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Die dramatischen Folgen der Krise China: Die Schuldenlast, die das Wachstum erstickt

Geplatzte Träume

China Schuldenlast bremst Wirtschaft
Foto: penacreatipss - Freepik.com

Die immense Schuldenlast, die sich über Jahre hinweg aufgebaut hat, droht das Wachstum der Wirtschaft in China zu ersticken. Besonders betroffen sind die Lokalen Finanzierungsvehikel (LGFVs), die einst als Motoren des Fortschritts galten, nun aber zu einer der größten Bedrohungen für die wirtschaftliche Stabilität geworden sind. Ein Blick auf die Stadt Liuzhou zeigt die dramatischen Folgen dieser Krise.

China: Geplatzte Träume und leere Straßen in Liuzhou

In der südlichen Region Guangxi liegt die Stadt Liuzhou, einst ein Symbol der Hoffnung für den wirtschaftlichen Aufstieg in China. Doch nun hat sich Trostlosigkeit über die Stadt gesenkt. Dort, wo Baustellen einst vor Aktivität summten, wuchert nun Unkraut und Staub bedeckt die verwaisten Gerüste. Wo sich Touristen tummeln sollten, wiegen sich nun einsame Schilder im Wind. Die Betten des nagelneuen Hotels bleiben leer und im Hotelpool schwimmen Algen statt Urlauber. Im Vergnügungspark vergnügen sich höchstens noch die Vögel, die auf den rostenden Fahrgeschäften sitzen und die Stille durchbrechen.

Auf den breiten Autobahnen drängeln sich keine Autos, sondern einsame Arbeiter fegen den allgegenwärtigen Staub beiseite. Es ist, als ob die Zeit hier stehen geblieben wäre, eingefroren in einem Moment des Scheiterns. Die wenigen Menschen, die noch hier leben, bewegen sich langsam und mit gesenktem Blick, als ob sie die Last der gescheiterten Träume auf ihren Schultern tragen würden. Die Stadt ist so bankrott, dass sie nicht einmal in der Lage ist, den Bauzaun abzubauen, wie ein stadteigenes Unternehmen einer genervten Anwohnerin mitteilen musste.

Liuzhou ist kein Einzelfall – und die Liuzhous Chinas liegen nicht nur in der armen Region von Guizhou, sondern wiederholen sich tausendfach im Land und werden sich noch einige hundert Mal wiederholen. Liuzhou ist ein Sinnbild für die unsichere Zukunft, die viele Städte in China erwartet.

Die Stadtväter von Liuzhou wollten in die Zukunft der Stadt investieren, hatten aber keine finanziellen Mittel. Also gründeten sie ein Finanzvehikel, ein sogenanntes Lokales Finanzierungsvehikel (LGFV). Dieses Vehikel nahm Geld auf, um von der Stadt Land zu kaufen. Mit dem Geld ließen die Beamten der Stadt all die schönen Projekte errichten – von Kongresszentren über Vergnügungsparks bis hin zu neuen Autobahnen. Der Plan sah vor, dass das Finanzvehikel das Land an private Investoren verkaufen sollte, um sich der Schulden zu entledigen.

Doch dann kam die Immobilienkrise. Der chinesische Immobilienmarkt brach ein, die Hausverkäufe sanken und die Preise fielen. Private Entwickler zeigten wenig Interesse daran, Land von der Lokalregierung zu kaufen. Die Einnahmequellen der Städte versiegten, und die LGFVs blieben auf ihren Schulden sitzen. Die finanzielle Lage der LGFVs verschlechterte sich rapide.

LGFVs und die wirtschaftliche Misere in China

In Städten wie Liuzhou bleibt es nicht nur beim Verfall der Infrastruktur. Viele LGFVs haben ihre Lieferanten mit Wechseln statt mit Geld bezahlt. Nun können sie diese Wechsel nicht begleichen. Bis Ende Juni 2023 hatten 1.397 LGFVs kommerzielle Wechsel, deren Zahlung überfällig war. Haan Securities Co. berechnete, dass im Juni allein 29 kommerzielle Noten im Wert von 780 Millionen Yuan (ca. 97 Millionen Euro) nicht bezahlt wurden.

Die Unternehmen, die Leistungen erbracht und Gebäude errichtet haben, stehen nun vor dem Ruin. Die Leidtragenden sind, wie so oft, die Ärmsten: die Arbeitsmigranten, die praktisch rechtlos sind. Sie werden von heute auf morgen entlassen und erhalten kein Arbeitslosengeld. In China gilt nur derjenige als berechtigt, Arbeitslosengeld zu beziehen, der einen sozialversicherungspflichtigen Job hat und in seiner Heimatstadt gemeldet ist.

Auch die Einwohner der Liuzhous spüren die Einschnitte. Viele lokale Sozialleistungen, wie die tägliche Flasche Milch für die Rentner oder die ohnehin schon begrenzten Leistungen der Krankenkassen, werden gestrichen. Die wirtschaftliche Misere trifft die Menschen direkt und verschärft die soziale Ungleichheit.

Die finanzielle Lage der LGFVs ist besorgniserregend. Nur ein Fünftel der fast 2.900 LGFVs, die von der Rhodium Group untersucht wurden, hatte genug Bargeld, um ihre kurzfristigen Schuldenverpflichtungen und Zinszahlungen zu decken. Viele dieser Vehikel bleiben durch fortgesetztes Schuldenmachen und Unterstützung durch Lokalregierungen über Wasser. Im Jahr 2022 ergab eine Untersuchung des Internationalen Währungsfonds, dass 80 bis 90 Prozent der jährlichen Ausgaben der LGFVs aus neuer Finanzierung stammten.

Ein Beispiel für die Schuldenrestrukturierung ist das Lokale Finanzierungsvehikel Zunyi Road and Bridge Construction in der Provinz Guizhou. Angesichts steigender Schulden kündigte das Vehikel Anfang 2023 eine Schuldenrestrukturierungsvereinbarung an, bei der es 15,6 Milliarden Yuan (ca. 1,94 Milliarden Euro) an Krediten um 20 Jahre verlängerte –  eine beispiellose Praxis in der Schuldenrestrukturierung. Diese Maßnahmen zeigen die verzweifelten Versuche, die drohende Zahlungsunfähigkeit abzuwenden.

Der Internationale Währungsfonds schätzt, dass die Schulden der Lokalen Finanzierungsvehikel in ganz China bis 2028 im Vergleich zu 2022 um 60 Prozent steigen werden. Normalerweise betreiben Regierungen in Zeiten des wirtschaftlichen Abschwungs Defizit-Ausgaben, um die Folgen einer Wirtschaftskrise abzufedern. Doch den lokalen Regierungen in China fehlt zunehmend das Geld dafür. Statt Hoffnungsträger zu sein, kämpfen sie selbst ums Überleben und werden so zu Treibern der Krise.

Schuldenlast blockiert wirtschaftliche Entwicklung

Die Zentralregierung hat noch nicht einmal einen vollständigen Überblick darüber, welche LGFVs notleidend sind. Ohne diesen Überblick kann sie nicht effektiv eingreifen. Die aufgestaute Verschuldung hindert China daran, mehr zur Ankurbelung seiner Wirtschaft zu tun. In einer Zeit, in der wirtschaftliche Stimuli dringend benötigt werden, sind die lokalen Regierungen aufgrund ihrer Schuldenlast handlungsunfähig. Dies verschärft die wirtschaftliche Misere und trägt zur sozialen Ungleichheit bei.

In Liuzhou hat die Partei das Problem so gelöst, wie sie es seit Jahr und Tag macht: Ein Schuldiger wurde gefunden. Der örtliche Parteivorsitzende wurde gefeuert und wegen Machtmissbrauchs und anderer Verbrechen angeklagt. Ermittler der Kommunistischen Partei werfen ihm vor, verschwenderische politische Prestigeprojekte verfolgt zu haben. Er reiht sich ein in die über zwei Millionen Beamten, die in der Amtszeit von Xi Jinping wegen „Korruption“ bestraft wurden.



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4 Kommentare

  1. In Europa waren alle kommunistischen Staaten Pleite gegangen – Warum sollte das mit China anders laufen?

    1. Von der Struktur her ist China weder kommunistisch noch sozialistisch. Das Land ähnelt einem absolutistischen Staat (mit Klassen unter anderem Namen: z.B. Adel = Parteifunktionäre usw.) in der Frühzeit des Kapitalismus. Preußen unter Friedrich Wilhelm I. wäre aus meiner Sicht ein guter Vergleich in Habitus und Entwicklung des Staats. Ausnahme sind die Finanzen, die stark Richtung „französisch“ aus der Zeit gehen. Was sich ja auch nicht wirklich geändert hat.

      1. Wegen Parteifunktionäre habe ich bei Wikipedia nachgesehen: Die KPCh hat 100 Mio Mitglieder. Jeder 15. Chinese ist Mitglied in der Partei. Das sind mehr Menschen als Deutschland Einwohner hat und alle verinnerlichen die Worte Xis.

  2. Selber Schuld. Um China bereisen zu können, 10 Finger muss man scannen, Face scannen. Überall wird man per Kamera 📷 überwacht. Gesetze, die willkürlich alle Touristen unter dem „sogen. Nationale Sicherheit“ ohne Rechte einsperren können. Dazu nur alles per Digitalpay bezahlen mit NUR örtliche Rufnummer. Viel zu viel verlangt als Tourist. Dazu noch eine Scheißvisum von 140€ die man persönlich beantragen muss. Wer möchte schon in solch einen totalitären ÜberwachungStaat reisen wo man jederzeit Angst haben muss, durch falsche Wortwahl eingesperrt wird. Nein Danke. Ich reise lieber woanders. Eure liebsten Sicherheitsgesetze könnte Ihr mit geschlossenen Türen selber behalten. Das sieht man schon in HK wo selbst Lehrerin bei Wolf/Schaf Vergleich dort verklagt werden.

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