Anleihen

Dekarbonisierung von Unternehmensanleihen EZB weit weg vom Kernauftrag? Jetzt kümmert man sich um Klimasünder

Die EZB hat heute in einer offiziellen Mitteilung erläutert, wie sie ihre "Bestände an Unternehmensanleihen dekarbonisieren" will.

Die EZB-Zentrale in Frankfurt

Der Auftrag der EZB lautet laut Bundesfinanzministerium: „Sie ist mit der Geldpolitik der europäischen Gemeinschaftswährung betraut und in erster Linie für die Wahrung der Preisstabilität im Euroraum zuständig“. Die EZB selbst sagt über ihre Aufgaben, auszugsweise: „Unser vorrangiges Ziel ist die Gewährleistung von Preisstabilität im Interesse des Gemeinwohls. Als führende Instanz im Finanzsektor trägt das Eurosystem außerdem eine besondere Verantwortung für die Stabilität des Finanzsystems und die Förderung der Finanzmarktintegration in Europa. Glaubwürdigkeit, Vertrauen, Transparenz und Rechenschaftspflicht sind tragende Werte bei der Umsetzung unserer Ziele.“ Man hört es schon seit einiger Zeit – die EZB hat sich auch Klimaschutz auf ihre Fahnen geschrieben. Was aber hat das noch mit dem Thema Preisstabilität zu tun?

Die EZB erläutert heute per offizieller Mitteilung, wie sie „ihre Bestände an Unternehmensanleihen dekarbonisieren“ will. Die Dekarbonisierung soll auf einer emittentenspezifischen Klimabilanz beruhen. Es soll eine Umschichtung der Bestände an Unternehmensanleihen zugunsten von Emittenten mit besserer Klimabilanz stattfinden. Die Umschichtung soll für alle Käufe von Unternehmensanleihen gelten, die ab dem 1. Oktober 2022 abgewickelt werden.

Bloomberg schreibt dazu: Die EZB wird den Ankauf von längerfristigen Schuldtiteln von Unternehmen begrenzen, die bei einem neuen Bewertungssystem zur Erfassung klimaverändernder Emissionen schlecht abschneiden. Die Begrenzung werde die “längerfristige Exponiertheit des Eurosystems gegenüber Transformationsrisiken” verringern, heißt es in der heutigen Mitteilung. Die EZB werde außerdem grünen Anleihen, die “strenge Anforderungen” erfüllen, eine “besondere Behandlung” zuteil werden lassen und mehr Wertpapiere von Unternehmen mit hoher Punktzahl kaufen.

Es ist der erste detaillierte Blick auf die Art und Weise, wie die EZB die in den kommenden Jahren erwarteten “beträchtlichen Rückzahlungen” reinvestieren wird. Etwa 30 Milliarden Euro – 10% ihres Portfolios an Unternehmensanleihen – werden jedes Jahr im Rahmen eines Plans zur Bekämpfung des Klimawandels reinvestiert, der als der weitreichendste unter den Notenbanken angesehen wird.

Die Initiative zur Umschichtung von Vermögenswerten werde die EZB in die Lage versetzen, ihr doppeltes Ziel zu erreichen: Die Verringerung des klimabezogenen finanziellen Risikos und die Unterstützung des “grünen Transformationsprozesses der Wirtschaft im Einklang mit den Klimaneutralitätszielen der Europäischen Union”, so die EZB.

Zentralbanken auf der ganzen Welt stehen laut Bloomberg unter Druck von Interessengruppen, mehr für die Einhaltung des Pariser Abkommens zu tun. Ein Dutzend gemeinnütziger Organisationen drängte die EZB in diesem Monat, wissenschaftlich fundierte Emissionsreduktionsziele zur Bedingung zu machen, da sie befürchten, dass die Unternehmen übertriebene Angaben machen. Die EZB trifft ihre Entscheidungen unabhängig und unterwirft diese keiner demokratischen Kontrolle.

Heute erklärte die EZB, dass Emittenten, deren Dekarbonisierungspläne wissenschaftlich fundiert und von einer dritten Partei überprüft sind, im Rahmen ihres neuen Bewertungssystems bessere Noten erhalten werden. Höhere Einstufungen bedeuten mehr Käufe. Die EZB hat angekündigt, dass sie den Maßstab für ihre Käufe zugunsten der besser bewerteten Emittenten verschieben und die Obergrenzen für die Käufe der einzelnen Emittenten anheben wird, damit sie mehr Anleihen der besser bewerteten Emittenten kaufen kann.

In der Vergangenheit hat die EZB mehr Anleihen von großen Emittenten gekauft. In Zukunft wird die Größe der Marktkapitalisierung durch den Klima-Score ergänzt. Dieser setzt sich aus drei Teilen zusammen: vergangene Emissionen, einschließlich der Verschmutzung auf Sektorebene (Scope 3), die durch die Nutzung eines Produkts oder einer Dienstleistung verursacht wird; künftige Emissionen, einschließlich der Pläne zur Emissionsreduzierung; und die Qualität der Offenlegung.

Die EZB sagte, sie werde Unternehmen bevorzugen, die “qualitativ hochwertige” Emissionsberichte und ehrgeizige Dekarbonisierungspläne vorlegen. Unternehmen, die keine selbstberichteten Emissionsdaten haben, nur wenige Informationen zur Verfügung stellen und nur schwache oder gar keine Pläne zur Bekämpfung des Klimawandels haben, erhalten eine niedrige Punktzahl.

Die EZB hat erklärt, dass sie die Klimabilanz der einzelnen Emittenten nicht veröffentlichen wird, um die Wirksamkeit ihrer Ankäufe nicht zu beeinträchtigen und ihre geldpolitischen Ziele, einschließlich des Inflationsziels, nicht zu gefährden. Diese werden weiterhin das Gesamtvolumen der Anleihekäufe bestimmen.

Im Laufe der Zeit werde der Auswahlprozess zu einer verbesserten durchschnittlichen Klimabilanz für das gesamte Portfolio führen und einen Weg weisen, der die Einhaltung des Pariser Abkommens gewährleistet, so die EZB. Sie erklärte, dass sie nach einem Jahr überprüfen werde, wie gut der Ansatz funktioniert, und ihn bei Bedarf ändern könne.

FMW/Bloomberg/EZB



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