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Nur neuer Wein in alten Schläuchen? China: Neue Außenpolitik – Xi Jinping mit neuer Freundlichkeit?

China Xi Jinping Aussenpolitik

Die Tonlage in der chinesischen Außenpolitik ändert sich in den letzten Monaten: in den Medien und in den westlichen Hauptstädten wird darüber gerätselt, ob das nur eine Charmoffensive von China ist – oder ob Xi Jinping die Beziehungen zum Ausland verbessern will.

China: Xi Jinping mit neuer Freundlichkeit

Auffällig war schon der überraschend freundliche Tonfall beim Besuch von Olaf Scholz in Beijing im November letzten Jahres. Auch das G20-Treffen in Bali mit dem Gipfel zwischen US-Präsident Joe Biden und Xi Jinping war zwar von Respekt gegenüber den unterschiedlichen Positionen geprägt. Aber zumindest wurden die inoffiziellen Kanäle zwischen Washington und Beijing wieder geöffnet. Die Gespräche von Bali fanden ihre Fortsetzung auf dem Weltklimagipfel in Ägypten. Und auch die Neujahrsansprache von Xi Jinping war nicht mehr, wie noch die von 2022, von einer aggressiven Rhetorik vor allem gegenüber Taiwan geprägt.

Personelle Wechsel – Der erste unter den „Wolfskriegern“ verlässt das Rudel

Die Personalrochaden, die Xi Jinping in den letzten Wochen vorgenommen hat, nähren die Hoffnung, dass zumindest der Tonfall angenehmer wird. Besonders der Abgang von Zhao Lijian, dem bisherigen Chefsprecher des Außenministeriums, sticht hier hervor.

Neuer Außenminister wurde der bisherige Botschafter in den USA, Qin Gang. Bis in den Mai hinein galt eigentlich der Vize-Außenminister Le Yucheng als potentieller Nachfolger von Wang Yi. Le Yucheng war für Russland zuständig. Die Financial Times (FT) beschreibt die Degradierung von Le Yucheng – er leitet nun die Nationale Radio- und Fernsehverwaltung – als Folge seiner falschen Einschätzung der russischen Politik.

Angeblich, so die FT in ihrem Artikel, hatte Putin gegenüber Xi Jinping nicht seine Absicht bekundet, in die Ukraine einzumarschieren und Le Yucheng hätte diesen Einmarsch auch nicht vorausgesehen. Diese Darstellung der chinesischen Seite verschweigt aber geflissentlich, dass die USA China – und auch andere Nationen – schon seit dem Herbst 2021 wiederholt und eindringlich vor einer bevorstehenden Invasion in die Ukraine warnten.

Nachfolger von Qing Gang in Washington wird Xie Feng, wie das Wall Street Journal berichtet. Xie Feng bereitete schon den Gipfel zwischen Xi Jinping und Joe Biden vor und half den Austausch des Huawei-CFO, Meng Wanzhou, gegen zwei Kanadier zu vollziehen. In China galt die Rückkehr von Men Wanzhou als wichtiger „Sieg“ gegenüber den USA. Xie Feng war aber auch Chef des Verbindungsbüros in Hong Kong, als dort das Nationale Sicherheitsgesetz eingeführt wurde.

Fu Cong, der bisherige Generaldirektor der Abteilung für Rüstungskontrolle, wurde als neuer Chef der chinesischen EU-Mission ernannt. Er tourt im Moment durch Brüssel und die europäischen Hauptstädte. Teilnehmer der Treffen sprechen von einem angenehmen Gesprächsklima. In einem ersten Beitrag für das Portal „Table China“ sprach er sich u.a. dafür aus, „Differenzen durch Dialog zu bewältigen“.

Die Causa Zhao Lijian

Etwas bizarr ist allerdings der Herabstufung des bisherigen Sprechers des Außenministeriums, Zhao Lijian. Zao Lijian galt als Erster unter den „Wolfskriegern“. Der Terminus „Wolfskrieger“ stammt aus dem in China sehr erfolgreichen Film „Wolfskrieger 2“. Das Motto des Films lautete: „Auch tausend Meilen entfernt – wer China angreift, wird dafür bezahlen.“

Zhao Lijian fiel immer wieder mit Attacken gegen den Westen, insbesondere gegen die USA, auf. Auf einem seiner letzten Auftritte erregte seine minutenlange Sprachlosigkeit Aufmerksamkeit, als er auf die Proteste in China angesprochen wurde. Seit Dezember letzten Jahres war er aber nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen worden. Er war, wie seine Frau Tang Tianru später auf Weibo postete, an Corona erkrankt. Dies entbehrte nicht einer gewissen Ironie, da Zao Lijian und Tang Tianru dadurch die Blicke auf sich zogen, dass sie keine Masken trugen, als dies noch streng vorgeschrieben war. Tang Tianru selber ist eine Berühmtheit in China. Auf Weibo beschwerte sich Tang Tianru, dass ihr Mann keine Covid- oder fiebersenkende Medikamente bekommen könne. Im Sommer 2022 war sie schon negativ aufgefallen, weil sie mitten in der schweren Corona-Krise nach Deutschland reiste und das friedliche und entspannte Leben in Deutschland pries.

Ende Dezember wurde Zao Lijian nun als einer der Direktoren für das Chinese Ministry of Foreign Affairs Boundary and Ocean Affairs Department ernannt. Ein klarer Abstieg. Ob dies nun Folge einer neuen Kommunikationstrategie unter Qing Gang, der Fehltritte seiner Frau oder seiner eigenen Missgeschicke ist, ist unklar.

Dem Decoupling mit Europa entgegenwirken

Die FT sieht die Charmoffensive Beijings gegenüber Europa der Einsicht in der Führung um Xi Jinping geschuldet, dass eine Entspannung mit den USA auf absehbare Zeit nicht möglich ist. Der Handelskrieg, den Trump angezettelt hatte, war im Großen und Ganzen ineffektiv. Dagegen treffen die Sanktionen, die Biden mit dem CHIPS and Science Act eingeleitet hat, mitten in das wirtschaftliche und wissenschaftliche Herz Chinas.

China ist im Moment führend in der KI-Forschung. Allerdings benötigt die KI-Forschung und -anwendung hochmoderne Halbleiter. Mit Bidens Politik wird es für China immer schwerer, an diese Chips heranzukommen. Zudem kann China, trotz milliardenschwerer Investitionen, selber keine Chips produzieren, die zumindest dem gegenwärtigen Stand der Technik entsprechen.

Die EU ist mittlerweile ein größerer Handelspartner für China als die USA. Die Wirtschaft in China liegt in Folge der Corona-Politik danieder. Statt der angestrebten 5% Wachstum wuchs das Bruttoinlandsprodukt (BIP) nur um 3%. Der Export stieg dabei um 10%. Daher ist China daran interessiert, den Handel mit der EU zu intensivieren und den Decouplingsstrategien in den EU-Ländern entgegenzuwirken.

Japan und Korea als Lackmustest

Allerdings lassen die Taten Chinas keinen Wechsel in der Außenpolitik erkennen. Japan und Korea verlangten als Reaktion auf die Aufgabe der „Null-Covid“-Politik von Reisenden aus China bei Ankunft einen Covid-Test. China reagierte umgehend und setzte die Vergabe von Visa an japanische und koreanische Bürger aus.

Auch der chinesische Botschafter in Deutschland, Wu Ken, warf den europäischen Ländern „Diskriminierung“ vor, als diese von Einreisenden aus China Covid-Tests verlangten. Dabei „vergaß“ Wu Ken, dass China ebenfalls negative Tests verlangt – bis vor kurzen sogar zwei, die nur bei akkreditierten Laboren gemacht werden durften und mehrere hundert Euro kosteten.

Bemerkenswert ist die Abstufung zwischen der EU auf der einen Seite und Japan und Korea auf der anderen Seite. China ist wohl der Überzeugung, auf diese beiden Länder auf Grund ihrer Abhängigkeit von China mehr Druck machen zu können, während China ob seiner Abhängigkeit offenbar zu Konzessionen bereit ist.

Mehr denn je scheint zu gelten, dass man China an seinen Taten und nicht an seinen Worten messen sollte.



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1 Kommentar

  1. Grundsätzlich kompetent in Sachen Kommunikation mit Staatspräsident Xi Jinping ist der Vorsitzende der Friedrich-Ebert-Stiftung Martin Schulz. Beide kennen sich auch persönlich. Als SPD-Vorsitzender und Kanzlerkandidat präsentierte der ehemalige Präsident des Europäischen Parlaments im Bundestagswahlkampf 2017 ein kompetentes Programm in Sachen Kultur der zweiten Chance für KI-Start-ups.

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