Gas

Bewertung der aktuellen Gemengelage Stoppt Russland den Gastransit über die Ukraine?

Stoppt Russland den Gastransit über die Ukraine? Hier dazu eine Bewertung der aktuellen Lage und möglichen Folgen für die Beteiligten.

Gas-Pipeline

Täglich melden russische Medien, wie viel Gas der russische Gaskonzern in die Gasleitung „Bruderschaft“ in der Ukraine zum Transport nach Europa einspeist. Rechtsstreitigkeiten könnten dem Gastransit ein vorzeitiges Ende setzen. In dem Fall müsste Europa für rund 15 Milliarden Kubikmeter Gas im Jahr sofort Ersatz finden. Wie wahrscheinlich solch ein Szenario ist, hängt auch von wirtschaftlichen Faktoren ab.

Mögliches Ende des Gastransit:  Russland und Gazprom verlieren Einnahmen

Alle beteiligten Seiten verlieren bei einem Ende des Gastransit. Russland verzichtet mittels eigener Sanktionen auf Einnahmen durch den Gasexport. Die Ukraine erleidet Verluste durch komplett wegfallende Transitgebühren, und Europa zahlt hohe Preise. Lieferungen von etwa 10 bis 15 Milliarden Kubikmetern Gas pro Jahr durch die Ukraine nach Europa bescherten dem russischen Gaskonzern Gazprom mit Rücksicht auf die aktuellen Preise einen Umsatz von etwa 4 bis 5 Milliarden Dollar, erläuterte der Direktor vom Zentrum für Brennstoff- und Energiewirtschaft Alexander Amiragjan jüngst im Juli. Daher habe Gazprom Interesse, die Lieferungen hier fortzusetzen.

Zuletzt speiste Gazprom über die Gasmessstation Sudscha 42,4 Millionen Kubikmeter Gas (15,5 Milliarden Kubikmeter Gas auf ein Jahr gerechnet) in das Pipelinenetz der Ukraine zum Weitertransport nach Europa ein. Der Antrag zur Gasmessstation Sochranowka, um von dort Gas in die Ukraine nach Europa durchzuleiten, sei erneut abgelehnt worden, erklärte hierzu Unternehmenssprecher Sergej Kuprijanow am 7. Juli. Im Mai 2022 hatte die Ukraine die Annahme von Gas über Sochranowka zum Gastransit eingestellt, da diese Gasmessstation auf Luhansker Gebiet liegt, das von russischen Streitkräften kontrolliert wird.

Gazprom schließt Sanktionen gegen Naftogaz nicht aus

Seither liefert Gazprom nur noch über Sudscha Gas zum Transit nach Europa und erklärte dies damit, dass die Übertragung aller Mengen über diese Gasmessstation technisch nicht machbar sei. Das Unternehmen komme aber allen Verpflichtungen gegenüber europäischen Verbrauchern nach und bezahle für den Gastransit vollständig. Der ukrainische Gasversorger Naftogaz sieht darin indes eine Verletzung der Transitvereinbarungen und macht gerichtlich in den USA und in der Schweiz Forderungen gegenüber Gazprom geltend.

„Naftogaz hat bereits eine milliardenschwere Klage gegen Russland bei US-Gerichten eingereicht. Sollte dieses unfaire Vorgehen von Naftogaz anhalten, kann nicht ausgeschlossen werden, dass dies zur Verhängung von Sanktionen durch die Russische Föderation führen könnte. Dann werden jegliche Beziehungen zwischen russischen Unternehmen und Naftogaz einfach unmöglich sein“, sagte jetzt am 6. Juli Gazprom-Chef Alexej Miller. Laut geltendem Transitvertrag sind bis Ende 2024 im Jahr 40 Milliarden Kubikmeter Gas im Jahr zum Transit nach Europa vereinbart.

Experte bewertet Folgen durch mögliche Moskauer Sanktionen

„Wenn dieser neue Konflikt dazu führt, dass die Gaslieferungen über die Bruderschaft-Gaspipeline wegen Fragen zu Zahlungen für den Transport eingestellt werden, wird die Situation für Europa erneut sehr schwierig. Es sei schwierig, 15 Milliarden Kubikmeter Gas zu ersetzen. „Das wird ein neuer Schock sein“, sagte Damien Ernst, Dozent an der Universität Lüttich in Belgien und am Polytechnischen Institut in Paris. Das Flüssigerdgas, das die Europäer erwarten, werde den Bedarf seiner Ansicht nach nicht in dem erforderlichen Umfang decken können als Ersatz für den Gastransit aus Osten. Westeuropa konnte zwar die LNG-Importe um acht Milliarden Kubikmeter steigern, aber das reiche immer noch nicht aus. Folglich erwartet Ernst einen erneuten Preisanstieg im Herbst.

Europa will auf russisches Gas sukzessive verzichten

Aktuell importiert Europa aus Russland rund 50 Milliarden Kubikmeter Gas. Davon strömen über die Ukraine und die Schwarzmeergasleitung Turkish Stream insgesamt rund 30 Milliarden Kubikmeter auf dem europäischen Festland vornehmlich nach Österreich, Ungarn und Serbien. Vorzugsweise über spanische, französische und belgische Häfen gelangen weitere 20 Milliarden Kubikmeter nach Europa. Seit 2021 haben sich die Pipeline-Lieferungen aus Russland von Jahr zu Jahr halbiert.

Dagegen sind die russischen LNG-Importe gestiegen, ohne jedoch den Mengenrückgang im Pipeline-Geschäft wettzumachen. Zu Millers Ankündigung von möglichen Sanktionen gegenüber Naftogaz erklärte Tim McPhie, Sprecher von der EU-Kommission für Klima und Energie: „Wir diversifizieren erfolgreich Energieimporte weg von russischen Importen, indem wir mit zuverlässigen internationalen Lieferanten zusammenarbeiten und in erneuerbare Energien und Energiesparmaßnahmen investieren. Diese Arbeit ist noch nicht abgeschlossen.“ 2027 gilt als Ziel für den Ausstieg aus Gasimporten aus Russland.

Gazprom tut sich mit China schwer

Zugleich baut Russland die LNG-Produktionskapazitäten in Nordsibirien aus und will verlorenes Terrain in Europa wieder gutmachen, zumal die Verluste aus dem Pipeline-Geschäft schwer wiegen, und der Anschluss Chinas an die großen Gasfelder im Land Zeit und Geld braucht. Dazu hält sich der chinesische Partner beim Projekt Kraft Sibiriens 2 zurück und setzt auf seinen Hauptlieferanten Turkmenistan. Ein Vertrag mit den USA zur LNG-Einfuhr ist ebenfalls geschlossen. Abhängigkeit schätzt Präsident Xi Jinping offenbar nicht und paktiert lieber mit dem ärgsten Systemfeind.

50 Milliarden Kubikmeter über Kraft Sibiriens 2 wiegen schwer verträglich. Dass Gazprom über Kraft Sibiriens von ostsibirischen Gasfeldern von der vertraglich vereinbarten Jahresmenge in Höhe von 38 Milliarden Kubikmeter Gas jetzt erst gut die die Hälfte liefert, mag in China Zweifel an der russischen Zuverlässigkeit befördern. Wie Russland Großkunden wie Europa vergrätzt, ist ebenfalls kein Vertrauensbeweis und ruft zur Achtsamkeit. Insofern ist die Verlustrechnung für Gazprom erheblich. Ob das Russland von Sanktionen und einem Gastransit-Stopp über die Ukraine abhält, ist momentan unklar. Der Einmarsch in die Ukraine war schließlich keine wirtschaftlich rationale Entscheidung.



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2 Kommentare

  1. Oder will die Ukraine nicht verlängern?
    Wäre verständlich, denn die Ukraine bekommt ja auch so die Milliarden für den Krieg geschenkt.
    Und Russland würden dann Milliarden fehlen, wenn kein Gas mehr fließt.
    Strategisch gesehen wird Russland durch einen Gasstop mehr geschwächt als die Ukraine. Vielleicht gleicht die EU ja auch die Verluste der Ukraine aus.
    Dann wären sie ja wirklich blöd, wenn sie nicht abstellen würden, und Russland würde weiter Milliarden für die Rüstung, mit der Unterstützung seines Kriegsgegner, erhalten.
    Schon irre.

    Gastransit durch Ukraine: Kiew will Abkommen mit Russland nicht verlängern | Telepolis

    https://www.telepolis.de/features/Gastransit-durch-Ukraine-Kiew-will-Abkommen-mit-Russland-nicht-verlaengern-9197207.html

    Viele Grüße aus Andalusien Helmut

  2. Ja, richtig zu recht, aber leider wohne ich in diesem Land und muss es mit ausbaden, ebenso wie meine Kinder.
    Man wurde dauernd belogen, an der Nase rumgeführt, Schlechtes und Schlimmes wurde entweder verschwiegen oder positiv dargestellt, schön geredet, so wie es jetzt die Grünen mit ihren Verboten zum volksverdummenden Klimaschutz machen. Dem Volk wird nie die Wahrheit gesagt. Es darf hinterher nur die Chose ausbaden und womöglich dafür auch – per Zwangsrekrutierung wie in der Ukraine – im Krieg verrecken (sterben tut man nicht im Krieg, man verreckt)
    Völkerrecht interessiert doch den Westen, hauptsächlich die USA nicht. Aber gegen Russland wird jetzt Völkerrecht ganz groß und dick geschrieben, sogar Reparationen werden verlangt. Der Westen meint immer noch er steht über allem ist unangreifbar und könne es verlangen. Jedenfalls wollen unsere Medien, die großen Volksverführer, es den Bürgern glauben machen. „Vierte Gewalt“ lachhaft, dieses selbst verliehene Label ist die Grundlage des Betruges.
    Die Ukrainer haben in der Vergangenheit die Gasleitung nicht gewartet und durch Lecks Gasprom Schaden zugefügt, ebenso immer wieder das erhaltene Gas nicht bezahlt, so dass schon mal der gesamte Gastransport gestoppt werden sollte, somit auch Europa betroffen gewesen wäre. Naftogas zweigte, bzw. klaute ganz einfach Gas aus der Leitung, billiger geht´s nicht mehr. Die Auseinandersetzungen waren damals noch vor dem Jahr 2014.

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