Aktien

Anleihen versus Aktien: Bei welchem Level werden Zinsen zur Belastung?

Bulle und Bär stehen auch für das Auf und Ab bei Aktien und Anleihen

Es ist derzeit die 100.000 Dollarfrage. Bei welchem Niveau der zehnjährigen US-Staatsanleihe, der zentralen Benchmark, wird es für den Boom der Aktienmärkte kritisch, oder anders ausgedrückt, kommt es zu einem stärkeren Re-Balancing aus den hoch bewerteten Aktien in die bisher höchst unattraktiven Anleihen? (sehen Sie hier auch einen Kommentar von Markus Fugmann)

Erfahrungen aus der jüngeren Vergangenheit

Erinnern wir uns an das Jahr 2013, als der damalige Notenbankchef Ben Bernanke mit seinem Taper Tantrum, dem Versuch des Abbaus der Fedbilanz und der Ankündigung eines Ausstiegs aus dem Anleihekaufprogramm (Quantitative Easing), für einen Sprung der Renditen von 1,67 Prozent im April bis auf 3 Prozent zu Jahresende gesorgt hat. Oder an das Jahr 2018, als der jetzige Fedchef Powell die Leitzinsen viermal angehoben hatte, weitere Straffungen ankündigte – jedesmal eine Klatsche für Aktien und die Tuchfühlung zu einem Bärenmarkt.

1,50 Prozent für die10-jährige US-Treasury: Stellt dieses Zinsniveau, welches von vielen Analysten als Gefahrenpunkt für die Aktienrally gesehen wird, tatsächlich so etwas wie einen Tipping Point (Wendepunkt) dar? Sind denn da die Realrenditen in den USA (unterhalb der 30-Jährigen) denn nicht immer noch negativ?

USA und Europa, zwei verschiedene Zinswelten

Bei der Beurteilung des Zinsniveaus muss man schon einige Faktoren berücksichtigen. Die US-Staatsanleihen (10yr) standen vor gut einem Jahr noch bei fast 2 Prozent, von einem Hoch über drei Prozent kommend, welches man im Jahr 2018 gesehen hatte. Eine Abschwächung der Wirtschaft brachte die Zinsen nach unten, dann kam der Coronaschock. Jetzt mehren sich die Anzeichen für eine gewaltige (schuldenfinanzierte) Konjunkturerholung in 2021. Müssen da die Zinsen nicht alleine schon steigen, auch ohne Inflation? Auch nach dem Absinken der Leitzinsen, auf 0 bis 0,25 Prozent, waren die Renditen der US-Langläufer noch nicht in der Nähe der Null-Prozentmarke.

Die Steigerung der Renditen für die 10-Jährigen von 0,92 Prozent von Jahresanfang bis auf 1,425 Prozent am gestrigen Tag sind per se noch kein Alarmzeichen, die Geschwindigkeit des Anstiegs aber schon.

Die oft genannten 1,50 Prozent für die Benchmark haben schon eine Bedeutung für die Märkte, schließlich bildete dieses Niveau bereits des Öfteren einen Wendepunkt bei den Anleihen. Für die USA ist ein Zinsanstieg in so kurzer Zeit auch deshalb bedeutsam, weil die Amerikaner mit ihren Schulden (insgesamt über 80 Billionen Dollar) sehr rasch von Zinsänderungen betroffen sind, die Kredite werden rasch an den neuen Zinssatz angepasst.

Ein großes Argument, welches gegen ein Überschießen der Renditen für die Langläufern über 1,5 Prozent hinaus spricht, ist natürlich die Ankündigung von Jerome Powell, der Wirtschaft akkommodierend zur Seite zu stehen. Der Weg bis zur Vollbeschäftigung ist lang – auch gestern wieder von ihm betont – und damit wird das Instrument der Yield Curve Control immer wahrscheinlicher. Das schwer handhabbare Problem in den USA ist eher die Inflation, insbesondere wenn auf die kurzfristig heiß laufende Wirtschaft noch ein 1,9 Billionen Dollar schweres Konjunkturpaket (American Rescue Act) draufgesetzt wird.

Anders die Lage in Europa

Trotz der prophylaktischen Ankündigung der EZB-Chefin Christine Lagarde einen Anstieg der Zinsen sehr genau beobachten zu wollen, ist das Zinsniveau in Europa alles andere als bedrohlich oder gar als Konkurrenz für die Aktienmärkte zu sehen. Selbst langlaufende Anleihen in den südlichen EU-Ländern liegen noch deutlich unter einem Prozent, so dass es noch stark negative Realrenditen gibt. Die Inflation in der Eurozone hat im Januar einen Sprung nach oben gemacht, auf 0,90 Prozent und die extremen Vergkeichsmonate stehen unmittelbar bevor. Über Deutschland braucht man in diesem Zusammenhang gar nicht erst zu reden.

Was außerdem immer etwas unterschlagen wird, ist die Tatsache, dass die Südstaaten ihre Anleihen auf sehr lange Laufzeiten umgestellt haben (Extrembeispiel Griechenland) und die neuen Anleihen sowieso von der EZB aufgekauft werden.

Fazit

Auch wenn der Renditeanstieg bei den Staatsanleihen von vielen Seiten als große Gefahr dargestellt wird, ist das Ganze noch keine Gefahr für die Aktienmärkte und für TINA (Is there already an alternative?). Die Notenbanken werden ein großes Auge darauf werfen, dass die Erholung die jetzt langsam einsetzt in der wackligen Phase einer globalen Impfung, nicht gleich wieder ins Wanken gerät, in dem sich die Finanzierungsbedingungen für die Wirtschaft verschlechtern. Ganz besonders bedeutsam für die USA ist der Aktienmarkt, der mit seinem gigantischen Volumen eine Achilles-Ferse für die Gesellschaft darstellt.

Der Zinsanstieg könnte aber auch etwas anderes darstellen: Nämlich ein Grund dafür zu sein, dass große Adressen Gewinne mitnehmen können, die vielen gehebelten Kleinanleger aus dem Markt zu treiben, um günstiger wieder in den Markt zu gelangen. Ist der übermächtige Aktienindex S&P 500 mit seinem Volumen von über 33 Billionen Dollar von den ereignisreichen Novembertagen des Jahres 2020 nicht von 3226 Punkten bereits auf 3935 Punkte gestiegen, ein gewaltige Rally innerhalb von vier Monaten, die nicht alle Großinvestoren mitgemacht haben?

Sollen die Kleinen (RobinHooder) den Großen schon wieder eine lange Nase zeigen?



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2 Kommentare

  1. Buchgewinn- Träumer

    Nicht nur das Zinsniveau ist massgebend, sondern auch das altertümliche CRV.( Chance/ Risiko/ Verhältnis ). Wenn bei Aktien nach oben fertig ist und das Verlustrisiko 10 bis 30% bei kleiner Dividende besteht, kann man TinA sofort vergessen.Da Bonds bei einer kräftigen Aktienkorrektur kurzfristig ansteigen, ist der Zeipunkt nicht mehr weit um das Rennen die wahnwitzigen Buchgewinne glattzustellenzu starten.Sogar Andreas Beck empfiehlt einen Teil unrentabler Anleihen zu halten um nach Aktienkorrekturen zuzukaufen.
    Auch diesmal werden nur wenige die schönen BUCHGEWINNE realisieren können.

    1. @Wolfgang: und erneut alles richtig eingeschätzt… Sehr beeindruckend.

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