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Strenge EU-Regulierung KI-Dilemma in Europa: Meta und Apple halten KI-Tools zurück

KI-Dilemma in Europa: Meta und Apple halten KI-Tools zurück
Keine KI-Tools in Europa. Grafik: Bloomberg

Amerikanische Technologieunternehmen sehen die von ihnen entwickelte künstliche Intelligenz als einen Faktor, der Lebens-, Arbeits- und Freizeitgestaltung auf der Welt verändern wird. Ob das auch diesseits des Atlantiks gilt, muss sich indessen noch zeigen. Angesichts strenger EU-Datenschutzrichtlinien kommen die Nutzer in Europa von Apple- und Meta-Anwendungen wohl nicht in den Genuss der neuesten KI-Tools. Die US-Tech-Unternehmen mahnen, dass die strenge EU-Regulierung drohe den Fortschritt einer unglaublich nützlichen Technologie zu bremsen.

Meta und Apple halten KI-Tools zurück

Wie Bloomberg berichtet, werden zumindest vorerst den Europäern die neuesten Funktionen der iPhones von Apple verwehrt bleiben. Auch Meta hat den Kontinent nicht beim Roll-out seines leistungsstärksten KI-Modells einbezogen. Das KI-Modell Llama war als Möglichkeit für andere Unternehmen beworben worden, ihre eigenen KI-Produkte entwickeln zu können.

Bereits im vergangenen Jahr hatte OpenAI-Chef Sam Altman mit der Ankündigung für Aufsehen gesorgt, die ChatGPT-Mutter würde Europa verlassen, wenn das hiesige Regulierungssystem nicht mehr praktikabel sei.

Später trat OpenAI in Bezug auf Altmans Bemerkungen allerdings die Rolle rückwärts an und arbeitet – wie die meisten in den USA ansässigen KI-Unternehmen – in der Europäischen Union noch immer normal weiter. Dennoch ist die Entscheidung von Apple und Meta, Schlüsselprodukte zurückzuhalten, eine unheilvolle Eskalation des schon lange schwelenden Konflikts zwischen Silicon Valley und Brüssel.

Tech-Konzerne Meta und Apple halten ihre KI-Tools in Europa zurück
OpenAI-Chef Sam Altman hatte gedroht, sein Unternehmen aus Europa zurückzuziehen.

Tech und KI: Strenge EU-Regulierung

In Sachen strenger Technologieregulierung und kartellrechtlicher Kontrolle hat sich die EU als weltweit führende Kraft etabliert. US-Unternehmen haben ihre Kritik im Allgemeinen nicht als Einwand gegen die Regulierung insgesamt formuliert, sondern gegen das, was Meta als “unvorhersehbare Natur des europäischen Regulierungsumfelds” beschrieben hat.

Die Unternehmen argumentieren, die Regulierung drohe den Fortschritt einer unglaublich nützlichen Technologie zu bremsen. Europäische Politiker entgegnen, ein laxer Ansatz könne den Schaden, den die Dominanz des Silicon Valleys im globalen Technologiebereich bereits anrichtet, noch vergrößern.

US-Tech-Konzern: Probleme gibt es auch in Asien

US-Unternehmen haben sich darüber beschwert, dass die lokalen Bestimmungen in Ländern wie Thailand und Indonesien auf eine unangemessene Zensur hinauslaufen – halten sich aber an die geltende Regeln. Wenn sie in China tätig sind, machen Internetkonzerne oft drastische Zugeständnisse und arbeiten zum Beispiel mit dem Zensurregime des Landes zusammen.

Viele Technologie-Firmen andererseits sind dort überhaupt nicht tätig. Infolgedessen sind die westliche und die chinesische Version des Internets zunehmend voneinander abgeschottet.

Die strenge EU-Datenschutzregelung

Es ist schwer vorherzusagen, ob es sich bei der aktuellen Auseinandersetzung in Europa um einen Nebenkriegsschauplatz handelt oder um den Anfang vom Ende des universellen Internetzugangs in der westlichen Welt. „Wir haben eine neue Kampflinie“, sagt Matt Calkins, Chef des Softwareunternehmens Appian.

Die umfassende Datenschutzregelung der EU, die Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO), ist seit Jahren ein wunder Punkt für einige US-Tech-Unternehmen. Drei weitreichende Gesetze, die in diesem Jahr in Kraft getreten sind und der EU mehr Befugnisse verleihen, um gegen Tech-Giganten vorzugehen, erhöhen den Druck auf Unternehmen wie Apple und Meta.

Das Gesetz über digitale Märkte (Digital Markets Act) zielt auf Verhaltensweisen ab, die die EU als wettbewerbswidrig erachtet. Zum Beispiel, wenn Technologieplattformen ihre eigenen Dienste bevorzugen oder personenbezogene Daten über verschiedene Dienste hinweg kombinieren. Das Gesetz für digitale Dienste enthält eine Reihe von Vorschriften, die darauf abzielen, dass Technologieplattformen ihre Abwehrmaßnahmen gegen illegale und schädliche Inhalte verstärken. Das KI-Gesetz verbietet oder beschränkt die Verwendung von KI, die als besonders risikoreich eingestuft wird. Gleichzeitig legt es Transparenzregeln für leistungsstarke KI-Modelle fest, die für eine allgemeinere Verwendung bestimmt sind.

Apple und Meta stoppen Einführung von KI-Tools

Im Juni hatte Apple angekündigt, in Europa die Einführung der Software-Suite Apple Intelligence auf Neugeräten zu stoppen. Dabei argumentierte der Konzern, der Digital Markets Act zwinge ihn zu inakzeptablen Sicherheitskompromissen. Ein Sprecher reagierte nicht auf eine Bitte um weitere Stellungnahme.

Meta folgte diesem Beispiel und hielt die leistungsfähigste Version von Llama zurück. Das Open-Source-KI-Modell können Entwickler und Unternehmen frei herunterladen und optimieren. Meta sagt, seine Entscheidung sei nach einem Hin und Her mit den Aufsichtsbehörden gefallen. Dabei sei es darum gegangen, ob die Pläne, Llama teilweise mit Daten zu trainieren, die es von öffentlichen Facebook- und Instagram-Konten in Europa abgreifen würde, gegen Datenschutzgesetze verstoßen könnten.

Einen Monat nachdem Meta die Behörden von seinen Plänen in Kenntnis gesetzt hatte, forderten die Regulierungsbehörden ein Stopp dieser Praxis und schickten mehr als 270 Fragen über die Vereinbarkeit des Vorgehens mit dem EU-Datenschutzgesetz. Statt die Fragen zu beantworten, ließ Meta das Produkt einfach fallen.

Auch Elon Musk hat sich mit der EU angelegt. Vor kurzem hatten die Behörden seine Plattform X gezwungen, die Sammlung von Daten europäischer Nutzer für sein KI-Modell Grok einzustellen.

Die unmittelbaren Folgen für die Unternehmen oder die europäischen Volkswirtschaften sind minimal. Die fraglichen Produkte tragen noch nicht erheblich zum Umsatz von Apples iPhones, X-Anzeigen oder Metas Virtual-Reality-Headsets bei. Die Konzerne setzen darauf, dass künftige Fortschritte – oder deren Anziehungskraft – so entscheidend sein werden, dass die EU-Behörden die Regulierung lockern werden. Das europäische KI-Gesetz ist diesen Sommer in Kraft getreten. Die betroffenen Firmen erklärten jedoch, dass sie noch nicht wissen, wie die verschiedenen Einschränkungen und Anforderungen der Maßnahme durchgesetzt werden.

Das KI-Dilemma in Europa

Europas Wirtschaft wächst seit Jahren deutlich langsamer als die der USA. Bei manchen in der US-Tech-Branche hat sich schon der Begriff “Brüssel-Effekt” etabliert, der eigentlich dafür stehen soll, dass die europäische Politik zum globalen Standard wird. Im Silicon Valley indessen meint man damit die Art und Weise, wie die EU-Regulierung die europäische Wirtschaft belastet. In einem Interview mit Bloomberg Originals warnte Meta-Chef Mark Zuckerberg unlängst, dass eine Überregulierung der KI “die Innovation stoppen könnte” und sagte, dass “viele Unternehmen dort einfach keine Produkte auf den Markt bringen.”

Einige begrüßen die Entscheidung der US-Tech-Konzerne, Produkte nicht mehr auf den europäischen Markt zu bringen. “Es ist gut zu sehen, dass amerikanische Unternehmen sich nicht von den europäischen Regulierungsbehörden einschüchtern lassen”, sagt Carl Szabo, Vizepräsident und General Counsel des Branchenverbands NetChoice, zu dessen Mitgliedern Technologiegrößen wie Meta und Google zählen. Der frühere Facebook-Manager Sam Lessin schrieb online: „Europa verträgt das amerikanische Internet wohl einfach nicht mehr.”

Die EU betont, ihr Ziel sei es, ein Gleichgewicht zwischen der Förderung von Innovationen und dem Schutz der Bürgerrechte herzustellen. Am Rande einer Veranstaltung in Amsterdam zeigte sich EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager erleichtert über Apples Entscheidung, Apple Intelligence zurückzuhalten. Sie sagte, Technologieunternehmen müssten darüber nachdenken, ob ihre KI-Produkte die EU-Kartellvorschriften einhalten. Die Verantwortlichen von Apple müssten “sich diese Frage stellen und Antworten finden”, bevor sie Apple Intelligence für Europa aktualisieren.

Europa braucht eine eigene KI-Industrie

Für einige in Europa macht das Thema deutlich, wie sehr die eigenen Innovations-, Wettbewerbs- und Sicherheitsinteressen von US-Technologien abhängen. Die Schritte von Apple und Meta sind “ein weiterer Beweis dafür, dass wir europäische KI brauchen”, sagt der französische Telekom-Milliardär Xavier Niel. Er hat unter anderem in den französischen ChatGPT-Wettbewerber Mistral investiert.

Man könnte meinen, dass selbst ein vorübergehender Mangel an amerikanischen KI-Produkten lokalen Startups helfen könnte. Doch die europäische KI-Industrie liegt in der technischen Entwicklung und beim Zugang zu Kapital weit hinter der amerikanischen zurück. Einige Experten befürchten, dass insbesondere der Rückzug von Meta den Kontinent ausbremsen könnte. KI-Startups profitierten davon, dass das Llama-Modell als Grundlage für ihre eigenen Technologien dienen kann.

“Es gibt im Moment keine vergleichbaren Modelle”, sagt Julien Launay, Mitbegründer des in Paris und New York ansässigen KI-Startups Adaptive ML. Der Verlust des Zugangs zu Llama “wäre eine Katastrophe für das EU-Ökosystem.”

Hype kühlt ab

Wie wichtig all diese Entwicklungen rund um das Thema KI sind, wird sich zeigen. Die Zukunft dürfte davon abhängen, wie die noch in den Kinderschuhen steckende Technologie letztlich für die Weltwirtschaft sein wird.

Die Börsenkurse signalisieren bereits eine Abkühlung des Hypes um Tech-Konzerne, die viel Geld in KI-Infrastruktur investiert, aus dem Geschäftsbereich bisher aber noch keine oder kaum Gewinne erwirtschaftet haben – dazu gehört auch Meta. Aber im Gegensatz zu einigen Konkurrenten vermarktet Zuckerberg das KI-Thema richtig gut, weshalb der Aktienkurs von Meta zuletzt weiter zulegte.

Apple und Meta sind in jedem Fall noch die Ausnahme, wenn es darum geht KI-Tools zurückzuhalten. Sowohl Google als auch der OpenAI-Konkurrent Anthropic haben ihre neuesten Modelle außerhalb der EU eingeführt und sie dann mit einigen Anpassungen beim Datenschutz auf den Kontinent gebracht.

Vor einem Jahrzehnt hatte Google seinen Nachrichten-Service in Spanien wegen eines Urheberrechtsstreits zurückgezogen. Bei der Entscheidung, Reisebuchungsfunktionen in Europa nicht anzubieten, hatte der Konzern auf den Digital Markets Act verwiesen. (Google News kehrte 2022 nach einer Neufassung des spanischen Urheberrechtsgesetzes nach Spanien zurück.)

Meta hatte die Facebook-Nachrichtenfunktionen in Australien und Kanada nach rechtlichen Auseinandersetzungen ausgeschaltet; sie sind in diesen Ländern immer noch nicht verfügbar. Vergangenen Sommer entschied das Unternehmen, dem X-Konkurrenten Threads in der EU nicht einzuführen und begründete dies mit “sich abzeichnender regulatorischer Unsicherheit“. Fünf Monate später teilte Meta mit, eine Klarstellung erhalten zu haben, und Threads wurde in Europa eingeführt.

FMW/Bloomberg



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