung in der Branche auf einem Rekordtiefstand liegt. “Die Unternehmen suchen weiterhin nach Hoffnungssignalen.”

Rückgang im Bausektor

Der Bausektor verzeichnete im letzten Quartal in Bezug auf die Bruttowertschöpfung für die Wirtschaft den größten Rückgang aller Sektoren, was den Gegenwind für die ohnehin angeschlagene deutsche Wirtschaft verstärkt. Die Auswirkungen treffen Möbelhersteller ebenso wie die chemische Industrie.

Vor allem kleinere Baufirmen wird der Mangel an Folgeaufträgen treffen, sagt René Hagemann, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie. Sinkende Zinsen allein werden nicht ausreichen, um den Wohnungsbaumotor wieder zu starten, so Hagemann. “Investoren brauchen vor allem langfristige Stabilität und die ist momentan nicht gegeben.”

Wohnungsmarkt: In Deutschland fehlen massiv Wohnungen

Ungleichgewichte auf dem Wohnungsmarkt

“Deutschland wird weiterhin zu den Nachzüglern auf dem europäischen Immobilienmarkt gehören“, sagte Christian Fladeland, Co-Chef des schwedischen Konzerns Heimstaden Bostad, der fast 30.000 Wohnungen in Deutschland besitzt und auch in Ländern wie Großbritannien und Polen aktiv ist. “Es ist teurer geworden, neue Gebäude zu bauen, und die erheblichen Ungleichgewichte auf dem Wohnungsmarkt beschleunigen sich.“

Besonders schmerzhaft ist dies für Menschen wie die Shevchenkos, die in gutem Glauben Kaufverträge unterzeichnet haben, aber kaum eine andere Möglichkeit haben, als abzuwarten und zu hoffen. Das Insolvenzverfahren ist darauf ausgelegt, Gläubiger so schnell wie möglich auszuzahlen. Es eignet sich nicht für die Umstrukturierung von Bauprojekten, die hohe Investitionen erfordern, bevor man überhaupt Geld verdienen kann.

“Für Familien, die die Wohnung gekauft haben, um dort zu leben – vielleicht mussten sie sogar aus ihrer alten Wohnung ausziehen – ist es eine große persönliche Belastung, wenn es nicht möglich ist, diese Projekte abzuschließen”, sagt Volker Böhm von der Anwaltskanzlei Schultze & Braun, der als Insolvenzverwalter für Project Immobilien tätig ist.

Obwohl Insolvenzverwalter wie Böhm versuchen, die Projekte abzuschließen, ist es eine Herausforderung, sie zum Laufen zu bringen. Die Beschaffung neuer Mittel zur Bezahlung von Auftragnehmern und zum Kauf von Materialien kann teuer sein, und bestehende Gläubiger sind oft nicht bereit, gutes Geld schlechtem hinterherzuwerfen. Manchmal kann die Last sogar auf die potenziellen Hauskäufer selbst fallen, die zusätzliche Mittel aufbringen müssen.

Es fehlt an Investitionen

Für einige Investoren können halbfertige Baustellen indessen eine attraktive Gelegenheit darstellen, Projekte relativ günstig zu übernehmen und von einem angespannten Markt zu profitieren. Arrow Global beispielsweise kaufte im Juni den Immobilienentwickler Interboden aus der Insolvenz heraus, mit der Absicht, nicht nur dessen Projektpipeline fertigzustellen, sondern auch andere Standorte zu übernehmen, die frisches Kapital benötigten.

“Wir haben zahlreiche gestrandete Projekte gesehen – im Grunde gute Projekte in verschiedenen Phasen – von denen einige teilweise oder fast abgeschlossen waren, bei denen den Entwicklern aber gerade das Geld ausgegangen war”, so Vaughan von Arrow.

Nicht nur Bauprojekte benötigen neue Investitionen. Ein Großteil des bestehenden deutschen Wohnungsbestands wurde in den 1970er Jahren oder früher gebaut und muss modernisiert werden. Viele Vermieter haben ihre Kapitalausgaben gekürzt, um Geld zu sparen. Verbesserungen sind indessen zunehmend unvermeidlich, insbesondere aufgrund der Vorschriften zur Energieeffizienz.

“Ein Großteil des deutschen Wohnungsbestands ist ziemlich veraltet und benötigt erhebliche Investitionen, um die Energieeffizienz von miserabel auf akzeptabel zu verbessern“, sagte Ben Bianchi, Leiter der Immobiliengruppe von Oaktree Capital Management in Europa, der Wohnportfolios von kapitalschwachen Vermietern zur Renovierung aufkaufen möchte.

Verlassene Baustelle des MALMÖ28-Projekts im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg.

In der Zwischenzeit wird der Wohnungsmarkt immer enger und die Wohnungsnot spitzt sich weiter zu. Da es nur wenige Anreize für den Start neuer Wohnbauprojekte gibt, wird die Kluft zwischen den Preisen für neue und bestehende Häuser immer größer, ein Indikator für die zunehmende Knappheit an Neubauten.

Das bedeutet, dass es für potenzielle Hauskäufer wie die Shevchenkos kaum Aussicht auf Besserung gibt. Im Frühjahr übernahm ihr Projekt ein neuer Bauunternehmer, aber bis heute hat auch er den Bau nicht wie erhofft wieder aufgenommen.

“Ich habe wirklich Angst, dass sie auch aussteigen, sobald sie merken, dass sich die Fertigstellung nicht so rentiert, wie sie es sich erhoffen“, sagte Shevchenko.

FMW/Bloomberg



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1 Kommentar

  1. Anders als das Wort „Wohnungsknappheit“ suggeriert „Wohnungsnot“ gleich eine hochdramatische Situation, von der zurzeit aber nicht die Rede sein kann. Eine begrifflich-situative Unterscheidung.

    Eine Wohnungsnot liegt vor, wenn physisch im großen Ausmaß Wohnungen fehlen. Beispielsweise nach Ende des Zweiten Weltkriegs herrschte in den westlichen Besatzungszonen eine Wohnungsnot.

    Also steht die Frage im Raum was mit einer Wohnungen gemacht wird.

    Für viele Tourismusorte in Bayern werden Zweit- und Ferienwohnungen zum Problem: Während Einheimische oft keine bezahlbare Bleibe finden, stehen diese Wohnungen die meiste Zeit im Jahr leer. Immer mehr Gemeinden versuchen gegenzusteuern.

    Dazu kommt der Leerstand.

    Trotz der hohen Wohnraumnachfrage stehen in Deutschland viele Wohnungen leer. Nach Erhebungen des Zensus waren es zum Stichtag 15. Mai 2022 rund 1,9 Millionen Wohnungen, die aus unterschiedlichen Gründen nicht genutzt wurden. Das entspricht einer Leerstandsquote von 4,3 Prozent, wie das Statistische Bundesamt berichtet.

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