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Kommentar Börsencrash: Das Unvermeidliche ist nicht ignorierbar

Der Börsencrash ist da, Japan schreitet voran. Auch Tech-Aktien stürzen aktuell massiv ab. Hier dazu mein Kommentar über das Unvermeidliche.

Bär aus Symbol für Börsencrash
Grafik: Frolopiaton Palm - Freepik.com

Immer weiter, immer mehr, immer höher. Das war das Motto der Aktienmärkte in diesem Jahr. Angetrieben durch einen Mega-Hype um das Thema Künstliche Intelligenz wurde die Nvidia-Aktie immer höher getrieben, die Euphorie nahm kein Ende, viele andere Big Tech-Aktien stiegen ebenfalls kräftig an. Wer länger an der Börse dabei ist, hat solche Phänomene immer wieder gesehen, in verschiedenen Ausprägungen. Und dann, wenn auch die letzten Pessimisten ihre Meinung ändern, kommt der Börsencrash. Man sah es jüngst: Quasi der letzte große Pessimist, der Marktstratege Marko Kolanovic bei der größten US-Bank JPMorgan, verließ die Bank – ob freiwillig oder unfreiwillig, ist nicht bekannt. Aber wenn man ständig gegen die Bullenmärkte steht, ist man irgendwann am Ende, wenn die Hausse immer weiter läuft?

Börsencrash – irgendwann musste es passieren

Bei bei Analysten und Strategen, so dürfte es auch bei den Anlegern sein? Welcher Hedgefondsmanager kann ständig Shortpositionen eingehen und Geld verbrennen? Und wie will man es gegenüber Anlegern rechtfertigen, in ständig steigenden Märkten nicht dabei zu sein? So sind monatelang wohl immer mehr Anleger (Profis und Privatanleger) auf den fahrenden Zug aufgesprungen. Vereinfacht gesagt: Wenn irgendwann der Zeitpunkt gekommen ist, wo alle Anleger auf den Bullenzug aufgesprungen sind, fehlen die Anschlusskäufe, und der Börsencrash kann kommen. Auslöser waren letzte Woche die deutlich schlechteren Konjunkturdaten aus den USA. Explizit in den Charts ablesbar waren es die ISM-Daten vom Donnerstag und US-Arbeitsmarktdaten vom Freitag, die den Börsencrash mit auslösten.

Japan-Crash und KI-Zweifel

Aber so richtig verstärkt hat diesen Absturz heute der Absturz in Asien, vor allem in Japan. Höhere Zinsen haben dort die Lage zügig verschlechtert, der Nikkei 225 stürzte heute um 13 % ab. Es findet eine Enthebelung des Japan-Carry-Trades durch den Aufwärts-Crash des Yen statt (hier genauer erklärt von Markus Fugmann). Man stelle sich das mal vor, der Dax würde an einem Tag um 13 % abstürzen – er stürzt heute „nur“ um 2,4 % ab. Es kann aber im Tagesverlauf noch viel schlimmer kommen, denn viele der Big Tech-Aktien aus den USA zeigen heute im deutschen Handel dramatische Verluste, und der Nasdaq-Future war vorhin bereits über 4 % im Minus. Nimmt man auch die Verluste seit letzte Woche Donnerstag, kann man sagen: Es ist ein Börsencrash. Nur die Frage ist: Wie groß kann der Absturz noch werden, wie lange dauert er an? Ist es eine kurze, massive Bewegung, ein kurzes reinigendes Gewitter? Oder eine monatelang andauernde Abwärtsbewegung? Das kann im Vorhinein niemand sagen.

Kein Soft Landing?

Die Daten der letzten Woche zeigen: Die US-Konjunktur bekommt wohl kein Soft Landing hin, der Abschwung könnte stärker ausfallen. Und die Federal Reserve hat die Zinsen immer noch nicht gesenkt (aktueller Leitzins 5,25 bis 5,50 %), wird aber vermutlich im September um 50 statt 25 Basispunkte senken. Dieses Narrativ der Zinssenkungshoffnungen, dass neben der KI-Phantasie die Aktienmärkte ebenfalls monatelang gepusht hat, wird aktuell von den Anlegern komplett ignoriert. Der Börsencrash läuft, weil man ganz direkt auf den Wirtschaftsabschwung schaut, und auf ein mögliches Ausbleiben realer Umsätze aus der Nutzung der Künstlichen Intelligenz.

Gehebelter Aktienhandel

Warum der Absturz bei US-Aktien Ende letzter Woche und wohl auch diese Woche so heftig ausfällt? Gerade US-Anleger sind gerne gehebelt unterwegs. Man kauft über seinen Broker Aktien auf Kredit. Bei ständig steigenden Aktien verdient man damit enorm viel Geld. Aber wenn Kurse beginnen spürbar zu fallen, zerlegen sich gehebelte Tradingkonten sehr schnell, Broker verkünden dann Margin Calls, Anleger sollen schnell Geld nachschießen. Kommt kein frisches Geld auf die Konten, schließen die Broker die Positionen zwangsweise, bevor die Kontosalden ins Minus rutschen. Ein Börsencrash wird in der Regel durch solche Zwangsverkäufe immens verstärkt. Wenn hunderttausende oder Millionen kleiner Privatanleger-Konten davon betroffen sind, wird das für den Gesamtmarkt ein Problem. So kann ein Crash noch tagelang weiter laufen.

Aber die Dynamiken so einer Marktbewegung sind für alle Marktteilnehmer oder Beobachter unvorhersehbar. Niemand weiß, ob wir nun einen tagelangen massiven Börsencrash sehen werden, oder eine längere Abwärtsbewegung, oder sogar eine schnelle Beruhigung. Vermuten darf man: Viele Anleger, die erst in den letzten Jahren an die Börse gekommen sind, kennen nur steigende Kurse. Man kann es diesen Anlegern nicht verdenken, dass ein Börsencrash für sie etwas völlig Ungewohntes ist. Viele dürften geschockt vor desaströsen Zocker-Verlusten stehen, gerade im Handel mit Derivaten (Optionen, CFDs etc). Wenn sich diese Anlegerkonten zerlegt haben, fehlt auch das Geld für neue Käufe nach dem Crash.

Börsencrash nach gigantischen Anstiegen unvermeidlich

Im großen Bild kann man sagen: Die aktuelle Bewegung war unvermeidlich – nur wann sie eintritt, ist eben nicht exakt prognostizierbar. Die Aktienkurse waren monatelang derart massiv angestiegen, dass in vielen Bereichen völlig überzogene Bewertungen erreicht wurden. Irgendwann – auch wenn es jahrelang dauert – platzen Blasen, auch Blasen in Form von Anlegererwartungen und Träumen von unbegrenztem Wachstum. Tesla ist so ein jahrelanger Traum, Nvidia ist der neueste Traum. Das massive Wachstum des Unternehmens hat den Aktienkurs lange Zeit kräftig steigen lassen, Stand Freitag Abend lag das für das Gesamtjahr 2024 erwartete KGV bei 36. Bei Tesla liegt der KGV-Wert bei 89, bei Werten wie Apple und Microsoft liegen die Werte bei 30. Nun werden die heute fallende Kurse diese KGV-Werte absenken und näher an die Normalität rücken. Werte unter 20 gelten als normal, bei Tech-Aktien gesteht man durchaus höhere Werte zu – aber nur wenn die Wachstumsstory eines Unternehmens weiter funktioniert. Aber gerade gehypte Firmen mit viel zu hohen Bewertungen haben mehr Abwärtspotenzial. Mit einem KGV-Wert von 21 ist die Alphabet-Aktie die am günstigsten bewertete Aktie unter den Magnificent Seven – von daher die Aktie mit dem aktuell geringsten Rückschlagpotenzial?

Kurz und knapp das Fazit: Das Unvermeidliche ist eben nicht ignorierbar. Irgendwann werden übertriebene Bewertungen an die Realität angepasst. Auch Aktienkurse von gehypten Unternehmen können nach einem Börsencrash wieder steigen, wenn Umsätze und Gewinne in einer gesunden Relation zum Aktienkurs stehen. Aber nach dem Börsencrash gilt ebenfalls: Der nächste Hype, die nächste Euphorie kann kommen. Wieder bei KI, oder sucht man sich eine neue Branche?

Chart zeigt seit Jahresanfang die Entwicklung der Indizes mit dem aktuellen Börsencrash Der Chart zeigt seit Jahresanfang: Es entstanden monatelang tolle Gewinne. Bis vor wenigen Tagen lag der japanische Nikkei 225 seit Jahresanfang mit 26 % im Plus, jetzt sind es unterm Strich -5,5 % . Der Dax lag noch bis Mitte letzter Woche mit 10 % im Plus, jetzt sind es nur noch +2,9 %. Der Nasdaq 100 auf CFD-Basis zeigte noch vor drei Wochen 24 % Jahresplus, jetzt nur noch 7,3 %. Auch der europäische Stoxx600 hat von +8 % auf +1,6 % verloren. Der Börsencrash könnte in dieser Woche auch die letzten Jahresgewinne auslöschen.



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1 Kommentar

  1. Wenn die Großen wie Warren Buffet verkaufen, hätte bei jedem die Alarmglocken tönen müssen. DAX jetzt shorten Ziel 10.000

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