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Xi Jinping zementiert seine Macht, Wirtschaft leidet Antikorruptionskampagne in China: „Niemand ist mehr sicher“

 

Die Antikorruptionskampagne in China erreichte 2023 einen neuen Höhepunkt: Noch nie wurden gegen so viele Beamte ermittelt. „Niemand ist sicher“, sagt ein hochrangiger Beobachter.

Die spektakulärsten Fälle in China: Zwei Minister verschwinden spurlos

Es waren die beiden spektakulärsten Fälle des letzten Jahres: Zwei Minister verschwanden aus der Öffentlichkeit. Der Außenminister Qin Gang nach nur 7 Monaten nach seiner Ernennung aus der Öffentlichkeit. Weswegen oder was aus ihm wurde, ist bis heute unklar. Ebenso wurde der Verteidigungsminister Li Shangfu seit Ende August nicht mehr gesehen. Li Shangfu wurde im Zusammenhang mit einer Säuberungswelle bei den atomaren Raketenstreitkräften vermutlich unter Hausarrest gestellt. Nach Recherchen der in Kanada ansässigen Beratungsfirma Cercius Group fielen dieser Säuberungswelle mindestens 70 Personen im Umfeld der Raketenstreitkräfte bzw. der Beschaffungsabteilung oder Entwicklung von Waffen zum Opfer. In den letzten Tagen verloren drei Führungskräfte des militärisch-industriellen Komplexes ihre Funktionen und weitere neun Offiziere aus dem Umfeld der Raketenstreitkräfte bzw. der Beschaffung wurden von ihren Positionen entfernt.

Rekordjahr an gefallenen „Tigern“

Es war ein Rekordjahr in China. Ein Rekordjahr an gefallenen „Tigern“. Seit dem Bestehen der „Tiger und Fliegen“ genannten Antikorruptionskampagne von Xi Jinping im Jahr 2013 wurden noch nie so viele hochrangige Offizielle verhaftet, bestraft oder verschwanden spurlos aus der Öffentlichkeit. Nach Zählung der South China Morning Post wurden von der Zentralen Disziplinarkommission (CCDI) – Chinas oberste Antikorruptionsbehörde Untersuchungen gegen 45 hochrangige Beamte eingeleitet. 340% mehr als noch 2022 und fünf Jahre, nachdem der chinesische Präsident Xi Jinping einen „vernichtenden Sieg“ in seinem Krieg gegen die Korruption verkündet hatte.

Die meisten der 45 in Visier genommenen „Tiger“ stammen aus einem Pool von Beamten, die als „zentral verwaltete Kader“ bekannt sind. Das bedeutet, sie haben Positionen auf der Ebene des stellvertretenden Ministers oder höher inne. Eine kleinere Gruppe von ihnen hat zwar etwas niedrigere Ränge, besetzt aber Schlüsselpositionen in wichtigen Bereichen. Im Gegensatz zu ihren Untergebenen, die von den lokalen Zweigen der Organisations- und Disziplinarbehörde der Partei überwacht werden, stehen diese hochrangigen Beamten unter der direkten Kontrolle der Zentralen Organisationsabteilung der Kommunistischen Partei, der obersten Personalbehörde.

Die CCDI folgt nicht mehr der bisher unausgesprochenen Regel in China, dass pensionierte Beamte von Untersuchungen verschont bleiben. Ziemlich genau die Hälfte, nämlich 27, der Personen, gegen die ein Verfahren eingeleitet wurde, sind aus dem aktiven Dienst ausgeschieden.

„Jetzt ist niemand sicher“

„Jetzt ist niemand sicher. Je tiefer Xi gräbt, desto mehr Probleme findet er, die sich in den letzten drei Jahrzehnten aufgrund der schnellen wirtschaftlichen Entwicklung und der laxen Parteidisziplin angesammelt haben. Und es gibt kein Anzeichen dafür, dass er das Graben einstellt“, sagt Deng Yuwen, ehemaliger stellvertretender Chefredakteur der Study Times, der offiziellen Zeitung der Zentralen Parteischule, an der Kader ausgebildet werden.

Insgesamt wurden nach einer Auswertung des „The Diplomat“ bisher etwa vier Millionen Beamte bestraft, wovon 500 leitende Beamte waren.4 „Bestraft“ meint alles, von einer Ermahnung bis hin zur lebenslangen Haft. Es gibt zwar auch Gerüchte über Hinrichtungen, diese sind aber nicht belegt. Nach Zählung der South China Morning Post waren es innerhalb der letzten elf Jahre 294 hochrangige Beamte.

Allerdings sind in dieser Zahl nicht die meisten Korruptionsuntersuchungen innerhalb der chinesischen Armee enthalten, die ihre Ermittlungen durch eine eigene Disziplinarkommission erfolgen. Diese Behörde, die innerhalb des höchsten militärischen Kommandos Chinas – der Zentralen Militärkommission (CMC) – unter der Führung von Xi operiert, geht mit äußerster Diskretion vor. Peking macht solche Fälle nur sehr selektiv öffentlich, wie es bei den Untersuchungen der ehemaligen stellvertretenden Vorsitzenden der CMC, Xu Caihou und Guo Boxiong, während Xis erster Amtszeit als Präsident der Fall war. Sie waren die ranghöchsten Offiziere in der Volksbefreiungsarmee, die seit dem Beginn der Antikorruptionskampagne ins Rampenlicht gerückt wurden.

China: Positive Resonanz in der Bevölkerung – aber Problem für die Wirtschaft

Bei der Bevölkerung stößt die „Tiger und Fliegen“-Kampagne durchaus auf positive Resonanz. Denn Korruption ist in China weit verbreitet und betrifft buchstäblich jeden Aspekt des Lebens, von der Wiege bis zur Bahre. Ein Bestechungsgeld wird fällig, wenn es Probleme mit dem so wichtigen „Hukou“, also der Registrierung in einem Haushalt, gibt. Natürlich erhalten Lehrer zum „Tag des Lehrers“ einen „roten Umschlag“, und so geht es weiter. Im Geschäftsleben ist, was Korruption angeht, die Behörde zur Überprüfung der Band­sicherheit die Gefürchtetste und – was das Eintreiben der Beträge angeht – unangefochten die Kreativste Einrichtung in China. Von daher begrüßen viele Bürger in China die Bemühungen der Regierung, Korruption auf allen Ebenen zu bekämpfen.

Die „Tiger und Fliegen“-Kampagne hat jedoch auch Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung Chinas. Immer mehr Beamte zögern, Entscheidungen zu treffen und delegieren notwendige Entscheidungen lieber nach oben, da jede Entscheidung als „Korruption“ ausgelegt werden kann.6 Dies führt zu Verzögerungen und Ineffizienzen, die das Wirtschaftswachstum beeinträchtigen können. Auch im realen Leben zeigen sich die negativen Auswirkungen. Der Covid-19-Ausbruch in Wuhan und die extrem späte Reaktion darauf wäre ohne die „Tiger und Fliegen“-Kampagne in dem Maße nicht denkbar gewesen.

Immer mehr entwickelt sich von daher diese massive Säuberungswelle auf allen Ebenen der Partei und Verwaltung zu einem Hindernis für die Entwicklung Chinas, zementiert aber gleichzeitig die Position Xi Jinpings.



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