Gas

Goldgräberstimmung in der Arktis Wie Russland mit LNG und Öl dem Absturz trotzen will

Verstärkte Geschäfte mit Öl und Gas - vor allem per LNG-Transport - sollen Russland aus der Finanzklemme helfen. Eine Analyse.

Öl-Tanker

Nachdem der russische Präsident Wladimir Putin seinem Petersburger Gefährten Alexej Miller die sprudelnden Einnahmen aus Europa über den Gaskonzern Gazprom abgedreht hat, soll der einstige Geheimdienstmann Igor Setschin mit Rosneft den Flurschaden begradigen. Der staatliche Ölkonzern, der seinerzeit das Tafelsilber von Jukos übernahm und sich damit an die Spitze der Ölförderunternehmen in Russland setzte, steht im Fokus. Putin weist an, und die Regierung und Staatsduma sollen den Weg freimachen, damit Rosneft Flüssiggas (LNG) im großen Stil produzieren und exportieren kann. Ebenso lenkt Setschin die Geschicke mit Indien, dem Schlupfloch für Öllieferungen und Ölprodukte nach Europa.

Russland setzt auf Indien

Auf einem Arbeitsbesuch in Indien Ende März traf Rosneft-Chef Setschin indische Regierungsvertreter und Spitzen von den größten Öl- und Gasunternehmen des Landes. In diesem Rahmen schlossen Rosneft und die indische Ölgesellschaft IOC eine Laufzeitvereinbarung, um Rohöllieferungen von Russland nach Indien erheblich zu erhöhen und die Ölsorten nach Indien zu diversifizieren. Der Unternehmensspitzen unterzeichneten die betreffende Vereinbarung im Beisein des indischen Ministers für Erdöl und Erdgas Hardeep S. Puri. Hier besprachen sie ebenfalls, wie sich die Zusammenarbeit der Unternehmen in der gesamten Wertschöpfungskette des Energiesektors ausweiten lässt, einschließlich der Möglichkeit, Zahlungen in Landeswährung zu leisten.

Darüber hinaus stellten laut Rosneft die Beteiligten in den Gesprächen einen deutlichen Umsatzanstieg zwischen den Ländern fest. So sei Russland nach neuesten Statistiken des indischen Handels- und Industrieministeriums zum ersten Mal in der Geschichte volumenmäßig zu einem der fünf größten Handelspartner Indiens geworden. Der Handelsumsatz habe zwischen den Ländern im letzten Jahr 38,4 Milliarden Dollar umfasst. „Damit ist das von den Staats- und Regierungschefs unserer Länder gesetzte Ziel, den Umsatz bis 2025 auf 30 Milliarden US-Dollar zu steigern, im Voraus erreicht“, sagte Setschin. Besonderes Augenmerk gilt nun der Umsetzung gemeinsamer Projekte zwischen Rosneft und indischen Partnern. Darunter sind die Projekte Sakhalin-1 auf der Pazifikinsel Sakhalin, Taas-Yuryakh in Ostsibirien und Wankorneft im Gebiet von Krasnojarsk. Indien ist demnach in Russland mit am Bohrloch aktiv.

Das Exportmonopol von Gazprom bröckelt

Die Staatsduma winkte russischen Medienberichten zufolge am 16. Mai in erster Lesung einen Gesetzentwurf zum LNG-Export von Vorkommen in der Arktis durch, die auf dem Festland ganz oder teilweise nördlich des 67. nördlichen Breitengrades liegen. Der Staatsanteil an den betreffenden Gasfeldern im Gebiet Krasnojarsk und in den autonomen Kreisen der Nenzen und Jamal Nenzen soll mehr als 50 Prozent betragen. Die stellvertretende Energieministerin Anastasia Bondarenko erklärte auf einer Sitzung des Energieausschusses der Staatsduma im April hierzu, dass es sich um etwa 36 Lagerstätten handele, die jetzt Rosneft gehörten.

Bereits im März hatte Regierungschef Michail Mischustin auf Geheiß von Putin bei einer Kabinettssitzung auf diese Gasfelder verwiesen, die sich abseits des Gasnetzes befinden und für die sich wirtschaftlich kein Anschluss lohnen würde. Die Vorräte dieser Vorkommen in Russland bezifferte er in Summe auf etwa 3.000 Milliarden Kubikmeter Gas. Eine Entscheidung hierzu ermögliche es, die jährliche LNG-Produktion in den nächsten sieben Jahren auf 100 Millionen Tonnen zu steigern und die Exporte deutlich zu erhöhen. Damit kann Rosneft gegenüber Gazprom Boden gutmachen, und baut seine Förderkapazitäten mit Aussicht auf mehr Exporteinnahmen aus.

Schon heute gehört Rosneft bei der Gasförderung zu den Gewinnern. Wie die russische Wirtschaftszeitung Kommersant Anfang Mai berichtete, förderte Gazprom im ersten Quartal dieses Jahres 180 Milliarden Kubikmeter Gas und somit 18 Prozent weniger. Dagegen hätten Rosneft und der größte LNG-Produzent Novatek Zuwächse verzeichnet. Durch die Inbetriebnahme von Förderkapazitäten habe Rosneft die Gasproduktion im ersten Quartal um über 70 Prozent auf 16,7 Milliarden Kubikmeter Gas gesteigert. Der Ölkonzern will weitere Kapazitäten vom Rospan-Vorkommen in Betrieb nehmen. Mit der strategischen Ausrichtung auf LNG bröckelt zugleich das Exportmonopol von Gazprom. Kann Novatek seine Genehmigung zum LNG-Export bereits ummünzen, steigt Rosneft künftig in diesen Reigen auf.

LNG soll Russland aus der Finanzklemme helfen

Nachdem sich der Rückgang der Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft in diesem Jahr von Januar bis April gegenüber dem Vorjahr auf 52 Prozent verschärfte, besteht Handlungsbedarf, um den Absturz zu bremsen. Im ersten Quartal lag der Rückgang noch bei 45 Prozent. Sowohl Gaslieferungen nach China, erhöhte Öllieferungen nach Indien und LNG-Exporte scheinen für Russland Ausfälle vom Europageschäft nicht kompensieren zu können. Steuern und Wohlstandsfonds dienen als kurzfristige Instrumente, um Löcher zu stopfen.

Lukrative Rohstoffgeschäfte sollen Verluste stoppen und die Wende bringen. So stellt es sich Präsident Putin vor und setzt dabei komplett auf China als strategischen Großabnehmer für Pipeline-Gas. Für den nötigen Pipeline-Ausbau soll Alexej Miller sorgen, um 98 Milliarden Kubikmeter Gas ab 2030 nach China exportieren zu können. Im letzten Jahr waren es über Kraft Sibiriens knapp 16 Milliarden Kubikmeter Gas. Noch liefert Zentralasien mit 43 Milliarden Kubikmetern das meiste Gas nach China, dem Präsident Xi Jinping auf dem China Zentralasien Gipfel in Xi‘an jetzt im Mai eine engere Zusammenarbeit in Aussicht stellte. „Wir müssen die Zusammenarbeit im Energiebereich ausbauen. China möchte vorschlagen, dass wir eine Partnerschaft zur Energieentwicklung zwischen China und Zentralasien etablieren“, so Xi. Das schließe den Pipelineausbau und den Ausbau des Öl- und Gashandels ein.

Um den neuen Ölgroßkunden Indien kümmert sich derweil Setschin, damit Russland bei Ölgeschäften auf dem Weltmarkt nicht ins Hintertreffen kommt. Die gesetzte Preisobergrenze für Öl durch Sanktionen und niedrige Ölpreise engen die Spielräume ein. Die Ölförderbegrenzung, die Russland sich selbst verordnete, ist dabei ein Drahtseilakt. LNG gilt daneben als Mittel der Wahl, um erwartete Preissteigerungen mitzunehmen, von denen Rosneft und der russische Staat profitieren wollen. Wie Europa mit diesen Schlupflöchern für russische Einnahmen umgehen will, ist aktuell nicht entschieden.



Kommentare lesen und schreiben, hier klicken

Lesen Sie auch

3 Kommentare

  1. sie meinten wohl die usa, oder?
    die sind doch diejenigen, welche der arsch auf grundeis geht oder gibt es zwei welten?
    pleite, schulden, militärisch die gewohnten prügel und millionen in zeltstädten unter autobahnbrücken
    allerdings, die haben ja immerhin noch 8300 tonnen gold in fort knox, seit der letzten inventur 1952……

  2. Ja, Russland wird in den nächsten Jahren im Handel mit Rohstoffen viel um die Ohren haben.
    Die BRICS plus z. Z. schon etwa 19 Anwärterstaaten, und noch andere Staaten der Welt, werden sicherlich mit Russland gute Geschäfte machen.
    Wenn ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg dem moralisch entgegenstehen würde, hätte nach dem 2. Weltkrieg kein Handel mit den USA stattfinden können.
    Aber natürlich ist das viel Arbeit, alles aufzubauen.
    Wie man es nicht machen soll, haben die Sozialisten in Venezuela gezeigt; was auch sonst.
    Wenn in diesem Jahr das mit dem Rohöl nun einigermaßen läuft, und in den nächsten 2 bis 3 Jahren mit dem LNG, und den anderen Rohstoffen, dann wird der Rubel rollen, oder die ggf. neue Gemeinschaftswährung.
    Es wäre ja ein Wunder, wenn nun Russland schon jetzt fröhlich seine Rohstoffe am Weltmarkt verteilt, bzw. am halben Weltmarkt.
    Es wird alles seine Zeit dauern.
    Zumal mitten im Krieg und gegen Waffenlieferungen der gesamten Nato.
    Mal sehen wo Russland Ende 2025 steht, wenn die grüne Sekte also etwa noch 2,5 Jahre Deutschland regiert hat.
    Ich bin ja mal gespannt.

    Viele Grüße aus Andalusien Helmut

  3. 😂Selten so gut gelacht: Die USA (in klein: CH) sind für alle studierten Arbeitnehmer weltweit interessant, die noch ehrgeizig sind (best of the best). Deutschland für Flüchtlinge, die ohne grosses Risiko abgesichert werden wollen. Spanien ist für Rentner mit weniger Geld ein Anlaufpunkt, Rußland für Leute ohne Wunsch nach militärischer Todeskarriere ein Punkt zum Weglaufen. Welches Land wird sich mit wem wohl am besten entwickeln?

Hinterlassen Sie eine Antwort

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert




ACHTUNG: Wenn Sie den Kommentar abschicken stimmen Sie der Speicherung Ihrer Daten zur Verwendung der Kommentarfunktion zu.
Weitere Information finden Sie in unserer Zur Datenschutzerklärung

Meist gelesen 7 Tage