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Boeing-Krise verschärft sich – immer mehr Probleme werden sichtbar

Die Krise bei Boeing verschärft sich. Aktuell werden immer mehr Probleme rund um Fertigung und Qualität sichtbar.

Boeing-Flugzeuge
Boeing-Flugzeuge: Foto: David Ryder/Bloomberg

Finger weg von der Boeing-Aktie? Der folgende Chart zeigt seit Jahresanfang: Boeing fällt um 27 %, während Airbus 10 % zulegt. Erinnern Sie sich noch? Im Januar war bei einem Boeing-Flugzeug der Alaska Airlines ein Fenster rausgeflogen. Na gut, dachten sich viele Börsianer zunächst – dann müssen eben nach einer Prüfung bei einigen Flugzeugen ein paar defekte Fenster getauscht werden, so teuer kann das schon nicht sein? Aber daraus wurde – auch mit Blick auf die vorigen Flugzeugabstürze mit vielen Toten – eine immer größere Skepsis an der Sicherheit und Qualität bei Flugzeugen von Boeing. Und nun werden nach verstärkten Untersuchungen in der Tat immer mehr Qualitätsprobleme sichtbar!

Chart vergleicht Boeing-Aktie mit Airbus seit Jahresanfang

Boeing-Krise eskaliert

Die Vertrauenskrise in Boeing hat sich weiter verschärft, nachdem das US-Justizministerium eine strafrechtliche Untersuchung eines Unfalls eingeleitet hat. Die Aktien fielen am Montag in New York um bis zu 4,4 % und verzeichneten damit den stärksten Einbruch innerhalb eines Tages seit dem 25. Januar. Alaska Airlines – die Fluggesellschaft, bei der Anfang des Jahres während eines Fluges mit einer 737 Max ein Rumpfteil explodierte – bestätigte die Ermittlungen der Regierung. Bundesstaatsanwälte haben im Rahmen der Ermittlungen eine Grand Jury einberufen.

Bloomberg berichtet aktuell wie folgt: Der Unfall mit dem fast neuen Flugzeug hat die Boeing-Aktie schwer belastet und sie zum mit Abstand schlechtesten Wert im Dow Jones Industrial Average in diesem Jahr gemacht. Die Regulierungsbehörden haben die Aufsicht über die Produktion verschärft und die Produktion von Boeing daraufhin gedrosselt. Am Montag sagte Mike Whitaker, Administrator der US-Flugaufsichtsbehörde Federal Aviation Administration, er wolle in den nächsten 30 Tagen mit Boeing Meilensteine festlegen, die Teil einer dreimonatigen Frist sind, innerhalb derer Boeing zeigen muss, dass man seine Prozesse verbessert hat.

Die Krise um den US-Flugzeughersteller und seinen meistverkauften 737-Jet hat eine breite öffentliche Aufmerksamkeit erlangt, die durch eine Reihe scheinbar unzusammenhängender Vorfälle in jüngster Zeit und peinliche Enthüllungen über Produktionsmängel noch verstärkt wurde. Boeing wird von Gesetzgebern, Aufsichtsbehörden und sogar Passagieren immer genauer unter die Lupe genommen. Verkehrsminister Pete Buttigieg erklärte am Sonntag gegenüber Fox News, dass die Luftfahrtbehörde FAA „mit enormer Strenge gegen Boeing vorgehen wird“.

Die Tätigkeit der Grand Jury, die in der Regel die Ausstellung von Vorladungen für Interviews und Dokumente beinhaltet, ist ein Zeichen dafür, dass die Ermittlungen gegen Boeing – und die Frage, ob das Unternehmen für den Vorfall strafrechtlich verantwortlich ist – sich vertiefen. Die Nachricht über die Grand Jury, über die die Washington Post bereits berichtet hatte, bedeutet nicht unbedingt, dass die Untersuchung zu einer Anklage führen wird.

Bloomberg hatte zuvor berichtet, dass die Behörde untersucht, ob das Durchbrennen des Türstopfens unter die Vereinbarung der Regierung mit dem Unternehmen aus dem Jahr 2021 über den Aufschub der Strafverfolgung im Zusammenhang mit zwei früheren tödlichen Abstürzen des Flugzeugs 737 Max fällt. Es konnte nicht sofort geklärt werden, ob die strafrechtlichen Ermittlungen Teil dieser Überprüfung sind oder ob es sich jetzt um eine eigenständige Untersuchung handelt.

Fehlende Bolzen

Bei dem Alaska-Air-Unfall fehlten offenbar vier Bolzen, die verhindern sollten, dass die Abdeckung einer unbenutzten Türöffnung abfliegt, so das National Transportation Safety Board in einem vorläufigen Bericht. Alle 171 Passagiere und sechs Besatzungsmitglieder verließen das Flugzeug ohne ernsthafte Verletzungen. Die FAA und das NTSB untersuchen den Unfall sowie die Sicherheitspraktiken bei Boeing im Allgemeinen. Die Aufsichtsbehörden haben dem Unternehmen untersagt, die Produktion von 737-Flugzeugen weiter zu erhöhen, bis sie sich davon überzeugt haben, dass sich die Fertigungsqualität verbessert hat. Ein Expertengremium hat Ende Februar eine vernichtende Bewertung der Sicherheitskultur des Flugzeugherstellers abgegeben.

Die Spannungen kochten letzte Woche über, nachdem die NTSB-Vorsitzende Jennifer Homendy vor einem Senatsausschuss erklärt hatte, Boeing habe bei der Untersuchung des Max-9-Vorfalls nicht kooperiert. Das Unternehmen habe weder die Namen der Mitarbeiter genannt, die an dem Alaska-Air-Flugzeug gearbeitet haben, noch Unterlagen darüber vorgelegt, wie die Arbeit ausgeführt wurde, sagte Homendy am 6. März.

Boeing stellte daraufhin die Namen zur Verfügung und hat seitdem bestätigt, dass man keine Aufzeichnungen über die Arbeiten am Panel der Max 9 hatte. „Wir sind in der Frage, ob Boeing mit einer Behörde zusammenarbeiten sollte, nicht neutral. Sie sollten es tun“, sagte Buttigieg am Montag auf einer Pressekonferenz mit Whitaker. Eine Reihe von Vorfällen in der Luftfahrt, die nichts mit der Türverkleidungskrise zu tun haben, haben ebenfalls Schlagzeilen gemacht und den öffentlichen Druck auf Boeing erhöht.

Vorfälle mit Boeing-Flugzeugen

Eine zwei Jahrzehnte alte 777 der United Airlines verlor letzte Woche über San Francisco ein Rad und beschädigte mindestens ein Auto auf einem Parkplatz, und ein älteres 737-Modell schlug separat Flammen aus seinem Triebwerk, nachdem es eine Plastikverpackung verschluckt hatte. „All diese Nachrichten sind nicht hilfreich“, sagte Sheila Kahyaoglu, Luftfahrtanalystin bei Jefferies, am 8. März gegenüber Bloomberg Television nach der Reihe von Zwischenfällen mit Boeing-Flugzeugen.

Am Montag wurden 10 Passagiere und Besatzungsmitglieder eines Fluges der Latam Airlines Group SA ins Krankenhaus eingeliefert, nachdem das Flugzeug auf dem Weg von Sydney nach Auckland in unerwartete Turbulenzen geraten war. Die Fluggesellschaft teilte mit, dass die Boeing 787 Dreamliner ein technisches Ereignis während des Fluges hatte, das eine starke Bewegung verursachte“, so die Fluggesellschaft in einer Erklärung. Die Fluggesellschaft machte keine näheren Angaben zur Art des technischen Ereignisses. „Wir arbeiten daran, mehr Informationen über den Flug zu sammeln und werden unseren Kunden jede erforderliche Unterstützung zukommen lassen“, so Boeing in einer Erklärung.

Wird das Desaster noch viel schlimmer?

Laut einem jüngstem Bericht der New York Times ist Boeing bei umfangreichen Sicherheitsprüfungen der FAA an der 737 MAX-Modellen bei mehr als einem Drittel der Tests durchgefallen. Und erst vor wenigen Stunden wurde laut der BBC bekannt, dass der ehemalige Boeing-Mitarbeiter John Barnett, der 32 Jahre für das Unternehmen tätig war und als Whistleblower massive Probleme bei Boeing aufdeckte, tot aufgefunden wurde. Schaut man beispielsweise bei X nach Boeing als Hashtag, kursieren dort schon die wildesten Verschwörungstheorien. Auch wenn das nur heiße Luft ist – der Aufruhr um die Probleme bei Boeing wird dadurch nur noch mehr angefacht.

Und der Druck auf die Aufsichtsbehörden in den USA dürfte zunehmen, noch genauer hinzuschauen bei Produktions- und Qualitätsproblemen bei Boeing. Weiter geschürt werden Zweifel an der Produktqualität des Unternehmens beispielsweise durch Videos wie das folgende, wo mutmaßliche Boeing-Mitarbeiter in der Fertigung selbst sagen, sie würden nicht mit diesen Flugzeugen fliegen. Abgesehen von der Frage, ob der Inhalt des Videos authentisch ist oder nicht – alleine dieser erst vor 8 Stunden veröffentlichte Tweet wurde 5.800 mal von anderen X-Konten geteilt (also in deren Timeline übernommen), geht also viral auf X. Für die Boeing-Aktie bedeutet dies? Das Desaster könnte möglicherweise noch viel schlimmer werden, je größer der öffentliche Druck in den USA wird, Boeing noch stärker unter die Lupe zu nehmen. Welche Probleme kommen dann noch zu Tage?

FMW/Bloomberg



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2 Kommentare

  1. Mal eben ein modernes Flugzeug auf der Grundlage einer jahrzehnte alten Konstruktion aufzubauen, die dazu (wegen den notwendigen größeren Düsen) eine ebenfalls notwendige Schummelsoftware nicht dem Flugpersonal mitteilen, damit das Flugzeug ohne besondere Nachschulung geflogen werden kann, kostet eben viele Menschenleben.
    Mal sehen wieviel es nun die Aktionäre kosten wird, oder/und ob weitere Menschenleben geopfert werden, weil die Flugzeuge noch weitere Konstruktionsfehler aufweisen.

    Viele Grüße aus Andalusien Helmut

  2. In der Ära von Lufthansa-Chef Wolfgang Mayrhuber war die Deutsche Lufthansa AG auch ein lizenzierter Entwicklungsbetrieb. Der Kranich-Konzern sollte diese Potenziale nutzen, um somit an der Entwicklung von Boeing- und Airbus-Flugzeugmuster entsprechend mitwirken zu können, da sowohl Boeing, als auch Airbus Gegenstand der Lufthansa-Flottenerneuerung sind

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