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Ist eine neue Eurokrise jetzt unausweichlich?

Fotomontage für die Eurokrise - kommt sie zurück?

Die bereits vor der Coronavirus-Krise hoch verschuldeten Länder Italien und Spanien sind besonders stark von der Pandemie betroffen. Die italienische Volkswirtschaft wurde durch die Schließung fast aller Betriebe de facto lahmgelegt. Die Stabilitätskriterien für die Eurozone sind bis auf Weiteres außer Kraft gesetzt. Wird die Gemeinschaftswährung diesen Stresstest überstehen oder rutschen wir jetzt in die finale Eurokrise?

Italien hat das Potenzial eine neue Eurokrise auszulösen

Italien und Spanien stehen auf Platz zwei und vier der weltweit am meisten von der Coronavirus-Krise betroffenen Staaten. Die Staatsverschuldung Spaniens liegt mit fast 97,9 Prozent gemessen am Bruttoinlandsprodukt gut zwei Drittel über der Maastricht-Obergrenze der erlaubten 60 Prozent. Italien liegt mit 137,3 Prozent Staatsverschuldung sogar 129 Prozent über diesen Stabilitätskriterien für die Länder der Eurozone. Mit fast 60.000 Infizierten und über 5.476 Todesopfern hat es ausgerechnet Italien nun besonders hart getroffen. Der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte sah sich daher am Abend des 22. März dazu gezwungen, die Schließung aller Betriebe, die nicht der Grundversorgung dienen, anzuordnen.

In der Folge ist mit einer zumindest vorübergehend sehr tiefen Rezession im Stiefelstaat zu rechnen. Eine fiskalische Negativspirale aus wegbrechenden Steuereinnahmen und einer Explosion der Kosten für Gesundheit, Soziales und Konjunkturstützung droht Italiens Staatsfinanzen nun endgültig in Schieflage zu bringen. Mit bereits jetzt über 2,5 Billionen Euro an ausstehenden Schulden hat der Stiefelstaat als drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone das Potenzial, eine neue und vielleicht finale Eurokrise auszulösen.

Reicht ein weiteres „Whatever it takes“ der EZB, um eine neue Eurokrise zu vermeiden?

Am Kapitalmarkt begannen die Investoren das höhere Ausfallrisiko italienischer Staatsobligationen bereits einzupreisen und die Zinsen stiegen bis Mitte März signifikant an: Die Renditen für zehnjährige italienische Papiere schossen von 0,9 Prozent noch vor einem Monat bis zum 17. März auf 2,4 Prozent nach oben. Der dynamische Anstieg der Refinanzierungskosten nahm in Anbetracht des Geldbedarfs Roms am Kapitalmarkt gefährliche Dimensionen an.

Diese Entwicklung wurde in der vergangenen Woche von der Europäischen Zentralbank (EZB) zunächst gestoppt. Im Kampf gegen die ökonomischen Folgen der Coronavirus-Pandemie und zur Vermeidung einer neuerlichen Eurokrise hatte die Notenbank in der Nacht zum vergangenen Donnerstag ein gigantisches QE-Programm in Höhe von zusätzlich 750 Mrd. Euro bis Ultimo 2020 aufgelegt. Das neue Gelddruck- und Anleihekauf-Programm ergänzt die bereits vorhandenen QE-Programme in Höhe von 360 Mrd. Euro für 2020 und trägt den hippen Namen „PEPP“, was für Pandemic Emergency Purchase Programme steht. Im Rahmen von „PEPP“ sollen Wertpapiere der öffentlichen Hand und der Privatwirtschaft in der gesamten Eurozone gekauft werden.

Die EZB-Präsidentin Christine Lagarde kündigte das Programm via Twitter mit den Worten an: „Außergewöhnliche Zeiten erfordern außergewöhnliches Handeln“. Und Lagarde weiter: „Wir sind im Rahmen unseres Mandats entschlossen, das volle Potenzial unserer Werkzeuge auszuschöpfen“. Der EZB-Rat weicht außerdem die Kriterien auf, welche Papiere von der Notenbank angekauft werden können. So sollen nun auch griechische Staatsanleihen auf der Bilanz der EZB landen, was die Notenbank bisher wegen der hohen Staatsverschuldung Griechenlands (176 Prozent des BIP) und der deshalb hohen Risiken griechischer Schuldpapiere abgelehnt hatte. Außerdem will man den Verteilungsschlüssel der Wertpapierkäufe ändern, sodass mehr Staatsanleihen Italiens im Vergleich zu deutschen Anleihen gekauft werden können.

Diese Maßnahmen und Ankündigungen erinnern stark an die Aussagen des früheren EZB-Präsidenten Mario Draghi aus dem Sommer 2012 anlässlich einer Rede in London, wonach die EZB alles tun werde, was nötig ist („Whatever it trakes“), um die Eurozone in der damaligen Schuldenkrise zu retten. 2012 reichte diese Verbalintervention, um die Eurokrise an den Anleihemärkten zu beenden. Unter der neuen Präsidentin Christine Lagarde wird aus der verbalen Ankündigung im Jahr 2020 nun reale Geldpolitik.
Allerdings ist das noch kein Garant für das Überleben der Gemeinschaftswährung, denn die nächste Herausforderung für die EZB wird nicht lange auf sich warten lassen. Wegen der enormen Geldschöpfung sowie der Abschaffung des Zinses droht in der nun kommenden starken wirtschaftlichen Kontraktion der Eurozone der Wert des Euro zu erodieren. Das wäre dann der schleichende Tod für die Gemeinschaftswährung und eine Eurokrise auf Raten.

Fazit und Ausblick

In der jetzigen Krise fallen alle Regeln, die für die Stabilität in der Eurozone konzipiert wurden, endgültig weg. Von der Abschaffung der Stabilitäts-Kriterien bis hin zur Vergemeinschaftung der Schulden durch sogenannte „Corona-Bonds“ droht der Euro zur Weichwährung zu werden. Die Europäische Zentralbank kann kurzfristig die Zahlungsunfähigkeit der hoch verschuldeten Länder Südeuropas abwenden. Doch die ökonomischen Schäden werden struktureller und nachhaltiger Natur sein, ebenso, wie nach der Finanz- und Eurokrise, von der sich weder Spanien noch Italien bis heute wirtschaftlich erholt haben.

Die Spreizung zwischen den einzelnen Mitgliedsländern, v a. mit Blick auf Italien, wird nun noch größer. Damit steigen auch die Spannungen innerhalb der Eurozone. Ob die Gemeinschaftswährung diese Spannungen aushält, hängt auch von der Politik der EZB ab. Sollte sie, wie es ihre Präsidentin bereits vor ihrem Amtsantritt im Sinn hatte, die Vergemeinschaftung der Schulden und den Einsatz unkonventioneller Geldpolitik konsequent durchziehen (Thema Helikoptergeld und Schwundgeld), dann ist die nächste Eurokrise vorprogrammiert. Allerdings wird es keine Staatsschuldenkrise sein, sondern eine Krise des Vertrauens in die Gemeinschaftswährung und eine Flucht aus dem Euro, die diesen zur Weichwährung macht.



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5 Kommentare

  1. Ich würde eher sagen eine Brexitkrise,

    wieso eine Eurokrise ?

    Dass in der jetzigen Situation Grenzschlissungen fällig sind, das sollte doch klar, der Frachtverkehr muss frei sein.

    Aber der Schuppen (GB) da drüben, da würde ich mir als GB langsam Gedanken machen, bzw schnell… Gestern habe ich über flightradar den flugverkehr in Eruopa beobachtet, während beispielweise der Flugverkehr in Frankfurt so gut wie still steht, fliegen die Briten fröhlich herum als sei das Corona-virus gar nicht da ??

    die denken, wir sind eine insel, uns kann doch gar nix passieren ? Wie doof kann man denn noch sein ?

  2. Und selbst wenn es dazu kommt:

    Die italienische Volkswirtschaft wurde durch die Schließung fast aller Betriebe de facto lahmgelegt. Die Stabilitätskriterien für die Eurozone sind bis auf Weiteres außer Kraft gesetzt. Wird die Gemeinschaftswährung diesen Stresstest überstehen oder rutschen wir jetzt in die finale Eurokrise?

    Dann käme es zu einem Zusammenbruch des EUR, jeder hätte seine eigene Währung, aber letztendlich müssten sich alle (!) Euro-Staaten nach der Bundesbankpolitik richten, das wäre so sicher wie das Amen in der Kirche.

    Die Frage wäre, wollen die anderen Euro-Staaten das ? Wohl eher nicht, weil dann die Deutsche Bundesbank das „Kommando“ übernehmen würde, und die Bundesbank ist für Deutschland zuständig, nicht für Europa.

    Wer sich nicht an die Poltik der Bundesbank halten würde , bezüglich Zinspolitik, würde richtig Haue vom Markt erhalten.

    Das war ja die Idee bei dem EUR, die DM war viel zu stark . Deshalb steht der EZB-(„Bundesbank :D „)-Tower in Frankfurt und nicht in Paris oder sonstwo…

  3. Schüler fragten einen Lehrer, wie denn das sei mit dem Gelddrucken. Nun das sei wie wenn bei einem Bauer das Vieh gestorben sei, das er dem Schlachter liefern soll und die Notenbank ihm zur Überbrückung das Geld für den Ertragsausfall gibt. Das sei eben Europa mit dem solidarischen Geist.
    Da meint der kleine Schüler, dass die EZB ziemlich dumm handle, denn der Schlachter habe nun keine Wurst mehr im Laden und auch der Bauer kann keine Lebensmittel mehr kaufen. D.h. nun verhungern 2 da man den wertlosen Schein nicht essen könne. Nun bleibt die Frage offen für Schüler, weshalb die EZB das noch nicht weiss.

  4. Schon wieder Rom?
    Auf wiedersehen im Mittelalter!

  5. Selbt jetzt im Juni, soeben auf Flightradar nachgeschaut, am Himmel ist noch nix los…

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