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Energiekrise setzt Lawine in Gang Aluminium: Produktion sinkt – Massensterben von Betrieben befürchtet

Die Produktion von Aluminium ist auf den niedrigsten Stand seit den 70er-Jahren gesunken. Experten befürchten ein Massensterben von Betrieben.

Erst am letzten Freitag wurde vermeldet, dass Stahlwerke in Hamburg und Bremen ihre Produktion einstellen, aufgrund der zu hohen Energiepreise. Welche Folgen dies für die Lieferketten hat, ist noch gar nicht zu erahnen! Je mehr entscheidende Industriebetriebe nicht mehr produzieren, desto stärker wird dies ganz am Ende der Produktions- und Vertriebskette spürbar werden. Jetzt noch nicht, aber wenn Endprodukte aus den Lagern abverkauft sind, und auf einmal kein Nachschub mehr da ist, werden die Verbraucher sich fragen, wo hier das Problem ist. Aktuell sieht man, dass jetzt auch Betriebe zur Herstellung von Aluminium kurz vor dem Aus stehen. Wer heute schon auf diese Nachrichtenlage schaut, erkennt das Problem.

Gibt es nicht mehr genug industrielle Kernproduktion in Europa, macht man sich abhängig von ausländischen Produzenten. Weniger Angebot treibt die Preise, die Inflation wird angeheizt. Und wo Umweltschützer zunächst über weniger „rauchende Industrieschlote“ in Europa jubeln dürften, kommt die bittere Quittung erst später. Denn wenn zum Beispiel Aluminium nicht mehr in Europa, sondern in Übersee produziert wird, wo vermutlich ganz andere oder gar keine Umweltstandards gelten, steht man in Sachen Klimaschutzbilanz nach dem Abschalten der Fabriken in Europa schlechter da als vorher!

Bevorstehende Schließung zahlreicher Betriebe die Aluminium herstellen

Bloomberg berichtet aktuell von der unmittelbar bevorstehenden Schließung von Betrieben für die Herstellung von Aluminium. In der Aluminiumindustrie ist die Schließung einer Hütte eine schwierige Entscheidung. Sobald die Stromzufuhr unterbrochen ist und die Produktionsanlagen auf Raumtemperatur abgekühlt sind, kann es viele Monate und zig Millionen Euro kosten, sie wieder in Betrieb zu nehmen. Dennoch bereitet sich Norsk Hydro ASA diesen Monat darauf vor, genau das in einem riesigen Werk in der Slowakei zu tun. Die europäische Produktion von Aluminium ist auf den niedrigsten Stand seit den 1970er Jahren gesunken. Mit der sich verschärfenden Energiekrise rechnen Branchenkenner mit einem Massensterben in weiten Teilen der Branche.

Die Erklärung liegt im Stromverbrauch. Das zur Herstellung verwandte Verfahren der Schmelz-Elektrolyse ist sehr energieintensiv. Für eine Tonne Aluminium werden etwa 15 Megawattstunden Strom benötigt. Das ist genug um fünf Haushalte in Deutschland ein Jahr lang zu versorgen. Einige Hütten sind durch staatliche Subventionen, langfristige Stromverträge oder den Zugang zu eigener erneuerbarer Energie geschützt. Der Rest aber steht vor einer ungewissen Zukunft.

“Die Geschichte hat bewiesen, dass Aluminiumhütten, wenn sie einmal weg sind, nicht mehr zurückkommen”, sagte Markus Hansen, Geschäftsführer des Metallhandelshauses Concord Resources Ltd. Dies habe nicht nur Auswirkungen auf die Beschäftigung, schließlich gehe es um ein wichtiges Grundmetall, das für die Herstellung von Flugzeugen, Waffen, Transportmitteln und Maschinen verwendet wird. Angesichts des Produktionsrückgangs sind hunderte von europäischen Herstellern, die Aluminium zu Teilen für deutsche Autos oder französische Flugzeuge verarbeiten, zunehmend auf Importe angewiesen, die teurer werden könnten. Einige Käufer versuchen auch Metall aus Russland zu vermeiden, das normalerweise ein wichtiger Lieferant für Europa ist.

Strombedarf bei der Herstellung von Aluminium im Vergleich zu anderen Produkten

Die Industrie fordert staatliche Unterstützung, um zu überleben. Maßnahmen wie feste Preisobergrenzen, um stromhungrige Kraftwerke am Laufen zu halten, könnten jedoch schwer zu rechtfertigen sein, während die Verbraucher mit steigenden Stromrechnungen konfrontiert sind und die Gefahr von Rationierungen und Stromausfällen droht. Die Probleme des Aluminiumsektors sind ein eindrucksvolles Beispiel dafür, was sich in Europas energieintensiven Industrien abspielt. Überall auf dem Kontinent schließen auch Düngemittelhersteller, Zementwerke, Stahlwerke und Zinkhütten, um die horrenden Preise für Gas und Strom nicht zahlen zu müssen.

Am besorgniserregendsten für das Verarbeitende Gewerbe in Europa ist, dass es womöglich nicht bei einer einfachen Schließung über den Winter bleiben wird. Die Strompreise für 2024 und 2025 sind ebenfalls in die Höhe geschnellt und bedrohen die langfristige Überlebensfähigkeit vieler Industrien. Bei den aktuellen Marktpreisen würde sich die jährliche Stromrechnung für die Slovalco-Hütte auf rund zwei Milliarden Euro belaufen, so der Vorstandsvorsitzende Milan Vesely. Slovalco beschloss die Stilllegung des Werks, weil die Energiepreise in die Höhe geschnellt sind und es keine Emissionsausgleichszahlungen gibt, die für Hüttenwerke zur Herstellung von Aluminium in anderen Ländern der EU zur Verfügung stehen.

Die Wiederinbetriebnahme des Werks – die bis zu einem Jahr dauern könnte – wird nur durch eine Kombination aus billigerem Strom, einem starken Anstieg der Preise für Aluminium und zusätzliche staatlicher Unterstützung möglich sein, sagte Vesely diese Woche in einem Interview am Standort. “Dies ist eine echte Existenzkrise”, sagte Paul Voss, Generaldirektor von European Aluminium, der die größten Hersteller und Verarbeiter in Europa vertritt. “Wir müssen wirklich schnell eine Lösung finden, sonst gibt es nichts mehr zu reparieren.”

In Verbindung mit den Einfuhrzöllen, für deren Einführung Europas angeschlagene Produzenten hart gekämpft haben, könnten die steigenden Energiekosten dazu führen, dass die verarbeitende Industrie einen immer höheren Aufschlag auf die internationalen Preise zahlen muss, um ihre Versorgung zu sichern – ein weiterer Schlag für die Wettbewerbsfähigkeit Europas in der globalen Industriewirtschaft.

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Hersteller anderer Metalle wie Zink und Kupfer sind ebenfalls stark betroffen. Die riesigen Mengen an Strom, die für die Herstellung von Aluminium benötigt werden, haben diesen Sektor jedoch besonders unrentabel gemacht. In Deutschland hat der Strom, der zur Herstellung einer Tonne Aluminium benötigt wird, am Freitag auf dem Spotmarkt laut Bloomberg-Berechnungen etwa 4.200 Dollar (4.228 Euro) gekostet, nachdem er im vergangenen Monat mehr als 10.000 Dollar betragen hatte. Der Futures-Preis für Aluminium an der Londoner Metallbörse lag am Freitag bei rund 2.300 Dollar je Tonne. Das bedeutet, dass sich die Drosselungen im Laufe des Winters beschleunigen dürften.

Produktion von Aluminium in Europa ist rückläufig

“Immer wenn sich das Wirtschaftswachstum abschwächt und die Gewinnspannen der Hütten unter Druck geraten, schließen die europäischen Hütten einen beträchtlichen Teil ihrer Kapazitäten”, sagte Uday Patel, Senior Research Manager bei Wood Mackenzie. “Wenn sich die Lage bessert, gibt es einige Hütten, die nie wieder in Betrieb gehen.” Wood Mackenzie schätzt, dass Europa bereits etwa 1 Million Tonnen seiner jährlichen Produktionskapazität für Aluminium verloren hat. Patel erwartet, dass etwa 25 % davon dauerhaft stillgelegt werden könnten. Weitere 500.000 Tonnen Kapazität sind nach Einschätzung von Wood Mackenzie “stark gefährdet”, stillgelegt zu werden.

Verbraucher in Europa werden zunehmend auf Importe angewiesen sein, die teurer sind und einen größeren ökologischen Fußabdruck hinterlassen. Schon jetzt zahlen die europäischen Industriefirmen hohe Liefergebühren für den Transport von Aluminium zu lokalen Häfen. Weitere Erhöhungen könnten sie in eine zunehmend weniger wettbewerbsfähige Position gegenüber ihren Konkurrenten in Asien und den USA bringen.

Steigende Importe aus dem Ausland

Bei Slovalco hofft Vesely, der seit 1989 im Unternehmen arbeitet, dass das Werk wieder in Betrieb genommen werden kann, sobald die Energiepreise sinken. Er räumt aber ein, dass die Hütte jahrelang außer Betrieb bleiben könnte. “Es muss etwas getan werden, wenn wir die europäische Aluminiumproduktion nicht zerstören wollen”, sagte er. “Wenn Europa Aluminium als strategisches Metall betrachtet, dann sollten die Aluminiumwerke garantierte Strompreise haben.”

Milan Vesely vor einer Aluminium-Hütte in der Slowakei
Milan Vesely, chief executive officer of Slovalco, at the aluminum plant in Ziar nad Hronom, Slovakia. Photographer: Daniel Hornak/Bloomberg

FMW/Bloomberg



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16 Kommentare

  1. Der Rohstoff Aluminium ist beispielsweise ein Bestandteil von Kaffeemaschinen.

  2. Wir werden die Dinge, die wegen der hohen Energiepreise nicht mehr in Deutschland oder in der EU produziert werden können, sicherlich günstiger aus Asien oder Südamerika kaufen können.
    Die billigere Energie wird es alleine schon diesen Ländern ermöglichen, alles das anzubieten, was in Europa zu teuer geworden ist.
    Zumindest für die Europäer, die nicht unter Arbeitslosigkeit leiden müssen.
    Es kann also Jeder sich die Produkte aus dem Ausland kommen lassen, aber es können nicht Alle.
    Hängt ja auch davon ab, was für den Euro noch zu bekommen ist.
    Sonst eben in Gold.

    Viele Grüße aus Andalusien Helmut

    1. Für 50 % der Bevölkerung wir des bitter.f Die anderen 50 % müssen sich gesicherte Resorts suchen. Die Entwicklung des Libanon läßt grüßen.

      Wie immer im Leben, ein Aufbau dazuert lange – ein Absturz (schief Bahn) letztlich total schnell.

    2. wenn Arcelor Mittal, größter Stahlproduzent der Welt, hier in Deutschland Werke schließt, angefangen hat er schon mal, dann importiert er eben den notwendigen Stahl aus anderen Werken, am besten gleich aus Indien. Die sind bis mind. 2030 nach dem Pariser Protokoll vom CO2 Wahn befreit, bzw. dessen Emissionsvermeidung.
      Frag mit wer dann noch Stahl aus Deutschland kaufen soll wenn der mit „grünem“ Wasserstoff, an stelle von Koks, hergestellt werden soll. Mindestens 3 bis 4x so teuer wie jetzt, die tonne.

  3. Ihr Artikel klingt sehr nach realer „Apokalypse“. Wenn nur 50 % von dem, was sie prognostizieren eintritt, das sieht es für Deutschland total mau aus.

    Die G7 – allen vorab die Baerbocks der Welt, waren nicht ansatzweise in der Lage, die Konsequenzen der Sanktionen zu ermessen. Nach der ersten Einschätzung der EU (also von der von der Leyen u.a.) müsste Russland schon einige Monate „brach“ liegen.

    Die zerstörerische Kraft dieser Sanktionen, haben Sie am Beispiel Aluminium deutlich beschrieben.
    Da die Prognosen von FMW in den letzten Monaten sehr treffsicher waren, muss ich mich auf einen sehr baldigen Crash einstellen. Das wird für uns Alle sehr bitter.
    Was kann ich als kleiner Bürger tun, damit die G7 die Kurve noch kriegt?

    1. Der kleine Bürger muss standhaft bleiben. Die perfide Strategie der Russen ist doch klar … Zweifel und Unsicherheit in Deutschland streuen und Wähler ins AFD Lager oder sonstwo hintreiben. Es gibt keinen einfachen Weg zurück oder heraus. Der Krieg der Russen gilt nicht nur der Ukraine.

  4. Als kleiner Bürger, nix. Außer bei der nächsten Wahl aufpassen wo das Kreuz hinkommt.
    Tja und mal bei Freunden, Verwandten und Kollegen rumhöhren ob das Wahlergebnis plausibel ist.
    Nicht das, wie in Berlin, geschätzt wird.

  5. Ihr macht einen Rechenfehler. 15 Megawattstunden reichen um 5000 Haushalte ein Jahr lang mit Strom zu versorgen. Durchschnittlicher Verbrauch mit 3000 Kilowattstunden gerechnet.

    1. Nein, 15 Megawattstunden = 15 000 kWh
      Geteilt durch 5 = 3000 kWh. Das braucht ein kleiner Haushalt, Max. 2-3 Personen pro Jahr, wenn mit anderen Energiequellen geheitzt und Wasser erhitzt wird.

      1. ja, allerdings ohne Heizung. Einfamilienhäuser verbrauchen schon allein wegen der Öl oder Gasheizung mehr, oder mit Wärmepumpen.

      2. Genau deshalb träumen ja die Grünen von den Erneuerbaren, weil so ein kleiner Rechenfehler alles möglich macht.

    2. @Dirk K. Nein, die Kalkulation stimmt schon. 15MWh sind 15.000kWh, also die beschriebenen 5 Haushalte à 3000kWh. Ihre Rechnung wären 15GWh.

  6. Die energieintensive Industrie hat den Ausstieg aus Kernenergie und Kohleverstromung seit 10 Jahren mit wässrigem Mund und gierigem Blick auf das billige Gas kommentarlos mitgemacht, nicht zuletzt weil damit eine billige Eigenversorgung ohne die großen Versorger möglich wurde (Gas geht mit kleinen Kraftwerken). Jetzt ist der einst volle Tisch leer und die Bedienung kann nur noch sporadisch und teuer liefern. Dumm gelaufen, mein Junge, lautes Brüllen durch’s Lokal hilft nicht, gehst du doch hungrig heim.

  7. Man vergisst, wo aluminium überall zum Einsatz kommt. Große Verbrauchseinsparungen in den PKWs kamen über den Leichtbau mit Aluminium. Dann kommt der Leichtbau halt über Kunststoffe die sich in den eingesetzten Verbundwerkstoffen sehr mühsam recyclen lassen. Die meisten Leuten werden erst verstehen, dass wenn wir mal „grün“ sind auch keinen Mehrwert mehr im Export liefern können. Und ohne Export kein so schönes Bruttoinslandsprodukt mehr. Wir werden dann aber sicherlich alle glückliche Bauer sein, denen kein Land gehört. Wie nannte man das Früher?! Unser Land entwickelt sich hervorragend zurück. Wie groß die Hilfsbereitschaft gegenüber Deutschland ist sehen wir gerade. Solange die Kohle fließt haben wir Freunde. Wehe uns geht das Geld aus….

  8. Bei den meisten Kommentaren, bin ich der Überzeugung, daß viele davon noch einmal die Schulbank drücken müssen. Vor Allem in Marktwirtschaft, Physik und Chemie. D ist leider von seinem Export abhängig, demzufolge auch von Import von Rohstoffen. Mit den hohen Produktionskosten, Energie und Personalkosten, wird es immer schwieriger im internationalen Wettbewerb mitzuhalten. Ich mußte mir von unseren Kunden immer diese hohen Preise vorhalten lassen mit Hinblick, daß unsere Wettbewerber bei den ähnlichen Produkten günstiger sind. Die heile Welt gibt es nicht, trotz Komplienz werden viele Geschäfte abhängig wegen Korruption. Im Marketing heißt es Kunden zu bekommen ist schwer, Kunden zu halten ist schwerer.

  9. zeit auszuwandern und das gesunkene schiff zu verlassen. na dann ihr hoffnungslosen fälle baerbock merkel und co.kg. machtet besser als bisher. dann schmeiß ich euch VIELLEICHT ein Schlauchboot. (schieße dsnn aber nen loch rein)

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