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Aktuelle Umfrage Fed senkt Zinsen kräftig? Ökonomen gegen Märkte

Die Märkte erwarten am 18. September um 0,50 Prozentpunkte sinkende Fed-Zinsen. Die allermeisten Ökonomen sind da viel passiver.

Fed-Zentrale in Washington DC
Fed-Zentrale. Foto: Erin Scott/Bloomberg

Die Märkte haben dank schwacher Konjunkturdaten aus letzter Woche ganz klar die Richtung vorgegeben: Bei der nächsten Entscheidung am 18. September wird die US-Notenbank Fed die Zinsen um satte 0,50 Prozentpunkte senken. Kurzzeitig lag die Wahrscheinlichkeit dafür vor einer Woche bei 99,5 % laut dem CME Fed Watch Tool. Aktuell sind es 54,5 %. Mit 45,5 % Wahrscheinlichkeit wird es eine Zinssenkung um 0,25 Prozentpunkte (Zins aktuell 5,25 % bis 5,50 %).

Sinkende Fed-Zinsen? Ökonomen passiver als Märkte

Ökonomen sehen die ganze Angelegenheit deutlich passiver als die Märkte. Eine große Mehrheit aktuell befragter Ökonomen sieht im September nur eine Senkung der Zinsen um einen Viertelpunkt – ein Ergebnis, das im Widerspruch zu den Forderungen einiger großer Wall-Street-Banken nach einer Jumbo-Senkung bei der nächsten Sitzung steht. Fast vier Fünftel der von Bloomberg befragten Ökonomen gehen davon aus, dass die Federal Reserve die Zinsen am 18. September auf eine Spanne von 5 % bis 5,25 % senken wird, wobei die meisten anderen eine stärkere Senkung vorhersagen. Der Median der Prognosen zeigt eine Wahrscheinlichkeit von nur 10 % für eine seltene Zinsanpassung vor der geplanten Sitzung.

Nach einem schwächer als erwartet ausgefallenen Arbeitsmarktbericht im Juli, in dem sich die Zahl der Neueinstellungen deutlich verlangsamte und die Arbeitslosenquote auf den höchsten Stand seit fast drei Jahren anstieg, haben die Entscheidungsträger der Fed die Notwendigkeit aggressiver Maßnahmen zurückgestellt. Gleichzeitig haben die Fed-Direktoren unter der Leitung des Vorsitzenden Jerome Powell erklärt, dass sie ihrem Vollbeschäftigungsmandat mehr Gewicht beimessen, während sie sich weiterhin bemühen, die Inflation auf ihr 2 %-Ziel zu senken.

Grafik zeigt Erwartungen der Ökonomen an die Höhe der Fed-Zinsen

Einige große Wall-Street-Banken, darunter JPMorgan und Citigroup, änderten ihre Prognosen nach dem Arbeitsmarktbericht der letzten Woche und sagten für den nächsten Monat eine Senkung der Zinsen um einen halben Punkt voraus. Die Futures-Anleger reagierten darauf, indem sie eine Senkung um 100 Basispunkte bis zum Jahresende einpreisten, beginnend mit einer Senkung um 50 Basispunkte im nächsten Monat.

Die Ökonomen waren sich jedoch einig, dass die Fed auf ihren Sitzungen im September, November und Dezember sowie im ersten Quartal 2025 einen kleineren Schritt bei den Zinsen von einem Viertelpunkt vornehmen würde. Die 51 Ökonomen wurden vom 6. bis 8. August im Zuge des weltweiten Ausverkaufs der Märkte befragt. Rufe nach einer großen Zinssenkung „sind übertrieben und eine Kurzschlussreaktion“, sagte Ryan Sweet, Chefökonom für die USA bei Oxford Economics. „In der Vergangenheit hat der Offenmarktausschuss der US-Notenbank die Zinsen zwischen den Sitzungen immer dann um mehr als 25 Basispunkte gesenkt, wenn es einen eindeutig negativen wirtschaftlichen Schock gab oder wenn die Daten schlechter waren als bisher.

Was Bloomberg Economics dazu sagt:“Bloomberg Economics geht davon aus, dass die Fed die Zinsen im September um 50 Basispunkte senken wird, gefolgt von Zinssenkungen um jeweils 25 Basispunkte auf den beiden folgenden Sitzungen, so dass sich die Zinssenkungen in diesem Jahr auf insgesamt 100 Basispunkte belaufen werden.“
– Anna Wong

Arbeitsmarkt abgeschwächt, aber solide

Zwei Tage vor den neuen Arbeitsmarktdaten ließen die Entscheidungsträger der Fed die Zinsen unverändert, signalisierten aber, dass sie einer Senkung der Kreditkosten näher stehen. Powell sagte, dass eine Zinssenkung bereits bei der September-Sitzung der Zentralbank angebracht sein könnte. Fed-Vertreter haben die Abkühlung des Beschäftigungswachstums als Zeichen einer sich verlangsamenden Wirtschaft, aber nicht als Hinweis auf eine Rezession gesehen. Das Wachstum bewegt sich weiterhin auf einem „ziemlich stabilen Niveau“, sagte der Präsident der Chicago-Fed, Austan Goolsbee, am Montag. Am selben Tag sagte die Präsidentin von San Francisco, Mary Daly, dass sich der US-Arbeitsmarkt zwar verlangsame, aber „einigermaßen solide“ sei.

In der Umfrage bezeichneten 60 % der Ökonomen den Arbeitsmarkt als solide, wenn auch etwas abgeschwächt, und weitere 24 % sagten, er habe sich deutlich abgeschwächt, werde sich aber wahrscheinlich stabilisieren. Nur 16 % sagten voraus, dass erhebliche Arbeitsplatzverluste zu erwarten sind.

Zinsen außerplanmäßig senken?

Was eine Verschiebung der Zinsen zwischen den Sitzungen anbelangt, so wäre nach Ansicht von 46 % der Ökonomen ein Schock nötig, wie z. B. eine Störung der Kreditmärkte und Liquiditätsprobleme, damit dies geschieht. „Wir glauben, dass die Finanzmärkte die Fed zu einer Zinssenkung zwingen könnten, halten die Daten der letzten Woche aber nicht für einen ausreichenden Grund“, sagte Stephanie Roth, Chefvolkswirtin bei Wolfe Research. „Die Finanzbedingungen sind wichtig, und die Fed könnte gezwungen sein, die Straffung auszugleichen – aber das ist nicht unser Basisfall.“

Grafik zeigt Erwartungen von Ökonomen an die Entwicklung der US-Konjunktur

Trotz der jüngsten Marktturbulenzen und der sich verlangsamenden Wirtschaft sagen 69 % der Befragten eine weiche Landung ohne Rezession voraus, während weitere 10 % eine weiche Landung sehen, wenn die Fed bei den Zinsen rasch und aggressiv handelt. Nur 22 % sagen eine Rezession voraus. Während Powells Amtszeit als Vorsitzender hat der Offenmarktausschuss der US-Notenbank nur in Notfällen übergroße Schritte unternommen. In den ersten beiden Märzwochen 2020 senkte er seinen Leitzins um 1,5 Prozentpunkte, um schnell den Nullpunkt zu erreichen, als die Coronakrise die US-Wirtschaft zu stürzen begann. Im Jahr 2022 hob der FOMC die Zinsen angesichts der eskalierenden Inflation in 50- und 75-Basispunkt-Schritten an.



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2 Kommentare

  1. Dr. Sebastian Schaarschmidt

    Die Märkte sind süchtig nach neuer Liquidität- da kömmt es natürlich schlecht, wenn die Zinsen nicht sinken…

  2. Die ganze Zinssenkungsprognosekrämerei gleicht einer Muppets-Show, wo deren glorreich in Erscheinung tretende, zukünftige Anführer, zwischen Belanglosigkeit und Träumerei perfekt hineinpassen wird.

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