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Warum versagen die „Spitzen-Forscher“ der EZB?

Warum lagen die vermeintlichen "Spitzen-Forscher" der EZB so daneben mit ihren Prognosen zur Inflation?

Graffito auf der EZB - Versagen vor der Inflation

Warum lagen die vermeintlichen „Spitzen-Forscher“ der EZB so daneben mit ihren Prognosen zur Inflation?

Die EZB ist ein Riesentanker. Nach eigener Auskunft arbeiten in der Zentrale in Frankfurt am Main 2.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der „think tank“ dieses Riesentankers aber ist die zentrale Forschungsabteilung, das Directorate General Research (DG/R). Das Directorate General Research ist gewissermaßen das Gehirn der EZB. Es beschäftigt 43 Ökonomen und sieben Manager. Der niederländische Director General Luc Laeven beaufsichtigt (fast ist man versucht zu sagen: befehligt) zwei divisions: Die Financial Research Division sowie die Monetary Policy Division. Luc Laeven reportet als Director General direkt an Vize-Präsident Luis de Guindos.

De Guindos führt in einer Werbebroschüre von 2020 auf Seite 5 aus, dass das Directorate General Research zwei übergeordnete Ziele verfolge:

– Erstens intellektuelle Führerschaft auf dem Gebiet der Zentralbankforschung, („To be recognised international, intellectual leaders in central banking research“), und
– zweitens, eine vertrauenswürdige Quelle forschungsbasierter Politikberatung in Fragen der Zentralbankpolitik zu sein.

Die „Exzellenz“ der EZB-Spitzenforscher

Auf Seite 6 genannter Broschüre sind sechs blaue Honigwaben zu sehen, in denen die innovativen Spitzen der Geld- und Makroökonomie kundtun, wie nah sie den beiden Zielen ihres Vize-Chefs inzwischen gekommen sind. Weiß-auf-Blau liest der Laie in diesem Schaufenster der Exzellenzforschung demütig-ergriffen:

– „Ranked 1st among Central Banks worldwide“
– „15 economists among the Top 10% authors worldwide“
– „Ranked 1st in the field of Central Banking worldwide“
– „Ranked 4th in the field of Banking worldwide“
– „Ranked 1st in the field of Monetary Economics worldwide“
– „Ranked 4th in the field of Macroeconomics worldwide“.

EZB Schrott-Prognosen

Der think tank der EZB prognostizierte ursprünglich eine
Kerninflationsrate von 2,9% für 2022, von 2,3% für 2023 und von 2,0% für 2024. Die Konsumentenpreisinflation prognostizierte die EZB ursprünglich für 2022 auf 3%, für 2023 auf 1,8 % und für 2024 auf 1,9% (sofern der Autor die zweideutigen Erläuterungen plus die unpräzise Grafik auf der Seite der EZB richtig deutet).

Feeling good in doing bad

Offenbar besteht eine tiefe Kluft zwischen der exzellenten Selbstwahrnehmung der EZB-Spitzenforscher und ihrer tatsächlichen Performance: Feeling good in doing bad..

In einem Gespräch mit Daniel Stelter konstatiert der langjährige ehemalige Chef-Ökonom der EZB, Otmar Issing, resigniert: „Die Notenbanken haben ihre Demut verloren“ (siehe dazu den Link am Ende des Textes; Timecode 01:04:40). Die EZB-Ökonomen stehen allerdings mit ihrem eklatanten Versagen weiß Gott nicht alleine. Auch bei der Fed hat man die Ankunft der Inflation sehenden Auges verschlafen. Anders als Robin Greenwood, der mit einem kleinen Team in „The Journal of Finance“ die Inflationsrate für 2022 mit 6% bis 9% grosso Modo zutreffend vorhergesagt hat. Die Fed beschäftigt 416 Ökonomen, konstatiert nüchtern Steve Hanke und fragt provokant sinngemäß: Was machen die eigentlich den ganzen Tag?

Ex-EZB-Chefökonom Otmar Issing: Interpretationsfehler

In zitiertem Gespräch mit Daniel Stelter erklärte Issing, hinter dem Versagen der EZB (und ihrer Forschungsabteilung) stehe ein tieferes Problem: „Das ist jetzt nicht einfach das Versagen, weil die Ölpreise schneller steigen als angenommen. So etwas kann immer passieren. […] Was hier vorliegt, ist etwas ganz anderes: Die Projektionen beruhen ja auf makroökonomischen Modellen. Diese Modelle sind so konstruiert, dass ihre Parameter abgeleitet sind aus Werten der Vergangenheit […]. Der große Fehler der Interpretation – und damit steht die EZB weiß Gott nicht allein – liegt darin, dass man den pandemiebedingten Einbruch für einen Konjunktureinbruch gesehen hat. Der pandemiebedingte Einbruch ist etwas ganz anderes.“ – Issings Fazit: „Die EZB scheint sklavisch an ihren Projektionen zu glauben.“

EZB: „Wir sorgen für stabile Preise und sicheres Geld“

Auf ihrer Homepage erklärt die EZB: „Wir bei der Europäischen Zentralbank (EZB) sorgen dafür, dass die Preise im Euroraum stabil bleiben. Warum wir das tun? Damit Sie mit Ihrem Geld morgen noch genauso viel kaufen können wie heute“.

Am 4. Mai verkündete die EZB ihr „ECB Scholarship for Women“. Am 7. Mai sprach Frau Lagarde über „The importance of the European peace project“. Und am 11. Mai sprach Frau Schnabel über „The globalisation of Inflation“.

Das Problem ist dies: Die EZB ist ideologisiert und politisiert. Nachhaltigkeit, Genderfragen, Klimawandel etc. treiben sie um. Ihr eigentliches Mandat hat die EZB dabei aus den Augen verloren. Überspitzt formuliert: Die EZB denkt mit Entsetzten an das Ende der Welt. Teile der deutschen Bevölkerung denken wegen der Inflation inzwischen mit Schrecken an das Ende des Monats.

Otmar Issing: „blind in Sackgasse gefahren“

Erst hatte Putin mit seinem unseligen Ukrainekrieg Schuld an der Inflation, jetzt möglicherweise die ganze Welt: Erst Putinflation, dann Globalflation? Was lässt man sich als nächstes einfallen, um die Verantwortung für die schweren gesellschaftlichen Verwerfungen von sich selbst abzulenken, die eine schlechte Geldpolitik der letzten zehn Jahre zu verantworten hat. Otmar Issing kommt zu einem ernüchternden Ergebnis: „Die EZB ist blind in die Sackgasse gefahren. Sie hätte ja längst umsteuern müssen. Längst, längst, längst…“

Das zitierte Gespräch zwischen Otmar Issing und Daniel Stelter finden Sie hier..
Eine schriftliche Übertragung der wichtigsten Passagen finden Sie hier..



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10 Kommentare

  1. Ich habe mich so darauf eingerichtet, wie Dr. Markus Krall es schon vor 2019 prophezeit hat.
    Nur mit einer für den Ablauf verzögernden Wirkung hat er falsch gelegen. Die Geldruckorgien (mit den dadurch entstehenden Nebenwirkungen) sind nicht nach den Bankenpleiten
    geschehen, sondern vor den Bankenpleiten. Und er konnte auch nicht erahnen, das Banken und die Inhaber von Firmen, legal so ihre Bilanzen fälschen und verschleiern durften, das sie nicht mit Gefängnisstrafen rechnen mussten.
    Und mir kann Niemand erzählen, dass die Leute bei der EZB das nicht gewusst haben.

    Viele Grüße aus Andalusien Helmut

    1. Ja, zur Zeit muss ich auch öfters an die Krallschen Vorraussagen denken. Inflation, Güterhortungen in der Industrie, die Unmöglichkeit der EZB den von ihr eingeschlagenen Weg der Gelddruckorgie zu verlassen, das Schwächerwerden des EUR ggü. dem USD usw.

      Irgendwie kommt das alles, nur nicht so früh und teilweise nicht in der richtigen Reihenfolge. Und alles in Zeitlupe. Also kein „Crash“ sondern ein langes Sterben. So langsam, dass der Durschnittsbürger nichts blickt und sein Geld (sofern er überhaupt noch was übrig hat) doch tatsächlich weiterhin auf dem Konto lässt. Irre.

      Am Ende der Krallschen Vorraussagen steht jedoch immer die Währungsreform, mal schauen.

  2. Nun Prognose Modelle arbeiten immer mit vergangenen Werten plus einem Alpha-Faktor. Bei einer gleichförmigen Entwicklung ist das Land ok.
    Die aktuellen Methoden scheinen erfassen auch nur bekannte Parameter.
    Auch unscheinbare Parameter erscheinen mir wichtig, so wie der aktuelle Engpass bei Säuglingsmilch in den USA. Hier sollten auch die Gründe hinterfragt werden. Scheinbar sind es u.a harte Import Restriktionen. Auch die Palmöl-Problematik ist hierbei zu hinterfragen.

    Natürlich kann man es sich auch einfach machen und mit zunehmender Komplexität zu arbeiten.

  3. Die wirklich intelligentesten Bücher und Theorien über praktisch alle Themen dieser Welt sind solche, die im Rückspiegel der Vergangenheit geschrieben werden/wurden. Dann ist den Forschern generell eine Auszeichnung und Bewunderung sicher. Auch Herrn Fratzscher gelingt es manchmal in der Rückschau ein paar schlaue Definitionen zu treffen, aber die Behauptungen für die Zukunft, waren bisher bei ihm immer auch völlig daneben, will sagen… die Ökonomen glauben bestenfalls an ein Modell mit Basisdaten aus der Vergangenheit und dass sie damit eine sichere Prognose in die Zukunft erstellen können. Aber wenn man glauben will, dann geht man besser in die Kirche. Wichtiger als die tägliche Wahrsagerei wäre die altbewährten Rezepte der Risikovermeidungen zu beachten und der Blick auf langfristige Entwicklungen…

  4. Michael Androsck

    Wenn alles nur ein „Irrtum“ der Forscher wäre, könnte man noch hoffen, das selbiger korrigiert wird. Der Elefant im Raum, der hier übersehen wird, heißt Lagarde. Die EZB-Chefin verfogt eine Geldpolitik, die ausschließlich den wirtschaftlich maroden Süden Europas stabilisieren soll. Eine riskante Strategie, die mit der Pandemie und dem Ukraine-Krieg nun kollabiert.

  5. Die EZB mit Madame Lagard hat Masche. Frankreich lebt von der Bank und die Aktiven Arbeiter und Sparer zahlen spätestens im Alter den Geldwertverlust. Gelddrucken ohne Inflation geht nicht.

  6. Ich würde sagen, der „dink denk“ war einfach politisch motiviert. So wie das heute in fast allen Bereichen ist. Da wird nix prognostiziert was dem Politbüro nicht gefallen könnte. Ist wie DDR und das Ende sollte jedem bekannt sein.

    1. Genau, so ähnlich wollte ich es auch schreiben, die „Forschungsergebnisse“ müssen der Obrigkeit gefallen.

  7. Dr. Sebastian Schaarschmidt

    Ich bin seit Januar 1991 an der Börse aktiv dabei. Früher ging nicht viel eher, da ehemaliger DDR Bürger. Wohl aber verfolgte ich die Börse immer aktiv im Fernsehen, so auch immer den „87er Crash“.

    Als der EUR eingeführt wurde, dachte ich mir so, na die“ Oberen“ werden sich schon was bei gedacht haben.
    Es gab ja auch diese Plakate der Union…
    Nun ja. Die erste Griechenlandkrise von 2010 verfolgte ich interessiert, die Zweite 2011 machte mich skeptisch und bei der Dritten, 2012,“war ich innerlich raus. „.
    Damit meine ich, ich habe mich nach der dritten Krise vom „Mainstream“ verabschiedet, weil ich mir sagte, okay, einmal kann Zufall sein, vielleicht noch ein zweites, mal aber dreimal das hat System.
    Das ist chronisch oder systemisch, da ist was faul.
    Wenige später dann“ Whatever it takes“. Damit hebelte Draghi quasi die „No Bail Out Klausel“ aus.
    Das muss man wissen, man muss wissen wie sich die EZB entwickelt hat und Rückschlüsse auf das Verhalten von heute zu finden.
    Die EZB unter Issing ist nicht mehr die Gleiche von heute. Ich kann das belegen. Die alte EZB beließ die Zinsen oder zumindest die Umlaufrendite immer über der jeweiligen Inflationsrate.
    Seit dem Herbst 2008 ist das Gegenteil der Fall.
    Deshalb muss sie auch nur die Prognosen bestellen, die ihr genehm sind, unangenehme kann sie nicht gebrauchen.
    Die Volkswirtschaftler haben deshalb schon immer die Schere im Kopf. Wir DDR Bürger kennen das aus dem Staatsbürgerkunde- Unterricht.
    Ähnlich wie heute bei der EZB wird nur noch das analysiert- was geldpolitisch in’s Konzept passt.
    Beispiel Leitzins der EZB im Jahre 2000 bei 4,75 Prozent bei einer Inflation von knapp 1,4 Prozent und einer Umlaufrendite von 5,6 Prozent.
    2008 Leitzins der EZB bei 4,25 Prozent bei einer Inflation von knapp über 3 Prozent und einer Umlaufrendite von fast 4,9 Prozent.
    Für längerfristige Staatsanleihen gab’s damals im Jahre 2000 noch 6 und im Jahre 2008 immer noch 5 Prozent im Schnitt.
    Seitdem geht’s tendenziell bergab.
    Dafür stieg die Inflation von knapp 1,4 Prozent im Jahre 2000 auf 7,4 Prozent aktuell.

  8. Prof. Dr. Franz Schneider

    Das eigentliche Problem besteht darin, dass Geld als ein sich selbst regulierender technischer Mechanismus betrachtet wird. Das ist ein im höchsten Sinne a-sozialer Umgang mit Geld. Ein typisches menschenleeres abstraktes Denkgebilde neoklassischer Ökonomie.

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