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Europa kauft immer mehr Diesel aus Indien – „schlimmer“ Verdacht

Europa kauft deutlich mehr Diesel aus Indien, gleichzeitig kauft Indien deutlich größere Rohöl-Mengen in Russland. Hier dazu aktuelle Daten.

Öl-Tanker
Öl-Tanker. Foto: Evrenkalinbacak - Freepik.com

Europa verbannt Öl und Gas aus Russland so gut es geht aus seinen Lieferketten, um dem Land möglichst viele Einnahmen vorzuenthalten, die Moskau für den Krieg gegen die Ukraine brauchen kann. Aber dass diese Sanktionen nicht wirklich funktionieren, ist schon seit geraumer Zeit ein offenes Geheimnis. Genau so, wie Russland wichtige westliche Technologie und Industriegüter über Drittländer einkauft, so verkauft man seine Rohstoffe offenkundig auch über Drittländer, die sie wiederum nach Europa weiterverkaufen. Indien ist hierfür ein sehr gutes Beispiel.

Russland verkauft Rohöl nach Indien

Man kann nicht mit 100 % Sicherheit sagen, dass exakt dieses „Ölfass“ aus Russland in einer indischen Raffinerie umgewandelt und dann nach Europa verkauft wird. Aber die Daten sind doch ziemlich eindeutig. Die Öllieferungen (Rohöl) von Russland nach Indien haben massiv zugenommen seit Kriegsausbruch. Und gleichzeitig sehen wir, wie die Ausfuhren von Diesel aus Indien Richtung Europa kräftig ansteigen. Hier dazu aktuelle Daten.

Europa kauft jede Menge Diesel aus Indien

Europa hat vor fast einem Jahr die meisten Öllieferungen aus Russland verboten, aber es konsumiert Diesel, der möglicherweise aus russischem Rohöl hergestellt wurde. Daten des Marktforschungsunternehmens Kpler zeigen laut Bloomberg, dass die europäischen Diesel-Importe aus Indien, einem der größten Abnehmer von russischem Rohöl, auf 305.000 Barrel pro Tag ansteigen werden, so viel wie seit mindestens Januar 2017 nicht mehr (siehe Grafik).

Obwohl nicht mit Sicherheit gesagt werden kann, dass jedes einzelne Molekül aus Russland stammt – Indien verarbeitet auch Öl aus anderen Ländern -, haben Moskaus Lieferungen den indischen Raffinerien die Möglichkeit gegeben, reichlich Diesel zu produzieren und die Exporte zu steigern. Zu den im November in Europa eingetroffenen Lieferungen gehört eine seltene Lieferung der in Mumbai ansässigen Nayara Energy Ltd, die nach Angaben von Kpler in diesem Jahr fast 60 % ihres Rohöls aus Russland importierte. Reliance Industries Ltd., Europas wichtigster Lieferant von indischem Diesel, bezieht mehr als ein Drittel seines Rohöls aus Russland, wie die Zahlen zeigen.

Europa importiert immer mehr Diesel aus Indien

Deutliche Veränderungen in den Lieferketten

Der Anstieg der Diesel-Importe aus Indien verdeutlicht auch eine grundlegende Veränderung im Ölhandel infolge des Krieges des Kremls in der Ukraine. Vor einem Jahr war Russland Europas wichtigster Lieferant von Diesel, einem für die Industrie und den Verkehrssektor lebenswichtigen Kraftstoff. Im Dezember verbot die Europäische Union die meisten Einfuhren von russischem Rohöl auf dem Seeweg und im Februar auch von Ölprodukten.

Daraufhin haben sich Europa und Großbritannien um Diesel-Lieferungen von anderen Märkten bemüht. Indien trägt dazu bei, eine Versorgungslücke zu schließen, da die europäischen Einfuhren aus den USA, der Türkei und Saudi-Arabien im November zurückgingen. Die Anlieferungen von saudischem Diesel dürften auf etwa 94.000 Barrel pro Tag sinken, den niedrigsten Stand seit Februar 2020. Die Verfügbarkeit saudischer Fässer ist im Oktober und November aufgrund geplanter Wartungsarbeiten an lokalen Raffinerien stark zurückgegangen, was das Interesse an indischem Diesel erhöht hat“, so Eugene Lindell, Leiter des Bereichs Raffinerieprodukte beim Branchenberater Facts Global Energy.

Wettbewerbsvorteil für Indien

Während der Westen russisches Öl meidet, hat Moskau in Asien einen größeren Appetit auf sein Rohöl gefunden. Indische Raffinerien sind in der Lage, russisches Rohöl mit einem Preisnachlass zu kaufen und das verarbeitete Öl auf Märkten wie Europa zu verkaufen, wo Diesel stark gefragt ist. „Die 1,6 bis 1,8 Millionen Barrel russisches Rohöl pro Tag, die indische Raffinerien kaufen, schaffen einen Wettbewerbsvorteil, den andere nicht haben“, so Viktor Katona, leitender Rohölanalyst bei Kpler.

Entwicklung der europäischen Diesel-Importe je nach Exportland

Der Anteil des indischen Diesel-Kraftstoffs, der nach Asien fließt, macht jetzt etwa 19 % der Gesamtexporte des Landes aus, verglichen mit 33 % im letzten Jahr, sagte er. Ein Großteil dieser Menge wurde nach Europa umgeleitet. Insgesamt werden die europäischen Einfuhren von Diesel und Gasöl in diesem Monat auf 935.000 Barrel pro Tag steigen, was einem Anstieg von 5 % gegenüber Oktober entspricht, wie die Daten von Kpler zeigen.

FMW/Bloomberg



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5 Kommentare

  1. Die Republik Indien bekennt sich zu einer multipolaren Außenwirtschaftspolitik.

  2. Deutschland verzichtet auf den Direktbezug von günstigem russischem Öl bzw. Diesel, kauft es aber deutlich teurer über Drittländer wie Indien. Ein wahrer Geniestreich, auf den eine unabhängige Regierung nie gekommen wäre.

  3. Wird Zeit dass wir der Realität ins Auge blicken und wieder umweltfreundliches Erdgas durch die verbliebene Nord Stream Röhre aus Russland importieren. Die Umwelt und unsere Wirtschaft werden es uns danken. Keine Waffen ins Kriegsgebiet und Neutralität wahren wäre außerdem hilfreich. Dann könnte unsere Außenministerin endlich Mal ihren Job machen und aufrichtige Friedensinitiativen starten.

    Leider hat unser großer Bruder aus Übersee noch etwas dagegen und unsere Politiker dazu nicht die Eier. Aber was nicht ist kann ja noch werden..

    1. @cuibono, Sie schätzen die Haltung der deutschen Politik falsch ein und sie überschätzen im Gegenzug die Homogenität der US-amerikanischen Position. Dort wird ja tatsächlich kontrovers diskutiert, Artikel in der Weltleitpresse und auch die ersten Neocons dekonstruieren Positionen, die sie vor einem Jahr noch startk gehalten hatten. Dito im Israel-Palästina Konflikt, wo Frau Bearbock, von der Friedenstaubenpartei, sich weigerte über einen Waffenstillstand auch nur zu reden, während Joe Biden, der wahrlich keine Taube ist, schon darauf drängte. Er reagierte damit auch auf Druck aus seiner eigenen Partei, wo nicht alle glücklich damit sind, wenn aus einer Art kolonialen Strafexpedition ein Genozid wird.

      Die deutschen Politiker sind Fanatiker, keine verkappten Realpolitiker, die sich am nationalen Interesse orientieren würden, wenn Washington ihnen nur Leine ließ. Die waren auch nicht erschüttert und eingeschüchtert, als man Nordstream sprengte, eher ein wenig verlegen und deswegen wollten sie auch nicht darüber reden. Sehen Sie sich zum Vergleich Orban in Ungarn an, der schon die ganze Zeit eine zur EU konträre, am nationalen Interesse orientierte Politik verfolgt und dem rein gar nichts passiert ist. Die EU fletscht die Zähne, Orban töbert zurück und das war es dann. Dass die Deutschen jetzt Russendiesel aus Indien kaufen, ist ein Umgang mit der Sünde, der für sie gerade eben so akzeptabel ist, kein Diktat aus dem Weißen Haus.

  4. Neinnn, dass das russische Öl über DRITTSTAATEN zu uns kommen würde… DAMIT musste die EU beim Stopp russischer Ölimporte wirklich nicht rechnen. Aber es war schon immer etwas teurer, ein gutes Gewissen zu haben. Danke EU, danke Ampel!!

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