Allgemein

Die Zeitebene ist entscheidend Aktienmärkte und Wirtschaft: Warum sie oft auseinanderdriften

Warum klaffen Wirtschaft und Börse oft auseinanderklaffen

Aktienmärkte Wirtschaft auseinnderdriften

Wer hat sich in den letzten Wochen und Monaten nicht schon gewundert über diese seltsame Entwicklung der Aktienmärkte, die scheinbar losgelöst von der Wirtschaft nach oben strebten? Natürlich getrieben vom unheimlichen Hype um die künstliche Intelligenz und der Performance der Magnificent Seven (u.a. Microsoft, Nvidia). Es hat sich wieder einmal gezeigt, wie schwer es ist, aus Konjunkturdaten und Indikatoren der Wirtschaft auf die Entwicklung der Aktienmärkte zu schließen.

Zur Erinnerung: 2022 war ein sehr schlechtes Aktienjahr und zugleich das schlechteste für Anleihen sowie für 60/40-Portfolios (Aktien zu Anleihen ). 2023 hingegen erlebte bisher ein sehr positives erstes Halbjahr, entgegen der Prognosen der Masse der Analysten, getrieben von dem Hype um die künstliche Intelligenz.

Man hatte ganz einfach die Entwicklung des letzten Jahres in die Zukunft fortgeschrieben und erwartete daher eine schlecht erste, aber dafür eine bessere zweites Jahresperiode. Der klassische Fall von Recency Bias, der Fortschreibung der jüngeren Vergangenheit in die Zukunft. Die Wirtschaft sollte sich stark abkühlen, daher erst recht die Aktienmärkte.

Nachfolgend ein paar grundlegende Gedanken zur Differenz zwischen der Entwicklung der Wirtschaft und der Aktienmärkte.

Aktienmärkte sind nicht gleich Wirtschaft

Dies gilt für unseren heimischen Index DAX 40, aber wohl auch genauso für die Weltleitbörse, den S&P 500.

Hier sei noch einmal an die schon öfters vorgetragene These erinnert: Der Dax ist so etwas wie ein Call auf die Weltwirtschaft, die deutsche Konjunktur hängt zudem sehr stark an der Entwicklung des Mittelstandes – und dieser ist nicht einmal börsennotiert. Das extrem Beispiel ist wohl der nach Umsatz weltgrößte Chemiekonzern BASF. Vertreten in 91 Ländern, 39 Prozent des Umsatzes werden in Europa erzielt, 27 Prozent in Nordamerika und ebensoviel in China, so die Zahlen von 2021.

Das Uralt-Mitglied im Dax ist ein globales Unternehmen, die deutsche Wirtschaftspolitik sollte daher besser vorsichtig sein. Der größte Konzern im deutschen Leitindex, Linde, hat den DAX inzwischen verlassen und notiert im S&P 500.

Auch bei dessen Entwicklung im Jahr 2023 haben sich über 80 Prozent der Vermögensverwalter geirrt. Im Übrigen auch sehr stark bei der Entwicklung der US-Konjunktur mit der am besten antizipierten Rezession aller Zeiten. Schon für Ende 2022 angekündigt, ist bisher noch noch nichts zu sehen. Was aber noch allzu viel zu sagen hat.

Wie stark die US-Wirtschaft und die US-Aktienmärkte divergieren, zeigt diese Übersicht von Charlie Bilello für fast ein ganzes Jahrhundert USA.

Das Verhältnis der jährlichen Entwicklung der US-Wirtschaft und dem S&P 500 (Total Return, also inklusive der Dividenden):

Datenquelle: FRED

Verrückt: Im Corona-Jahr 2020 gab es den größten Einbruch der Wirtschaft in den USA seit vielen Jahrzehnten (minus 2,8 Prozent), die Leitbörse brachte es aber auf eine Rendite von plus 18 Prozent.

2022 hingegen wuchs die US-Wirtschaft im Trend um 2,1 Prozent, die Aktienmärkte aber erlebten ihren größten Rückgang seit der Finanzkrise von 2008 (minus 18 Prozent). Sicherlich waren dies extreme Beispiele, aber man betrachte die nächste Grafik über die Streuung. Wer hätte nicht eine engere Korrelation vermutet?

Vereinfacht ausgedrückt beträgt dieser statistische Zusammenhang zwischen US-Wirtschaft und US-Leitindex nur 25 Prozent – im jeweiligen Jahr:

Fazit

Das Börsenjahr 2023 hat es bisher wieder einmal gezeigt. Börsenentwicklungen sind nur schwer zu prognostizieren, um es einmal sehr zurückhaltend zu formulieren. Daten aus der Wirtschaft sind dagegen häufig ein Blick in den Rückspiegel, Börsen blicken dafür in die Zukunft, bepreist von Menschen und deren Emotionalität, im Extremfall bestimmt von Angst und Gier (Fear&Greed).

Immer wenn das Delta zwischen den Kurserwartungen und deren Eintreffen (Berichtssaison der Unternehmen) zu weit auseinanderläuft, gibt es heftige Korrekturen.

No one really knows it before.

Aber es wird sich über kurz oder lang bei Abweichungen stets eine Rückkehr zum Mittelwert einstellen (Reversion to the Mean).

Wie beim Verhältnis zwischen Wirtschaft und Aktienindizes, sehr schön dokumentiert an diesem Langzeitchart, der die Beziehung zwischen dem US-BIP und der Entwicklung des S&P 500 aufzeigt:

Die Wirtschaft ist wie ein schwerer Tanker, der nur schwer vom Kurs abzubringen ist. Weil eben zumeist Gewinne erzielt werden, bei der Produktion von Dienstleistungen und Gütern für eine Gesellschaft. Die Aktienmärkte hingegen versuchen zukünftige Entwicklungen einzupreisen- Dort wird spekuliert, wird Financial Engineering betrieben, wird übertrieben – nach oben und unten.

Deshalb: Langfristig hängt die Börsenentwicklung von der Konjunkturentwicklung ab, kurzfristig eher weniger. Und da liegt „der Hase im Pfeffer“, bezogen auf das Timing. Ein Credo für die Langfristanlage.



Kommentare lesen und schreiben, hier klicken

Lesen Sie auch

Hinterlassen Sie eine Antwort

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert




ACHTUNG: Wenn Sie den Kommentar abschicken stimmen Sie der Speicherung Ihrer Daten zur Verwendung der Kommentarfunktion zu.
Weitere Information finden Sie in unserer Zur Datenschutzerklärung

Meist gelesen 7 Tage

Exit mobile version
Capital.com CFD Handels App
Kostenfrei
Jetzt handeln Jetzt handeln

75,0% der Kleinanlegerkonten verlieren Geld.