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„Leere Regale Made in China” Wie groß für Deutschland das Abhängigkeitsrisiko von China ist

Wie groß für Deutschland das Abhängigkeitsrisiko von China ist, beleuchten wir an dieser Stelle im Rahmen einer Analyse.

Tower in der Millionenmetropole Guangzhou in China

Nachdem BASF die Aktiva aus seinem Russlandgeschäft abschreiben musste, läuft der Ausbau in China auf hohen Touren. Aktuell baut der deutsche Chemiekonzern einen neuen Verbundstandort in Zhanjiang in der Provinz Guangdong auf, der bei einem Investitionsvolumen von bis zu 10 Milliarden Euro bis 2030 fertig werden soll. Der Standort wäre weltweit nach Ludwigshafen in Deutschland und Antwerpen in Belgien der drittgrößte BASF-Standort. Linde Engineering hat im Februar in einem Abkommen zugesagt, dieses Vorhaben zu unterstützen. Das ruft Kritik auf den Plan, da die Abhängigkeit von China nach den Einschlägen an den Nord-Steam-Gasleitungen in der Ostsee im Handel mit nur einem Partner ein Weckruf darstellt. Auch hier ist Diversifizierung gefragt.

China ist seit sieben Jahren für Deutschland Handelspartner Nummer 1

Die aktuellen Zahlen zum Außenhandel vom Statistischen Bundesamt zeigen, dass China für Deutschland nach wie vor der wichtigste Handelspartner ist und das seit sieben Jahren schon. Allerdings weist das Handelsdefizit vom Jahr 2022 den Rekordwert von 84,3 Milliarden Euro auf. Demnach nahm der Wert der Warenimporte aus China 2022 gegenüber dem Vorjahr um 33,6 Prozent auf 191,1 Milliarden Euro zu. Zugleich stieg der Wert des Warenexports dorthin nur um 3,1 Prozent auf 106,8 Milliarden Euro. Der Außenhandelsumsatz erreichte fast 300 Milliarden Euro. Die USA und die Niederlande auf den Plätzen zwei und drei blieben dagegen unter der Marke von 250 Milliarden Euro. Wie sich der Warenverkehr mit China genauer darstellt, untersuchte das Kieler Institut für Weltwirtschaft IfW. Mitte Februar legten die Forscher im Policy Brief mit der markigen Überschrift Leere Regale made in China: Wenn China beim Handel mauert die Ergebnisse vor. Darin kamen sie zum Schluss, dass das Handelsdefizit weniger dramatisch ausfällt, als es die Zahlen vom Statischen Bundesamt nahelegen.

Laut IfW-Analyse entstammen über 80 Prozent der heimischen Produktion und über 70 Prozent des heimischen Konsums deutscher Eigenleistung. Vorprodukte aus China hätten an der deutschen Produktion lediglich einen Anteil von 0,6 Prozent. Am deutschen Endverbrauch, Konsum, betrage der Anteil 1,4 Prozent, so dass dieser von China abhängiger sei als die Produktion. Jedoch dominiere China bei einzelnen Rohstoffen und Produkten wie zum Beispiel bei seltenen Erden und Laptops oder Mobiltelefone, die sich nicht kurzfristig ersetzen ließen. „Um die Versorgungssicherheit in Bezug auf kritische Rohstoffe sowie Vor- und Endprodukte zu gewährleisten, braucht Deutschland dringend eine Strategie für mehr Diversifizierung. Dies wäre nicht nur die richtige Antwort auf zunehmende geopolitische Rivalitäten, sondern dient vor allem auch der Absicherung gegen Lieferengpässe“, mahnte daher Mitautor Alexander Sandkamp.

Abhängigkeit von Importen aus China und Taiwan

Abhängigkeit kostet Milliarden

In ihrem Buch Schockwellen prangert Energieexpertin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung DIW die deutsche Energiepolitik der letzten beiden Jahrzehnte an. „Mir war es wichtig, zurückzuschauen, damit wir die Fehler nicht wiederholen“, sagte sie in einem Interview mit NTV am 16. Februar. Am Beispiel von BASF erläuterte sie, wie eng die Kontakte zur Politik sind, und das Entscheidungen auf höchster Ebene beeinflusst. „Die präsentieren der Politik seit Jahren Mondzahlen für den Gasverbrauch und haben uns damit in dieses Energiedrama hineingeführt. BASF wird aber nicht zur Verantwortung gezogen, sondern indirekt sogar entschädigt. Ich halte die Expansion in China für einen Fehler, das ist auch in der Führungsebene des Konzerns nicht unumstritten. Denn auch dort sind problematische Entwicklungen und militärische Konflikte möglich.“ Dann rufe das Unternehmen als erstes nach Hilfe und Entschädigungen. „Es kann nicht sein, dass Konzerne mit ihren Hochrisikoinvestitionen die gesamte Volkswirtschaft in Mitleidenschaft ziehen“, kritisierte Kemfert.

Die Kosten beliefen sich auf „mehr als 300 Milliarden Euro für dieses Energiedesaster, weil man die Risiken ausgeblendet und einfach nicht mit einberechnet hat. So ähnlich ist es im Moment auch mit anderen Entscheidungen: Ohne geht es nicht, sonst gehen Arbeitsplätze verloren“, monierte Kemfert zum aktuellen Energiekurs. Auch wenn der Druck hoch gewesen sei, seien die Kapazitäten der Flüssigkeitsterminals völlig überdimensioniert. „Hätten wir die Erneuerbaren nicht ausgebremst, hätten sie bereits heute einen Anteil von 80 Prozent an der deutschen Energieversorgung haben können. Wir hätten 150.000 mehr wertvolle Industriearbeitsplätze gehabt, die wir heute dringend brauchen.“ Nach einem guten Start sei der Wettbewerbsvorteil wegen dieser Verflechtungen bestimmter Unternehmen mit der Politik verspielt worden. „Diese Abhängigkeit von Russland ist weltweit einmalig, das gibt es nur in Deutschland.“ Ein ähnliches Szenario mit China hält Kemfert nicht für klug.

Einstiger Solarpionier braucht Produkte Made in China

Geht es bei BASF und Linde um die Produktion von Synthesegas, ist die Branche der erneuerbaren Energie wie etwa die deutsche Solarwirtschaft in Sachen China längst ein gebranntes Kind und spürt die Auswirkungen bis heute. Als einstiger Solarpionier gingen nach Förderkürzungen deutsche Produzenten von Solarzellen und -modulen Konkurs oder wanderten aus, weil in China Gigafabriken mit staatlichen Subventionen entstanden. Der Hauptgeschäftsführer vom Bundesverband Solarwirtschaft BSW, Carsten Körnig, forderte jetzt im Februar deswegen: „Unterbrochene Lieferketten während der Corona-Pandemie sowie die Energiekrise haben die Sensibilität dafür geschärft, wie wichtig ein möglichst hoher Grad an technologischer Souveränität und industrieller Selbstversorgung ist. Um in der Energieversorgung die Widerstandfähigkeit gegenüber globalen Krisen zu erhöhen, bedarf es jetzt dringend einer Renaissance der Solarindustrie in Europa.“

Wie stark die Solarbranche von China abhängt, darüber berichteten Medien immer wieder. 80 Prozent der weltweiten Produktionskapazitäten für Solarenergie befänden sich in China. Nur ein Prozent sei in Deutschland. „Die aus dieser Konzentration entstehende Abhängigkeit birgt Risiken für die Energiewende in Deutschland und Europa“, warnten Unternehmen aus der Branche, darunter der Energiekonzerne Eon und kleinere Unternehmen wie Enpal, Pelion und Norsun, in einem Schreiben an die Bundesregierung. „Es gibt eine nicht wegzudiskutierende Abhängigkeit im höchsten Maße von China. Und die ist deutlich größer als die Abhängigkeit beim Thema Gas von Russland“, sagte ein Manager aus der Solarbranche. Neue Exportvorschriften auch für Solarprodukte könnten die Lage verschärfen.

Energiewende durch China am seidenen Faden

Ebenso ist der chinesische Hersteller BYD, Bild Your Dreams, gemessen an den installierten Speichersystemen im 1. Halbjahr 2022 mit einem Anteil von 23 Prozent an der Spitze des deutschen Heimspeichermarktes. Auch bei der verbauten Kapazität liegt BYD mit einem erzielten Anteil von 24 Prozent vor den deutschen Spitzenreitern Senec und Sonnen. Das ermittelte das Bonner Marktforschungsunternehmen EUPD Research anhand einer umfangreichen Anbieterbefragung, von Installateurs- und Endkundenbefragungen sowie ergänzenden Recherchen. In der Batteriebranche läuten längst die Alarmglocken, um die heimische Fertigung in Europa anzukurbeln und unabhängiger von Lieferketten inklusive China zu werden.

Martkanteile für Heimspeicher

Kommen keine Batterien und Solarmodule aus China, stockt die Installation von Solaranlagen auf Dächern und Freiflächen. Nicht nur Handwerker sind in diesem Fall rar, auch Solarmodule im Einkauf sind knapp, so dass Preise steigen. Diebstähle von Solarmodulen großer Freiflächenanlagen hat es tatsächlich schon gegeben. Um den Anteil des Solarstromverbrauchs zu erhöhen bzw. die Erzeugung und den Verbrauch auszugleichen, bieten sich Heimspeicher an. Sie gelten längst als notwendiges Modul für den Energiekreislauf mit erneuerbaren Energien. Auch die Elektromobilität hängt am seidenen Faden, wenn es nicht gelingt, die Produktion im großen Maßstab zu diversifizieren und/oder im eigenen Land anzusiedeln. Synthesegas made in China hat vor diesem Hintergrund seine Tücken. Ob das BASF, Linde Engineering und die Bundesregierung wirklich im Blick haben, ist eine Frage. Oder ist das einfach alternativlos, wie es sich Mantra artig eingeschlichen hat, wenn die Umkehr vorm Gipfel wegen Schlechtwetter besser angeraten scheint.



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3 Kommentare

  1. Das Fundament der Energieabhängigkeit wurde unter der Rot/Grünen Regierung Schröder/Fischer damit gelegt, dass Nord-Stream 1 geplant wurde. Und somit umgerechnet etwa 800 LNGTanker billiges Gas pro Jahr nach Deutschland kommen konnten. Dann wurde der Atomausstieg geplant, keine Speicher für Dunkelflauten gebaut, Nord-Stream 2 wurde nicht in Betrieb genommen, und dann haben unsere „Freunde“ nun dafür gesorgt, dass sie uns ihr teures und umweltfeindliches Frackinggas verkaufen können.
    Natürlich ist in den letzten 25 Jahren deutscher Energiepolitik noch mehr schiefgelaufen, aber das ist Nichts dagegen, wie sich die Energieversorgung der Zukunft auf das Leben in Deutschland auswirken wird.
    Es wird spannend.

    Viele Grüße aus Andalusien Helmut

  2. Abhängigkeit ?? was für ein Makel, so verstehe ich das. Macht mich sprachlos.
    Wir sind ein Industrieland, ohne Ressourcen,. Ja, Kohle, aber die darf auch nicht mehr gefördert werden. Gas in Niedersachsen, aber das darf auch nicht gefördert werden.
    Wir sind vom Handel anbhängig, daher die Wirtschaftsstärke.
    Man muss diversifizieren. Das ist sehr einfach gesagt. Und wohin ? in die USA ? Nach Afrika ? Asien ? Unsere Unternehmer waren schon sehr vorbildlich rege als sie neue Märkte in China erschlossen die hingrig waren nach deutschen Produkten. Sind das andere Länder auch ? können die bezahlen ?
    Aber wir wollen das andere von uns, unseren Produkten abhängig sind. Ein frommer Glaube. Und diese anderen abhängigen Länder wollen ebensowenig abhängig sein.
    Russland schwimmt sich, dank der Sanktionen gerade frei und beginnt wie schon 2014 nach den Sanktionen immer mehr selbst herzustellen. Um 2000 herum führte Russland fast alle Konsumgüter ein. Die Zeiten sind längst vorbei. Andere Länder machen das ebenso. Und dann ? wo bleiben wir ?
    Aber toll wir haben uns von der Abhängigkeit gelöst !!

    Wir werden immer von anderen abhängig sein. Dies als Makel hinzustellen ist realitätsfern.

    1. Hallo Ottonorma,
      aber da muss Deutschland nun durch.
      Wenn Ideologen erkennen, dass irgendewas so nicht funktionieren kann, dann werden die Anstrengungen in die falsche Richtung noch verdoppelt.
      Also erst noch einmal doppelt so viel Windräder, doppelt so viel Verschuldung, doppelt so viele E- Autos, doppelt so viele Zuwanderer, usw.
      Alle anderen Länder machen es natürlich anders, und lachen Deutschland aus, aber was interessiert das Ideologen.
      Das was sie haben und gut läuft wird stillgelegt und/oder abgestellt, oder erst gar nicht gefördert.

      Viele Grüße aus Andalusien Helmut

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