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Berliner stimmen für Enteignung von „Deutsche Wohnen und Co“ – warum das völlig kontraproduktiv wäre

Straße und Wohnungen in Berlin

Das Bundesland Berlin ist meiner Meinung nach ein sogenannter „Failed State“. Aber Berliner, die gestern Rot-Rot-Grün gewählt haben, werden das sicherlich ganz anders sehen. Gut, das ist nun mal Meinungsfreiheit. Nachdem der Berliner Mietendeckel vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert ist, versuchte man es gestern gleichzeitig zur Bundestagswahl in Berlin mit der Initiative „Deutsche Wohnen und Co enteignen“. Gemeint ist damit von der gleichnamigen Initiative, dass der Berliner Senat dazu aufgefordert werden soll ein Gesetz zur „Vergesellschaftung“ von ca 240.000 Wohnungen in Berlin zu erarbeiten, also eine Enteignung von privatem Eigentum. Betroffen wären alle privaten Wohnungsunternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen im Bestand im Bundesland Berlin – ausgenommen wären Genossenschaften. Damit richtet man sich gezielt gegen die großen Wohnungskonzerne.

Berliner stimmen mehrheitlich für die Enteignung großer Wohnungskonzerne

Und ja, auch ich wohne zur Miete. Und wer möchte nicht gerne weniger Miete zahlen oder vor Mieterhöhungen geschützt sein. Aber Enteignen löst nun mal keine Probleme! Die Berliner Wähler haben gestern entschieden. Mit 56,4 Prozent JA-Stimmen hat das Wahlvolk in der Hauptstadt für die Initiative von „Deutsche Wohnen und Co enteignen“ entschieden (hier die Detaildaten). Rechtlich bindend ist dieser Volksentscheid für den Berliner Senat zwar nicht. Aber gestern wurde die Regierung aus Rot-Rot-Grün wiedergewählt. Die Wahlsiegerin und wohl neue Berliner Bürgermeisterin Franziska Giffey hat bereits verkündet, dass sie sich der Sache annehmen will. Allerdings müsse man rechtlich prüfen, ob man so ein Gesetz auch wirklich umsetzen könne, so Giffey in der ARD.

Umsetzung wenig wahrscheinlich

Dass die Enteignung von Deutsche Wohnen und Co wirklich so kommt wie von der Initiative gefordert, ist zumindest zweifelhaft. Zum einen wären da die immensen Entschädigungszahlungen, die das Land Berlin an die betreffenden Unternehmen für eine Enteignung zu zahlen hätte. Der Berliner Senat schätzt Summen zwischen 29-36 Milliarden Euro. Die Betreiber der Initiative sehen die Kosten eher bei 7,3-13,7 Milliarden Euro. So oder so, es würde richtig teuer werden. Auch „mal eben so“ enteignen, das ist trotz Erwähnung des Themenkomplexes im Grundgesetz wohl nicht so einfach. Man muss wohl schon verdammt triftige Gründe anführen für die Notwendigkeit einer Enteignung. Und außerdem ist eine knallharte Enteignung innerhalb von Rot-Rot-Grün in Berlin keinesfalls die Konsens-Meinung.

Realisierung dieser Idee wäre völlig kontraproduktiv

Aber nehmen wir mal an, die Enteignung der Wohnungen bei allen Unternehmen in Berlin mit mehr als 3.000 Wohnungen würde umgesetzt werden. Was würde das bedeuten? Nehmen wir mal an das Projekt würde das Land Berlin vielleicht 20 Milliarden Euro kosten. Oder 15, 25 oder 30 Milliarden Euro? Egal, es wäre eine Explosion der Schulden des Bundeslands Berlin in einem exorbitanten Ausmaß. Hatte das Bundesland Berlin im Jahr 2000 noch 35 Milliarden Euro Schulden, so sind es jetzt stolze 63,7 Milliarden Euro. Mal eben 20 oder 30 Milliarden Euro oben drauf packen, das wäre ein weiterer enormer Schub der Verschuldung.

Dann müsste man sich in allen Bereichen der öffentlichen Ausgaben drastisch einschränken, da die höhere Schuldenlast nun mal zu Einsparungen zwingt. Was zwangsläufig auch bedeutet: Für den verstaatlichten Wohnungsbestand dürfte man annehmen, dass beim Thema Renovierungen und vor allem bei den laufenden Instandhaltungen massiv gespart werden müsste. Langfristiger Verfall wäre die Folge.

Natürlich kann man argumentieren: Diese hunderttausenden Mieter in Berlin, die nun in staatlichen Wohnungen leben, haben keine steigenden Mieten mehr zu befürchten. Gut, aber das Problem ist: bei Milliarden an Ausgaben für dieses Projekt würde man keine einzige neue Wohnung geschaffen! Bei massiver Nachfrage nach neuen Wohnungen wäre es sachlich einzig logisch, mit solchen Milliardenbeträgen über öffentliche Wohnungsgesellschaften lieber neue Wohnungen bauen zu lassen.

Durch den massiven Neubau von Wohnungen könnte man einen Zustand erreichen, bei dem das Angebot an Wohnungen die Nachfrage übertrifft. Das würde theoretisch bedeuten: Die privaten Vermieter haben bei Wohnungsbesichtigungen auf einmal keine Auswahl mehr, sondern müssen hoffen, dass sie überhaupt noch einen Mieter für ihre frei gewordene Wohnung finden. Die logische marktwirtschaftliche Folge: Die Vermieter senken die Miete, und zwar so lange und so deutlich, bis sich Wohnungssuchende finden, die die geringere Miete für attraktiv genug halten. Die Überflutung des Marktes mit neu gebauten Wohnungen wäre die Lösung des Problems, und nicht die Enteignung des Altbestands! Will man schon zweistellige Milliardenbeträge in die Hand nehmen, dann doch lieber für den groß angelegten Neubau von Wohnungen! Aber herje, dafür müsste man wohl Grünflächen bebauen, was noch mehr Bodenversiegelung bedeutet?



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6 Kommentare

  1. Was ist mit Zwangsumsiedlung? Jeder der in Berlin kein Anwesendheitsgrund hat, kriegt eine Wohnung in der Umgebung. Da steht auf 200km um Berlin soviel leer, das kann doch den Druck vom Kessel nehmen. Mit viele Vorteile: die Bäcker, Metzger, Supermarkt im Dorf haben wieder Kunden, die Grundschulen weniger Leerlauf, es belebt sich. Und weniger Stau in Berlin.
    Hat keine Vorstrebender Partei mal was pragmatisches im Program?

  2. Neubauen ist nur aus linearer Sicht der Marktwirtschaft eine Lösung. Praktisch ist es dies nicht.
    Wenn in Berlin so viele Wohnungen gebaut werden, dass die Mieten stagnieren oder sogar sinken wird das zwangsläufig andere Menschen aus anderen Städten anziehen.
    Klar auch hier kann die Lösung sein noch mehr bauen. Wenn man das heute anfängt, dann hat man morgen die gleichen Probleme wie Frankreich, die nur aus den Metropolregionen der größeren Städten bestehen.

  3. Bei Gartenarbeitschule Lichtenberg, Google Earth, großes Areal zu sehen.
    VIELLEICHT aber auch Sandgruben.
    EINER DER FLUGHÄFEN, VIELEICHT DEN NEUEN,SCHERZ.
    DENK AN EPHRAHIM KISHON.
    STIMMT MIT ÜBERANGEBOT. ZUR ZEIT BIST ALS SUCHENDER MIETER DER DEPP, VERMIETER ÜBERHEBLICH. UMGEKEHRT BIST DANN ALS VERMIETER DER DEPP, KÖNNTE ABER SEIN DAS ES BESSER FÜR UNS ALLE IST.?

    Nochmal, die EIGENTUMSQUOTE IN ENGLAND UND IN GRIECHENLAND,
    IN ITALIEN U.S.W. IST ENTSCHIEDEN HÖHER.
    WER IST HIER REICHER?
    Z.B. STAATSHAUSHALT ITALIEN? Was SCHERT das den Italienern.
    DIE Regierung soll mal versuchen über Grundsteuern oder sonst was.
    Gleich ist die 250 Regierung oder wir lassenn uns das nicht gefallen.

    DIE DEUTSCHEN GEDULDIG,MOSERN,TRÄUMEN BIS ES KNALLT.
    Wir können das.

  4. …das Ganze wäre ja auch eine Milchmädchenrechnung…wenn sich die Enteignung für die Wohnungskonzerne nicht lohnt, dann spalten diese ihre Wohnungen in verschiedene Firmen auf und schon gibt es keine Unternehmen mehr dieser genannten Größenordnung mit mehr als 3000 Wohnungen…

  5. Wenn man bei solchen Maßnahmen angelangt ist, ist höchste Vorsicht geboten. Es gibt ja nachvollziehbare Gründe, warum Menschen auf solche Ideen kommen. Aber wenn man in die Geschichte blickt, findet man wenig Beispiele, in denen so etwas gelingt. Die, die etwas abgeben, müssen davon überzeugt sein, dass es auf Dauer für alle (also auch für sie) etwas bringt. Alle müssen sich konstruktiv verhalten und nicht wie Parasiten sagen, „nach der Enteignung, ist vor der Enteignung“. Nach einem solchem Schritt, muss es positiv für alle weitergehen. Es muss Sicherheit bestehen, dass damit die Probleme auch gelöst sind.

    Berlin gibt keinen Anlaß zu der Vermutung, dass hier irgendetwas helfen könnte. Berlin müsste sich zuerst einmal zu der eigenen Verantwortung bekennen und arbeiten statt neue Feiertage zu erfinden.

  6. Man könnte es zwischen den beiden Extremen von hemmungslosen Immobilienhaien und sozialistischen Enteignern ja auch mit Modellen wie diesem versuchen:
    https://www.stadt-muenster.de/immobilien/wohnbaupotenzialflaechen/sozialgerechte-bodennutzung
    https://www.deutschlandfunk.de/sozialer-wohnungsbau-muenster-heile-mieterwelt.862.de.html?dram:article_id=455766

    Dann wären auch so hirnrissige Ideen wie Zwangsumsiedlung nicht nötig.

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