Der DAX erreichte in der letzten Woche ein neues Jahreshoch – geht die Rally weiter?
Die Quartalszahlen, die wir bislang gesehen haben, sind nicht so schlecht wie befürchtet. Es zeigt sich, dass der Ausverkauf des Jahres 2022 bei vielen Titeln übertrieben war. Die Erholungsbewegung, die wir nun seit vergangenem Oktober sehen, dürfte bald enden. Mit Hilfe der aktuellen Quartalszahlen wird sich meiner Einschätzung nach nun die Spreu vom Weizen trennen.
Unsere Umfrage bezieht sich stets auf Indizes, die unterschiedliche Entwicklung einzelner Unternehmen wird darin nicht berücksichtigt. Je nachdem, welche Aktien sich im Portfolio der Umfrageteilnehmer befinden, können die Antworten also mitunter völlig gegensätzlich ausfallen. Schauen wir mal, wie sich die aggregierte Stimmung darstellt.
DAX Sentiment: Euphorie und Skepsis zugleich
Das Anlegersentiment ist diese Woche auf 4,5% angestiegen und signalisiert damit große Freude bis hin zu Euphorie über die jüngste Aktienmarktentwicklung. Kein Wunder, der DAX hatte Ende Januar eine kleine Pause bei der Rally eingelegt und setzt die Rally nun mit einem Wochenplus von 2% fort.
Wirklich zufrieden sind unsere Umfrageteilnehmer jedoch mit ihren Anlageentscheidungen nicht. Die Selbstzufriedenheit ist auf 2,5% angestiegen und zeigt nur eine moderate Selbstzufriedenheit. Wenn wir uns in Erinnerung rufen, dass der DAX seit Ende September bereits um 30% angesprungen ist, wäre auch eine wesentlich höhere Selbstzufriedenheit nicht überraschend. Doch es hat den Anschein, dass nur wenige Anleger von der Rally profitieren können. Die meisten wurden offensichtlich auf dem falschen Fuß erwischt.
So ist auch die große Skepsis zu erklären, die wir in der Zukunftserwartung ablesen. Mit einem Wert von -1,1% haben die Bären die Mehrheit. Augenscheinlich rechnen die meisten Anleger damit, dass die Rally beim DAX bald auslaufen wird. Die Skepsis ist nicht untypisch für eine Erholungsrally. Kurse klettern insbesondere nach schweren Börsenzeiten gerne an einer Wand der Angst nach oben. Die Rallye endet erst dann, wenn die Skepsis weicht und die meisten Anleger ins Bullenlager wechseln.
So bleibt derzeit die Investitionsbereitschaft im DAX mit einem Wert von +0,2% sehr gering. Eine so niedrige Investitionsbereitschaft hatten wir zuletzt genau vor einem Jahr, also kurz vor dem Einmarsch Russlands in die Ukraine.
Das Euwax-Sentiment der Privatanleger ist auf -18% gerutscht und damit nochmals tiefer gefallen als das Rekordergebnis der Vorwoche. Privatanleger sichern sich mit aller Macht gegen Kursrückschläge des DAX ab, es wird teilweise sogar auf fallende Kurse spekuliert.
Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Eurex, über die sich die institutionellen Anleger absichern. Mit einem Put/Call-Verhältnis von 2,0 werden doppelt so viele Put-Absicherungen gekauft wie Call-Optionen. Offensichtlich spekulieren auch institutionelle Anleger auf ein Ende der Rallye und rechnen mit einem kräftigen Rücksetzer.
In den USA zeichnet sich dagegen ein völlig anderes Bild ab: Das Put/Call-Verhältnis der CBOE ist stark rückläufig, US-Anleger kaufen verstärkt Call-Optionen und spekulieren damit auf eine Fortsetzung der Rallye.
Auch US-Fondsanleger haben ihre Investitionsquote um 3% auf 78% erhöht. Seit Kriegsausbruch im vergangenen Februar waren US-Fondsmanager nicht mehr so hoch investiert.
Die Bulle/Bär-Differenz der US-Privatanleger ist auf nur noch -4,6% zurückgegangen. 35% Bären stehen 30% Bullen gegenüber.
Der technische Angst und Gier Indikator des S&P 500 zeigt mit einem Wert von 79% extreme Gier an und mahnt zur Vorsicht.
Interpretation der DAX-Stimmung
In Deutschland besteht die Gefahr eines Short Squeeze: Sollte der DAX nun noch ein klein wenig nach oben steigen, so könnten Anleger gezwungen sein, ihre Absicherungspositionen mit Verlust einzudecken. Die Deckungskäufe würden eine zusätzliche Kaufnachfrage erzeugen, die den DAX weiter nach oben treibt. In der Regel findet ein solcher Short Squeeze in einer sehr späten Phase einer Rally statt, bevor dann die schon viel früher erwartete Konsolidierung auf deutlich höherem Niveau erfolgt.
In den USA sieht das Bild anders aus, dort werden weitere Kurszuwächse erwartet. Die unterschiedliche Stimmungslage ist leicht zu erklären. Während in den USA die Notenbankpolitik ihre Zinsanhebungen verlangsamt hat und ein Ende der Zinsanhebungen diskutiert wird, ist in Europa noch eine erhöhte Geschwindigkeit der Zinsanhebungen auf unbestimmte Zeit zu erwarten. Außerdem haben in den vergangenen Tagen die meisten US-Unternehmen bereits ihre Q4-Zahlen berichtet, während in Deutschland das Gros erst ein bis zwei Wochen später ihre Bücher öffnen werden.
Zwei Dinge, die für eine größere Unsicherheit in Deutschland sorgen. Die große Skepsis in Deutschland zeigt jedoch, dass die Erwartung an die Quartalszahlen relativ gering ist. Es gibt also reichlich Spielraum für positive Überraschungen. Negative Zahlen hingegen dürften die Aktienmärkte hierzulande kaum belasten, da sich Anleger bereits darauf vorbereitet haben.
Im Sinne der Sentimenttheorie, die die Stimmung als Kontraindikator interpretiert, bleibt es daher bei der Aussage der vergangenen zwei Wochen: Das Überraschungspotential für den DAX liegt auf der Oberseite.
Ölmarkt
Eine besondere Situation registrieren wir diese Woche auf dem Ölmarkt. Die Zukunftserwartung für die Ölpreisentwicklung ist unter unseren Umfrageteilnehmern extra optimistisch. Beim Öl besteht, anders als beim Aktienmarkt, eine positive Korrelation zwischen Erwartung und dem künftigen Ölpreisverlauf. In der Vergangenheit gab es eine ähnlich positive Erwartung bereits 30 mal. Durchschnittlich ist der Ölpreis in den folgenden drei Monaten dann um 18,4% angesprungen.
Hinweis: „Bei aktiver Beteiligung (https://www.animusx.de/) an den wöchentlichen Umfragen erhalten Sie die Ergebnisse (Grafiken nebst schriftlicher Auswertung) kostenlos.“
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