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Zufall? Direkt vor dem G20-Treffen in Hamburg vereinbart die EU mit Japan Freihandelsabkommen

Es muss zeitlich einfach nur ein großer Zufall gewesen sein. Direkt vor dem G20-Treffen in Hamburg erzielt die EU mit Japan eine Grundsatzeinigung über das seit vier Jahren verhandelte...

FMW-Redaktion

Es muss zeitlich einfach nur ein großer Zufall gewesen sein. Direkt vor dem G20-Treffen in Hamburg erzielt die EU mit Japan eine Grundsatzeinigung über das seit vier Jahren verhandelte Freihandelsabkommen. Vor allem weil Japan nicht so im Fokus der europäischen Öffentlichkeit steht, ging dieses Freihandelsabkommen glatt durch ohne irgendwelche Massendemos, anders als TTIP zwischen der EU und den USA. Dabei gibt es auch im Freihandel mit Japan viele interessante Themenfelder. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt nach dem Motto „Japan und EU zeigen Trump, dass man weiterhin auf Freihandel setzt“…


Handshake zwischen EU und Japan. Foto: © European Union

Investitionsschutz

Der Investitionsschutz ist seit mehreren Jahren immer das heikle Thema bei Freihandelsabkommen. Dazu schreibt die EU-Kommission heute:

Das Abkommen zielt darauf ab, Investitionen zwischen der EU und Japan zu fördern und ein geschäftsfreundliches Klima zu schaffen. Gleichzeitig wird im Text explizit bekräftigt, dass beide Partner das Recht zu regulieren behalten, wenn dies legitimen politischen Zielen dient. Beispiele dafür werden in einer Liste angeführt. Konkret hat die EU beim Investitionsschutz Japan während der Verhandlungen ihren überarbeiteten Vorschlag für das Investitionsgerichtssystem vorgelegt. Für die EU steht fest, dass eine Rückkehr zum alten ISDS-System zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Investor und Staat ausgeschlossen ist.

Das bedeutet: Bei diesem Abkommen wird es kein privates Schiedsgericht geben, vor dem Konzerne Staaten quasi durch private Anwälte zur Kasse bitten können. Es wird aber ein Schiedsgericht geben, das weiterhin eine Art Paralleljustiz darstellt. Dieses Schiedsgericht wird dann in eine staatliche Form gegossen. Zumindest ist das besser als vorher.

Ein entscheidender Punkt: Im Warenhandel entfallen künftig die allermeisten Importzölle. Das dürfte vor allem für europäische Landwirte vorteilhaft sein, da Japan als Land ohne große Anbauflächen stark von Importen lebt. Durch wegfallende Zölle werden somit EU-Waren in Japan günstiger. Auch wurden sinnvolle Vereinbarungen festgeschrieben wie der Schutz diverser Markennamen, der auch in Japan gelten soll. Auch schreibt die EU, dass sie auf viele wichtige Details Rücksicht genommen habe. So bleibt das Importverbot von Walfleisch aus Japan zum Beispiel bestehen.

https://twitter.com/PhilHoganEU/status/882916014954094592

Hier Details auszugsweise im Wortlaut von der EU-Kommission:

Abschaffung von Zöllen

Bei Inkrafttreten der Wirtschaftspartnerschaft werden die Zölle für über 90 % der Ausfuhren aus der EU nach Japan wegfallen. Wenn das Abkommen vollständig umgesetzt ist, wird Japan die Zölle auf 97 % der Waren (nach Zolltariflinien), die aus der EU eingeführt werden, abgeschafft haben. Bei den übrigen Zolltariflinien ist eine teilweise Liberalisierung in Form von Zollkontingenten oder Zollsenkungen vorgesehen. Das bedeutet für Ausführer aus der EU Einsparungen von jährlich etwa 1 Mrd. EUR bei Zöllen.

Landwirtschaft und Lebensmittel – Japan ist ein sehr wichtiger Exportmarkt für europäische Landwirte und Lebensmittelhersteller. Mit jährlichen Ausfuhren mit einem Warenwert von über 5,7 Mrd. EUR ist Japan bei landwirtschaftlichen Exporten bereits jetzt der viertgrößte Markt der EU. Nach und nach werden etwa 85 % der aus der EU nach Japan ausgeführten landwirtschaftlichen Erzeugnisse und Lebensmittel (in Zolltariflinien gerechnet) von Zöllen befreit werden, was wertmäßig 87 % der gegenwärtigen Exporte in diesem Bereich entspricht.

Mit dem Abkommen werden Zölle auf bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse, bei denen das Ausfuhrinteresse der EU sehr hoch ist, abgeschafft oder deutlich gesenkt. Unter anderem betrifft dies Schweinefleisch, das den größten Anteil der landwirtschaftlichen Exporte nach Japan ausmacht. Durch das Abkommen kann verarbeitetes Schweinefleisch zollfrei und frisches Fleisch nahezu zollfrei ausgeführt werden. Die Zölle auf Rindfleisch werden für eine erhebliche Menge von Rindfleischerzeugnissen über einen Zeitraum von 15 Jahren von 38,5 % auf 9 % gesenkt.

Die Ausfuhren von Wein aus der EU nach Japan belaufen sich gegenwärtig bereits auf ungefähr 1 Mrd. EUR jährlich und sind damit wertmäßig der zweitwichtigste Posten unter den landwirtschaftlichen Erzeugnissen, die aus der EU nach Japan ausgeführt werden. Ebenso wie Ausfuhren anderer alkoholischer Getränke werden Weinexporte vom ersten Tag an liberalisiert.

Bei den Käseexporten ist die EU bereits der wichtigste Akteur auf dem japanischen Markt. Nun werden die hohen Zölle auf zahlreiche Hartkäsesorten abgeschafft, darunter Gouda und Cheddar (gegenwärtig mit einem Zollsatz von 29,8 % belegt), sowie ein zollfreies Kontingent für Frischkäse wie Mozzarella eingeführt. Im Rahmen des Abkommens zwischen der EU und Japan werden ferner (nach Ablauf einer Übergangszeit) die Zölle auf landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse wie Nudeln, Schokoladenerzeugnisse, Kakaopulver, Süßwaren, Kekse, Stärkederivate, zubereitete Tomaten und Tomatensoße wegfallen. Außerdem wird es umfangreiche (zollfreie oder zollermäßigte) Kontingente für EU-Ausfuhren von Malz, Kartoffelstärke, Magermilchpulver, Butter und Molke geben.

Geografische Angaben – Im Abkommen zwischen der EU und Japan wird der Sonderstatus anerkannt und mehr als 200 landwirtschaftlichen Erzeugnissen mit besonderer geografischer Herkunft innerhalb der EU, die als geografische Angaben bekannt sind, Schutz auf dem japanischen Markt eingeräumt. Beispiele dafür sind Roquefort, Aceto Balsamico di Modena, Prosecco, Jambon d’Ardenne, Tiroler Speck, Polska Wódka, Queso Manchego, Lübecker Marzipan und Irish Whiskey. Diesen Erzeugnissen wird in Japan dasselbe Schutzniveau gewährt wie in der EU.

Gewerbliche Waren – Zölle auf gewerbliche Waren werden vollständig abgeschafft (zum Beispiel in Branchen, in denen die EU sehr wettbewerbsfähig ist, darunter Chemikalien, Kunststoffe, Kosmetika sowie Textilwaren und Bekleidung). Das bei Leder und Schuhen bestehende Kontingentsystem, das die EU-Ausfuhren in diesem Bereich erheblich eingeschränkt hat, wird unmittelbar bei Inkrafttreten des Abkommens abgeschafft. Die Zölle auf Schuhe werden zu diesem Zeitpunkt von 30 % auf 21 % gesenkt und nach einem Zeitraum von 10 Jahren vollständig wegfallen, Zölle auf EU-Ausfuhren von Lederwaren wie Handtaschen werden innerhalb von 10 Jahren verschwinden. Dasselbe gilt für Waren, für die in Japan traditionell ein starker Schutz besteht, wie zum Beispiel Sportschuhe und Skistiefel.

Fischerei – Die Einfuhrkontingente werden nicht länger angewandt und auf beiden Seiten werden sämtliche Zölle beseitigt. Dadurch profitieren die Verbraucher in der EU von attraktiveren Preisen und für die Industrie der EU ergeben sich große Exportchancen.

Forstwirtschaft – Die Zölle auf alle Holzerzeugnisse werden vollständig abgeschafft, bei den wichtigsten Prioritäten stufenweise über sieben Jahre. Der Handel mit einem Großteil der Holzerzeugnisse wird unverzüglich von Zöllen befreit, bei einigen nachrangigen Zolltariflinien geschieht dies nach 10 Jahren.

Walfang und illegaler Holzeinschlag

In der EU ist die Einfuhr von Walerzeugnissen seit über 35 Jahren verboten, und daran wird sich durch das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen nichts ändern. Die EU und ihre Mitgliedstaaten haben sich zur Erhaltung und zum Schutz von Walen verpflichtet und stets starke Vorbehalte gegen den Walfang zu wissenschaftlichen Zwecken geäußert. Wale genießen nach EU-Recht besonderen Schutz und die EU setzt das Verbot des Handels gemäß dem Übereinkommen über den Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen (CITES) strikt durch. Die EU beschäftigt sich mit dem Walfang durch alle Drittländer – Japan eingeschlossen – sowohl im Rahmen bilateraler Beziehungen als auch in den am besten für die Behandlung dieser Frage geeigneten internationalen Foren. Ein Beispiel dafür ist die Internationale Walfangkommission, in der wir mit gleich gesinnten Partnern zusammenarbeiten, um mit Japan den Walfang zu erörtern. Das heute angekündigte Abkommen wird ein Kapitel über nachhaltige Entwicklung enthalten, das eine zusätzliche Plattform zur Förderung des Dialogs und der Zusammenarbeit zwischen der EU und Japan in handelsbezogenen Umweltfragen vorsehen wird.

Die EU und Japan engagieren sich gemeinsam für den Kampf gegen illegalen Holzeinschlag und den damit verbundenen Handel, und dies wird ebenfalls in den Wortlaut des Abkommens aufgenommen. Der Handel mit Holz aus illegalem Holzeinschlag wirft keine Probleme zwischen der EU und Japan auf. In der EU gibt es, ebenso wie in Japan, eindeutige Rechtsvorschriften über illegalen Holzeinschlag. Beide Partner haben Kontroll- und Zertifizierungssysteme eingerichtet, um die Einfuhr von illegal geschlagenem Holz zu verhindern. Sie arbeiten zudem eng mit Drittländern zusammen, um sie bei der Einrichtung wirksamer Mechanismen zur Bewältigung dieses Problems zu unterstützen.

Nichttarifäre Handelshemmnisse – In den Verhandlungen zwischen der EU und Japan wurden auch zahlreiche nichttarifäre Maßnahmen behandelt, die für EU-Unternehmen ein Anliegen darstellten, da nämlich bisher einige technische Anforderungen und Zertifizierungsverfahren in Japan die Ausfuhr sicherer europäischer Waren dorthin häufig erschwerten. Das Abkommen ist ein großer Schritt zur Erleichterung des Zugangs von EU-Unternehmen zum stark regulierten japanischen Markt. Einige Beispiele für erfolgreich abgeschaffte Handelshemmnisse betreffen:

Kraftfahrzeuge – Mit dem Abkommen wird sichergestellt, dass sowohl Japan als auch die EU ihre Bestimmungen an dieselben internationalen Standards für Produktsicherheit und Umweltschutz angleichen. Damit gelten für europäische Kraftfahrzeuge dieselben Anforderungen in der EU und in Japan, und es sind keine erneuten Tests und Zertifizierungen für die Ausfuhr nach Japan erforderlich. Da sich Japan nun selbst zur Einhaltung internationaler Standards für Kraftfahrzeuge verpflichtet, wird der Export von Kraftfahrzeugen aus der EU nach Japan erheblich vereinfacht. Dies ebnet zudem den Weg für eine noch engere Zusammenarbeit zwischen der EU und Japan in internationalen Normierungsforen. Im Abkommen ist eigens für den Bereich Kraftfahrzeuge ein beschleunigtes Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen den beiden Partnern vorgesehen, das dem im Handelsabkommen zwischen der EU und Südkorea sehr ähnlich ist. Ferner enthält es Schutzbestimmungen und eine Klausel, aufgrund derer die EU wieder Zölle erheben kann, sollte Japan nichttarifäre Handelshemmnisse für Kraftfahrzeugexporte aus der EU (wieder)einführen. Eine weitere Folge des Abkommens ist, dass in der EU genehmigte wasserstoffbetriebene Autos ohne weitere Änderungen nach Japan ausgeführt werden dürfen.
Medizinprodukte – Im November 2014 übernahm Japan den internationalen Standard für Qualitätsmanagementsysteme (QMS), auf dem das QMS-System der EU für Medizinprodukte basiert. Das führt zu einer erheblichen Reduzierung der Kosten für die Zertifizierung der von Europa nach Japan ausgeführten Erzeugnisse.

Textilkennzeichnung – Im März 2015 übernahm Japan das internationale Textilkennzeichnungssystem, das dem in der EU verwendeten sehr ähnlich ist. Daher müssen Textilkennzeichnungen nicht länger für jedes nach Japan ausgeführte Kleidungsstück angepasst werden, wie es zuvor der Fall war.
Parapharmazeutische Erzeugnisse, Medizinprodukte und Kosmetika – Das komplizierte doppelte Notifizierungssystem, das die Vermarktung vieler europäischer Arzneimittel, Medizinprodukte und Kosmetika in Japan erschwerte, wurde am 1. Januar 2016 endlich abgeschafft.
Bier – Ab 2018 kann Bier aus Europa unter dieser Bezeichnung ausgeführt werden und fällt nicht länger in die Kategorie „alkoholhaltige Erfrischungsgetränke“. Das führt auch zu einer Angleichung der Besteuerung, wodurch die Unterschiede in der Behandlung verschiedener Biere wegfallen.




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