Märkte

Diesel und Benzin: „Eindringliche Warnung“ vor Engpass!

Gibt es eine Verknappung bei Diesel und Benzin? Blicken wir auf die Lage in den USA und auf die aktuellen Aussagen der IEA.

Benzin oder Diesel an der Zapfsäule tanken

Steht global eine Verknappung bei Diesel und Benzin an? Die Internationale Energie-Agentur (IEA) verkündet heute in ihrem Ölmarktbericht für Mai Hinweise für ein aufkommendes Problem. Der Rohstoffexperte Javier Blas formuliert es als Kommentar zum IEA-Bericht aktuell so: In den vielen Jahren seiner Berichterstattung über die IEA habe er selten eine so „eindringliche Warnung“ vor Engpässen bei raffinierten Erdölerzeugnissen gesehen – es gehe um erschöpfte Vorräte bei Diesel, Benzin etc und himmelhohen Raffinerie-Margen, die die Inflation in die Höhe treiben. Javier Blas erwähnt auch, dass aktuell an der Ostküste der USA Heizöl und Diesel knapp wird. Die Lagerbestände hätten dort gerade ein 32-Jahrestief erreicht.

IEA mit Aussagen über Ölprodukte wie Benzin, Diesel und Flugzeugtreibstoff

Schauen wir auf die Aussagen der IEA, die wir hier auszugsweise übersetzt besprechen wollen. Unter anderem ist die Rede von einer „fast durchgängigen Produktknappheit“, womit Produkte wie Benzin oder Diesel gemeint sind. Weltweite Wartungsarbeiten an Raffinerien und Kapazitätsengpässe verschärfen die durch den russischen Krieg in der Ukraine verursachten Verwerfungen. Im April gab es auf den Rohöl- und Produktmärkten unterschiedliche Trends. Während die Rohölpreise insgesamt zurückgingen, stiegen die Preise für Diesel und Benzin auf Rekordniveau, was die Raffinerie-Margen und die Endverbraucherpreise laut IEA in die Höhe trieb.

Begrenzte Kapazitätsreserven im weltweiten Raffineriesystem sowie geringere Exporte von russischem Heizöl, Diesel und Benzin haben laut IEA die angespannte Lage auf den Produktmärkten verschärft, die nun schon sieben Quartale in Folge einen Rückgang der Lagerbestände zu verzeichnen haben. Während eine erste Tranche von staatlichen Reserve-Freigaben (in westlichen Ländern) den rapiden Rückgang der Lagerbestände der OECD-Industrie im März aufhielt, entfiel laut IEA der Großteil davon auf Rohöl – und die Produktbestände (Benzin, Diesel) seien weiter gesunken. Vor allem die Vorräte an Mitteldestillaten erreichten den niedrigsten Stand seit April 2008.

Die weltweiten Raffinerie-Margen sind laut IEA aufgrund der erschöpften Produktvorräte und der eingeschränkten Raffinerietätigkeit auf ein außergewöhnlich hohes Niveau gestiegen. Im April sank der Durchsatz um 1,4 mb/d (Millionen Barrels pro Tag) auf 78 mb/d, den niedrigsten Stand seit Mai 2021, was hauptsächlich auf China zurückzuführen sei. Bis August wird ein Anstieg der Fördermengen um 4,7 mb/d prognostiziert, doch dürfte die Anspannung auf den Produktmärkten auf der Grundlage der aktuellen IEA-Ölnachfrageprognose anhalten.

Weitere wichtige Aussagen der IEA

Die IEA prognostiziert, dass sich das Wachstum der weltweiten Ölnachfrage von 4,4 mb/d im ersten Quartal 2022 auf 1,9 mb/d im zweiten Quartal 2002 verlangsamen wird, und dass es in der zweiten Jahreshälfte aufgrund eines gemäßigteren Wirtschaftswachstums und höherer Preise auf durchschnittlich 490 kb/d zurückgehen wird. Mit der Zunahme des sommerlichen Autoverkehrs und der weiteren Erholung des Flugzeugtreibstoffs soll die weltweite Ölnachfrage von April bis August um 3,6 mb/d steigen. Für 2022 wird ein durchschnittlicher Anstieg der Nachfrage um 1,8 mb/d auf 99,4 mb/d erwartet.

Russland schaltete laut IEA im April fast 1 mb/d ab, wodurch das weltweite Ölangebot um 710 kb/d auf 98,1 mb/d zurückging. Im Laufe der Zeit dürften stetig steigende Mengen aus den OPEC+-Ländern des Nahen Ostens und den USA zusammen mit einer Verlangsamung des Nachfragewachstums ein akutes Angebotsdefizit inmitten einer sich verschärfenden russischen Lieferunterbrechung abwenden. Ohne Russland dürfte die Produktion der übrigen Welt von Mai bis Dezember um 3,1 mb/d steigen. Die hohen Rohölpreise und die außergewöhnliche Produktknappheit unterstützen laut Meinung der IEA die starken Inflationstendenzen.

Die Isolation Russlands nach seinem Einmarsch in der Ukraine vertieft sich laut Meinung der IEA, da die EU und die G7 härtere Sanktionen in Erwägung ziehen, die auch einen vollständigen Stopp der Ölimporte aus dem Land vorsehen. Sollten die neuen Embargos beschlossen werden, würden sie die bereits eingeleitete Neuausrichtung der Handelsströme beschleunigen und die russischen Ölgesellschaften dazu zwingen, weitere Ölquellen stillzulegen. Dennoch wird erwartet, dass die stetig steigende Produktion in anderen Ländern in Verbindung mit einem langsameren Nachfragewachstum, insbesondere in China, ein akutes Angebotsdefizit in naher Zukunft abwenden wird. Angesichts der zunehmenden Unsicherheiten bei Angebot und Nachfrage sei die Volatilität auf dem Ölmarkt nach wie vor groß, aber die Preise werden in einer niedrigeren und engeren Spanne von 10 $/Barrel über 100 $/Barrel gehandelt. Brent wurde zuletzt mit 105 $/bbl und WTI mit 102 $/bbl gehandelt.

Trotz des zunehmenden internationalen Drucks und der sinkenden Ölproduktion haben sich die russischen Exporte laut IEA-Aussage bisher im Großen und Ganzen gehalten. Doch jetzt bauen die großen Handelshäuser ihre Geschäfte ab, bevor am 15. Mai die Frist für die Einstellung aller Transaktionen mit den staatlich kontrollierten Unternehmen Rosneft, Gazprom Neft und Transneft abläuft. Nach einem Angebotsrückgang von fast 1 mb/d im April könnten sich die Verluste in der zweiten Jahreshälfte auf etwa 3 mb/d ausweiten.

Die steigenden Preise an den Zapfsäulen und die Verlangsamung des Wirtschaftswachstums dürften die Nachfrageerholung im weiteren Verlauf des Jahres und bis ins Jahr 2023 erheblich bremsen. Darüber hinaus führen ausgedehnte Abriegelungen in ganz China, wo die Regierung darum kämpft, die Ausbreitung von Covid-19 einzudämmen, nach Meinung de IEA zu einer deutlichen Verlangsamung im zweitgrößten Ölverbraucher der Welt. Für das gesamte Jahr 2022 wird eine durchschnittliche globale Ölnachfrage von 99,4 mb/d prognostiziert, 1,8 mb/d mehr als im Vorjahr.

Da die Beschränkungen in China gelockert werden, der Sommerverkehr zunimmt und sich der Flugzeugtreibstoff weiter erholt, wird die weltweite Ölnachfrage von einem Tiefstand im April bis August um 3,6 mb/d steigen. Wenn die Raffinerien nicht Schritt halten können, könnten die Produktmärkte (Diesel, Benzin etc) und die Verbraucher laut IEA zusätzlich unter Druck geraten.

Was ist die wichtigste Headline-Aussage der IEA zu ihrem Bericht? Die dramatische Verknappung bei Diesel und Benzin wegen den Problemen bei Raffinerien? Nein. Auf Twitter sieht man von der IEA, welche zwei Sätze offenbar am wichtigsten sein sollen: „Neue Embargos für russische Öllieferungen würden die Umlenkung der Handelsströme beschleunigen und die russischen Unternehmen dazu zwingen, weitere Bohrungen zu schließen. Die steigende Produktion in anderen Ländern und das langsamere Nachfragewachstum werden jedoch in naher Zukunft ein akutes Angebotsdefizit abwenden.“

 



Kommentare lesen und schreiben, hier klicken

Lesen Sie auch

4 Kommentare

  1. Die Energie- und Rohstoffpolitik von Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck, der EU und der G7 ist auf Kante genäht. Der für Wirtschaft und Energie zuständige CDU/CSU-Fraktionsvize Jens Spahn erklärt in einer Aktuelle Stunde im Deutscher Bundestag zum Thema Auswirkungen eines möglichen russischen Öl-Embargos, dies habe eben alles Staatspräsident Wladimir Wladimirowitsch Putin zu verantworten. Defizite bei der Ukraine/Streumunition wurden also wieder einmal verkannt. Möglicherweise entstehen aufgrund der im Artikel genannten aktuellen Energie- und Rohstoffsituation/Ölprodukte unnötige Risikoprämien auf dem Ölmarkt, welche eventuell einen steigenden Ölpreis mit sich bringen.

  2. FMW informiert sehr aktuelle und jeweils mit Tiefgang.

    Danke

    1. @Peter

      Ja und so praktisch. Man weiß dann immer rechtzeitig, wann man volltanken und die Kanister füllen muss😂.

  3. Wer als Investor richtig Ärger bekommen möchte, versucht sein Geld in die Kette zu stecken, die ablaufen muss, um Öl zu finden, und die Produktion soweit aufzubauen, bis an der Tankstelle die Autotanks damit befüllt werden können.
    Natürlich werden die Wartungs-und Reparaturarbeiten bei einer alternden Technik immer zeitaufwendiger und teurer.
    Aber, es soll ja auch nun bald immer mehr elektrisch gefahren, geheizt und produziert werden.
    Und der grüne Wasserstoff wird universell alle thermischen Produktionen anheizen.
    Nur- wo sind die zehntausende von Windräder, Soĺaranlagen und Stromspeicher, mit denen das eventuell teilweise möglich wäre?
    Autos die den Strom verbrauchen können, werden ja hoch subventioniert. Zum „Ausgleich“ werden weitere Kraftwerke abgestellt, die grünen Hüpfer stellen Ölpipelines ab, kleben sich auf Straßen fest, und drohen mit der Zerstörung von Industrieanlagen.
    Man müsste das Buch „die Bürger von Schilda“ mal auf den neusten Stand bringen, indem das beschrieben wird, was speziell in Deutschland in Richtung Energiewende abläuft.
    Aber es wurde so geplant, und in Gesetze gegossen.
    Nur nicht jammern, wenn alles (einschließlich Lebensmittel) nicht nur knapp, sondern sehr sehr teuer wird.

    Viele Grüße aus Andalusien Helmut

Hinterlassen Sie eine Antwort

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert




ACHTUNG: Wenn Sie den Kommentar abschicken stimmen Sie der Speicherung Ihrer Daten zur Verwendung der Kommentarfunktion zu.
Weitere Information finden Sie in unserer Zur Datenschutzerklärung

Meist gelesen 7 Tage