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Batteriezellen aus Europa: Großes Desaster – China dramatisch günstiger

Europa wollte bei Batteriezellen eigentlich vorpreschen. China ist aber dramatisch billiger. Projekte werden abgesagt, Anbieter straucheln.

Peter Carlsson
Peter Carlsson. Foto: Erika Gerdemark/Bloomberg

Wenn man selbst mit staatlicher Unterstützung bei einer viel billigeren Konkurrenz nicht mehr weiter kommt, dann helfen irgendwann nur noch Importzölle? Die Produktion von Batteriezellen und der Absatz von Elektroautos in Europa entwickelt sich immer mehr zum Desaster. China produziert nämlich 44 % günstiger als der Weltmarkt. Hier blicken wir auf abgesagte Projekte beim europäischen Konsortium ACC, aber vor allem auf den Niedergang vom im letzten Jahr noch massiv gehypten „neuen europäischen Champion“ Northvolt.

Batterieziellen aus Europa – ACC bricht Projekte ab

Beim Konsortium aus Stellantis und Mercedes namens ACC, wo man in Europa Batteriezellen für Elektroautos bauen wollte, sieht es derzeit gar nicht gut aus. Der neue Standort in Kaiserslautern, wo eigentlich Batterien für 600.000 Elektroautos pro Jahr entstehen sollten, wurde im Juni auf Eis gelegt. ACC, das den Bau von drei Batteriefabriken in Europa mit einer Gesamtinvestition von 7 Milliarden Euro geplant hatte, hat inzwischen auch die vorbereitenden Arbeiten an einem Standort in Termoli an der Ostküste Italiens unterbrochen. Man muss dazu wissen: Der Absatz von Elektroautos in Europa ist jüngst um 44 % eingebrochen, in Deutschland sogar um 69 %.

Northvolt strauchelt massiv – Entlassungen und Werkschließungen

Das Thema „Eigene europäische Produktion von Batteriezellen“ zwecks industrieller Unabhängigkeit bei der Herstellung von Elektroautos entwickelt sich mehr und mehr zum Desaster für Europa. Sehen sie hierzu auch hier meinen Artikel über die Energiewende-Themen, die Robert Habeck gerade zerbröseln. Neben ACC gerät vor allem der schwedische Anbieter Northvolt, der massiv mit Steuergeldern gepeppelt wird, verstärkt in Schieflage! Standorte werden dicht gemacht, Mitarbeiter entlassen. Der neue von Habeck und Co bejubelte Standort in Heide bei Hamburg (Subvention 700 Millionen Euro) ist zwar offiziell noch nicht abgesagt worden. Aber es könnte im Herbst Neuigkeiten dazu geben, so hörte man vorsichtige Andeutungen von Northvolt.

Northvolt sollte Europas Antwort auf Unternehmen wie Tesla und Chinas schnell wachsende Elektroautohersteller sein. Stattdessen kämpft das schwedische Batterieunternehmen darum, sich über Wasser zu halten. Angesichts einer erdrückenden Liquiditätskrise werden die Gläubiger des Unternehmens am Freitag zusammenkommen, um über die Freigabe von Geldern zu entscheiden, die für sein Überleben entscheidend sind, so berichtet es Bloomberg aktuell. Weiter wird berichtet: Northvolt verbrennt Geld und kämpft darum, die den Kunden versprochenen Batteriezellen zu liefern. Das Unternehmen gab am Montag bekannt, dass man ein Fünftel seiner weltweiten Belegschaft entlassen und den Ausbau seines Hauptwerks in Nordschweden aussetzen wird. Da der europäische Batterieboom in eine Krise abgleitet, könnten weitere Probleme bevorstehen.

„Die Nachfrage wird nicht groß genug sein, um das Angebot zu decken, und Northvolt könnte sehr wohl das erste Opfer der derzeit stattfindenden Marktkorrektur sein“, sagte Fredrik Erixon, Direktor des in Brüssel ansässigen European Centre for International Political Economy. Auf dem Spiel stehen die Bemühungen Europas, eine kritische Industrie in einem globalen Markt aufzubauen, der von chinesischen Konkurrenten wie Contemporary Amperex Technology und BYD dominiert wird, die Batteriezellen und Elektroautos zu unschlagbaren Preisen verkaufen. Die Probleme von Northvolt stellen auch den ehrgeizigen Vorstoß Europas in Frage, eine eigenständige grüne Wirtschaft aufzubauen.

Es ist eine erstaunliche Wende für ein Unternehmen, das vor weniger als einem Jahr Investoren mit einem geplanten Börsengang umwarb, der es mit 20 Milliarden US-Dollar bewertet hätte. Northvolt war der erste Empfänger der grünen Beihilfen der Europäischen Union, die Unternehmen davon abhalten sollten, durch Anreize im Rahmen des Inflation Reduction Act von US-Präsident Joe Biden abgeworben zu werden, und versprach große Fabriken in ganz Europa und Nordamerika.

Aber wie einige andere in der Branche – Rivian Automotive zum Beispiel – versuchte Northvolt, zu viel zu schnell zu tun, und nach eigener Einschätzung verfügte das Unternehmen über Teams, die nicht immer für den Betrieb in großem Maßstab qualifiziert waren. Man hatte Mühe Kunden wie BMW mit den benötigten Batteriezellen zu versorgen, und konnte zu einem bestimmten Zeitpunkt die Lieferfristen anderer Kunden wie Scania nicht einhalten.

Die Finanzierung von Northvolt wurde durch Aufträge für Batteriezellen im Wert von mehr als 55 Milliarden US-Dollar von Unternehmen wie Volkswagen und BMW gesichert. Doch die Produktionsprobleme und die sinkende Nachfrage nach Elektroautos ließen dem Unternehmen dringend benötigte Einnahmen entgehen, was zu einer Reihe finanzieller Probleme führte.

Die Gehälter und Sozialversicherungsbeiträge für die Mitarbeiter waren im vergangenen Jahr mehr als dreimal so hoch wie die Einnahmen aus Kundenverträgen. Das Unternehmen ist knapp bei Kasse, weniger als ein Jahr nachdem es eine grüne Darlehensfazilität in Höhe von 5 Milliarden US-Dollar erhalten hat, wodurch sich seine Gesamtschulden und Eigenkapitalverpflichtungen auf mehr als 13 Milliarden US-Dollar belaufen.

Northvolt hat das Beratungsunternehmen Teneo mit der Beratung bei der Umstrukturierung beauftragt, einschließlich einer Notfallplanung für den Fall, dass es nicht gelingt, von den Kreditgebern überarbeitete Bedingungen zu erhalten. Allerdings hat das Unternehmen in den letzten Wochen erhebliche Fortschritte bei den Finanzierungsgesprächen erzielt, wie ein Sprecher in einer E-Mail mitteilte, ohne Einzelheiten zu nennen.

Grafik zeigt Finanzierungsrunden bei Northvolt

Die Probleme im Unternehmen brauen sich schon seit einiger Zeit zusammen. Im Mai wurden die Pläne für den Börsengang auf Eis gelegt. Im Juli gab Northvolt bekannt, dass sich sein Betriebsverlust im vergangenen Jahr auf 1,03 Milliarden US-Dollar mehr als verdreifacht hat, während der Umsatz leicht auf 128 Millionen US-Dollar gestiegen ist. Es hieß auch, dass man die Anlaufzeiten an seinen vier Hauptstandorten verschieben müsse. Im August gab das Unternehmen bekannt, dass man eine Forschungsabteilung in Kalifornien schließen werde, und in diesem Monat legte man aus Geldmangel eine Produktionsstätte für Kathodenaktivmaterial still und beendete eine weitere, beide in Schweden.

„Die Branche steht unter mehrfachem Druck, der von einer langsameren globalen Nachfrage über sinkende Preise bis hin zu einem Wettlauf in Forschung und Entwicklung um Technologien der nächsten Generation reicht“, sagte Joanna Chen, Analystin bei Bloomberg Intelligence in Hongkong. “Der Wettbewerb in Europa wird härter, da chinesische Hersteller von Batteriezellen wie CATL ihre lokalen Fabriken ausbauen.“

Grafik zeigt deutlich billigre Preise für Batteriezellen aus China

Northvolt wurde 2016 von zwei ehemaligen Tesla-Führungskräften gegründet – zu einer Zeit, als Geld praktisch nichts kostete und die Inflation eine ferne Erinnerung aus einer längst vergangenen Ära war – und machte in den ersten Jahren schnell Fortschritte. Bis 2019 hatte das Unternehmen, zu dessen Investoren Volkswagen und der Vermögensverwaltungszweig der Goldman Sachs Group gehören, drei Fabriken in der Entwicklung. Die ersten Lithium-Ionen-Batteriezellen wurde im Dezember 2021 montiert.

Das erklärte Ziel von Northvolt ist es, bis 2030 in seinen Fabriken eine globale Kapazität von 230 Gigawattstunden zu erreichen, was ausreicht, um etwa 3,8 Millionen Fahrzeuge mit Strom zu versorgen. Derzeit hat der einzige in Betrieb befindliche Standort Ett in der Nähe der schwedischen Stadt Skelleftea laut BloombergNEF eine Kapazität von 16 Gigawattstunden.

Zusätzlich zu diesem Standort gab Northvolt diesen Monat bekannt, dass man „weiterhin dem Joint Venture NOVO mit Volvo Car in Schweden, Northvolt Drei in Deutschland und Northvolt Six in Kanada verpflichtet“ sei. Das Unternehmen plant, im Herbst dieses Jahres Zeitpläne und potenzielle Kosteneinsparungen an diesen Standorten bekannt zu geben. „Es geht um die Größe“, sagte der damalige Vorsitzende Jim Hagemann Snabe Anfang 2023 und unterstrich damit die Breite seines Vorstoßes in die neue Technologie. Aber mit der Größe hatte das Unternehmen Probleme.

Es wurde durch schwerwiegende Qualitätsprobleme – wie eine hohe Anzahl fehlerhafter Batteriezellen, die nicht verwendet werden können – und die Unfähigkeit, die Massenproduktion schnell hochzufahren, behindert, was beides die Kosten in die Höhe trieb und die Einnahmen einschränkte. Ein Auftrag über 2 Milliarden Euro wurde im Juni von BMW storniert – mit der Begründung von Qualitätsproblemen. Die VW-Tochter Scania beschwerte sich einst über langsame Lieferungen.

Dennoch sagte VW, dass man weiterhin den Hochlauf von Northvolt unterstützt. Auch BMW hält sich die Möglichkeit offen, Northvolt irgendwann als Zelllieferant der nächsten Generation einzubeziehen, aber das hängt davon ab, ob das Unternehmen zeigen kann, dass es diese Gen6-Rundzellen nach den Spezifikationen des Autoherstellers und in großem Maßstab produzieren kann, so Personen, die mit diesen Gesprächen vertraut sind.

„Der Versuch, die Produktion gleichzeitig über mehrere Segmente der Wertschöpfungskette hinweg zu skalieren, ist schwierig“, sagte Antoine Vagneur-Jones, Leiter der Handels- und Lieferketten, Energieübergänge bei BloombergNEF. Schon früh hatte Northvolt-Mitbegründer Peter Carlsson den Zugang zu Fachwissen als Engpass bezeichnet und 2021 gesagt, dass es ‚unglaublich schwierig ist, an großartige Zellendesigner und Leute mit umfangreicher Erfahrung im Bau dieser Art von Fabriken heranzukommen‘.

Während das Unternehmen seine Probleme bewältigt, hat die schwedische Regierung klargestellt, dass sie keine Rettungsaktion durchführen wird, und Deutschland sagt, dass man in „ständigem Kontakt“ mit Northvolt steht. Analysten wie Vagneur-Jones von BloombergNEF sagen, dass die EU möglicherweise gezwungen sein wird, zu handeln, und sogar „die Möglichkeit von Zöllen auf Batterien prüfen“ könnte.

Einige Beobachter halten dies jedoch für einen aussichtslosen Kampf. „Dies ist ein Markt, der in den kommenden 20 Jahren tiefgreifende Veränderungen erleben wird, und ich sehe nicht, dass europäische Unternehmen dabei die Führung übernehmen werden“, so Erixon.

FMW/Bloomberg



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1 Kommentar

  1. Warum sollten auch Batterien aus China denn nicht im gleichen Umfang preisgünstiger sein als Elektroautos, Solarzellen, Windräder oder tausend anderer Sachen?
    Wenn man alles aus China mit Schutzzölle belegen will, dann gibt es den perfekten Handelskrieg.
    Verwunderlich ist nur, dass die Manager in den Firmen, die in Europa Batterien herstellen möchten, das nicht gewusst haben wollen.
    Oder gab es vorher erst noch Subventionen?
    Wartet mal ab, wenn die in Deutschland mit grünem Wasserstoff hergestellten Produkte am Weltmarkt preislich konkurrieren müssen.

    Viele Grüße aus Andalusien Helmut

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