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Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen: Das neue Bürokratie-Monster

Zahlreiche Unternehmen müssen demnächst ein Nachhaltigkeitsberichterstattung zum Jahresabschluss hinzufügen. Die Bürokratie eskaliert.

Erdkugel und Gras
Grafik: user21084936 - Freepik.com

Das Lieferkettengesetz kam ja gerade erst im März neu dazu. Aber jetzt bauen wir erst mal kräftig Bürokratie ab, wir wollen Unternehmen und Bürger ja entlasten? Da ist man sich in Berlin und Brüssel einig? Nein, es geht aktuell mit großen Schritten weiter hin zu einer Eskalation der Bürokratie! Unternehmen müssen als Anlage zu ihrem Jahresabschluss demnächst auch eine Nachhaltigkeitsberichterstattung hinzufügen, die vom Wirtschaftsprüfer überprüft werden soll.

Nachhaltigkeitsberichterstattung: Neues Bürokratie-Monster

Das bedeutet folglich: Wohl noch höhere Prüfungshonorare durch die Wirtschaftsprüfer, und noch mehr Personal- und damit Kostenaufwand für die Unternehmen. Denn irgendwer muss ja die Nachhaltigkeitsberichterstattung erstellen. Worum es genau geht? Das Bundesjustizministerium hat gestern vermeldet, dass die Bundesregierung einen Gesetzentwurf beschlossen hat, mit dem verbindliche europäische Vorgaben zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen ins deutsche Recht umgesetzt werden sollen. Die EU-Vorgaben sind in der sog. CSR-Richtlinie enthalten (CSR steht für Corporate Sustainability Reporting).

Künftig müssen Unternehmen demnach erstmals oder in deutlich größerem Umfang als bislang darüber berichten, welche sozialen und ökologischen Auswirkungen und Risiken ihre Aktivitäten haben. Die Bundesregierung ist laut Ministerium zur Umsetzung der europäischen Vorgaben verpflichtet. Die Umsetzung ins deutsche Recht soll aber möglichst bürokratiearm erfolgen. Der Gesetzentwurf sieht deshalb eine Umsetzung der neuen Vorgaben nach dem sog. 1:1 Prinzip vor: Über Vorgaben des europäischen Rechts soll also nicht hinausgegangen werden. Außerdem vermeidet der Entwurf des Ministeriums eine unnötige Doppelung der Berichtspflichten: Er sieht vor, dass Unternehmen, die ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung im Sinne der CSR-Richtlinie umsetzen, damit zugleich auch ihre Berichterstattungspflicht nach dem nationalen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) erfüllen.

Aber was, wenn man im Einzelfall gar keine Berichte zum Lieferkettengesetz erstellen muss, aber dann die Nachhaltigkeitsberichterstattung neu hinzukommt? Dann wäre es eben doch ein Mehraufwand. Außerdem ist das mit dieser Vermeidung einer doppelten Berichterstattung so eine Sache. Denn irgendwas zum Thema Nachhaltigkeit im eigenen Betrieb zu schreiben, ist etwas anderes als ein Bericht über Lieferketten in Asien. Und was bitteschön soll das genau sein, eine Nachhaltigkeitsberichterstattung?

Bundesjustziminister Buschmann lässt sich so zitieren: „Deutschland setzt die CSR-Richtline um, dazu sind wir nach EU-Recht verpflichtet. Unternehmen sollen künftig zusammen mit ihrem Jahresabschluss detailliert über ihren Umgang mit sozialen und ökologischen Herausforderungen berichten. Es ist kein Geheimnis, dass ich darüber nicht glücklich bin. Die neuen Regelungen bedeuten eine drastische Mehrbelastung für die Unternehmen. Mit unserem Umsetzungsgesetz machen wir das so minimalinvasiv und bürokratiearm wie möglich. Gleichzeitig versuchen wir die zusätzlichen Lasten für die Wirtschaft abzufedern: Unternehmen, die nach den europäischen Vorgaben berichten werden, müssen dann nicht mehr nach dem deutschen Lieferkettengesetz berichten. So verhindern wir zumindest doppelte Arbeit.“

Der Umgang von Unternehmen mit Nachhaltigkeitsrisiken und Nachhaltigkeitsauswirkungen über die gesamte Wertschöpfungskette soll laut Bundesjustizministerium transparenter gemacht werden. Die Angaben sollen durch Wirtschaftsprüfer geprüft werden. Die Anzahl der Unternehmen, die künftig eine Nachhaltigkeitsberichterstattung erbringen müssen, wird deutlich größer sein als die Zahl von Unternehmen, die bislang eine nichtfinanzielle Erklärung abgeben mussten. Auch werden Umfang und Detailgrad der Nachhaltigkeitsberichterstattung im Vergleich zur bisherigen nichtfinanziellen Erklärung deutlich ausgeweitet.

Die neue Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung soll in Deutschland schrittweise in Kraft treten. Für das erste Geschäftsjahr 2024 gilt die Nachhaltigkeitsberichterstattung nur für große kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Arbeitnehmern. In den nachfolgenden Geschäftsjahren werden bis 2028 stufenweise weitere Gruppen von Unternehmen einbezogen. In den Nachhaltigkeitsbericht sind laut Aussage des Ministeriums diejenigen Angaben aufzunehmen, die für das Verständnis der Auswirkungen der Tätigkeiten der Kapitalgesellschaft auf Nachhaltigkeitsaspekte sowie das Verständnis der Auswirkungen von Nachhaltigkeitsaspekten auf den Geschäftsverlauf, das Geschäftsergebnis und die Lage der Kapitalgesellschaft erforderlich sind. Nachhaltigkeitsaspekte sind Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsfaktoren sowie Governance-Faktoren.“

Kommentar

Vermutung: Zulieferer mit weniger Mitarbeitern dürften von großen Unternehmen auch mit einbezogen werden in diese Berichtspflichten. Und haben Sie es genau verstanden? Was ganz genau soll denn nun reingeschrieben werden in einen Bericht für die Nachhaltigkeitsberichterstattung? Es dürfte so laufen: Tausende und abertausende Unternehmen werden gigantische Papierberge anhäufen, die nie ein Mensch lesen wird. Der Wirtschaftsprüfer blättert kurz rüber, haut seinen Stempel drauf, und kassiert dafür ein paar Tausender zusätzlich an Prüfungshonorar. Die Unternehmen müssen sich dann eben irgendwas Greenwashing-mäßiges aus den Fingern saugen. Der zusätzliche Personal- und Kostenaufwand für so ein Reporting könnte enorm sein.

Man kann ja nicht schreiben „Bei uns gibt es keinerlei Probleme mit der Nachhaltigkeit“. Das kann ein Wirtschaftsprüfer sicher nicht durchgehen lassen, irgendwas muss man schon schreiben. Es soll Druck ausgeübt werden, sein Verhalten anzupassen, sich oberflächlich irgendwas mit Umweltschutz auf die Agenda zu schreiben, auch wenn das geschäftsschädigend sein sollte. Einmal mehr dürften sich Industrieunternehmen außerhalb der EU freuen, dass sie nun vermutlich noch wettbewerbsfähiger werden, weil sie diese Standards und Berichtspflichten nicht erfüllen müssen. Auch übt zum Beispiel die Europäische Zentralbank bereits Druck aus über Androhungen von Strafzahlungen gegenüber Banken, die Klimarisiken in ihren Büchern nicht ausreichend bewerten.



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3 Kommentare

  1. Moin, moin,

    hier merkt man, dass Brüssel aus Bürokraten besteht und dass die Sozis den Taktstock schwingen. Mehr muss man dazu auch nicht sagen. Da mag man jedes Unternehmen verstehen, dass die EU verlässt.

  2. … und wieder entsteht ein neues Aufgabenfeld für KI (AI). Solche Nachhaltigkeitsberichte lassen sich damit im Handumdrehen erzeugen. Solange mittels er-surf-ter Daten die gewünschten Narrative bestätigt werden, kümmert sich keiner um die Realität.

  3. ein neues Abmahngeschäftsfeld für die Deutsche Umwelthilfe!

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