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Regulierung von Finanzdienstleistern BaFin mit hartem Kurs gegen Fintechs – bloß kein zweites Wirecard

Die BaFin erhöht ihre detaillierten Prüfungen und Abmahnungen gegenüber Finanzdienstleistern spürbar. Fintechs merken das deutlich.

BaFin Logo. Photographer: Alex Kraus/Bloomberg

Seit der für den Wirtschaftsstandort Deutschland blamablen Pleite von Wirecard im Sommer 2020 hat die deutsche Finanzaufsicht BaFin die Anzahl ihrer Meldungen deutlich ausgeweitet, wenn es – vereinfacht ausgedrückt – um die Abmahnungen zu Fehlverhalten bei Finanzdienstleistern geht. Wer im Verteiler der BaFin registriert ist, kann das allein schon im täglichen Email-Eingang ganz klar wahrnehmen. Nun schaut man auch ganz genau hin auch bei kleinsten Verfehlungen. So eine Blamage, so ein Debakel soll es nicht noch einmal geben? Derzeit sind auch besonders die sogenannten FinTech-Unternehmen im Fokus der BaFin.

BaFin fährt bei Fintechs scharfen Kurs

Der Brief der Behörde war vernichtend, die Mängelliste lang. Von unzureichenden Kontrollen und mangelhaftem Risikomanagement war die Rede. Am Schluss verordnete die BaFin der Fintech-Bank Solaris, ihr Einlagengeschäft zurückzufahren — was ein schwerer Eingriff in das Geschäft gewesen wäre. Bloomberg dazu: Solaris, eine sogenannte White-Label-Bank, die mit ihrer Banklizenz und ihrer Bilanz Fintech-bestimmte Dienstleistungen ermöglicht, konnte die Maßnahme durch rechtzeitiges Gegensteuern abwehren. Doch die Berliner Firma steht mit ihrer BaFin-Erfahrung nicht allein: Die harte Gangart ist offenbar die neue Norm der Aufsichtsbehörde, die den skandalumwitterten Kollaps des Zahlungsdienstleisters Wirecard nicht verhindern konnte.

Seit sich die BaFin unter dem neuen Präsidenten Mark Branson runderneuert hat, greifen die Beamten in Bonn und Frankfurt immer öfter durch. Eingeschossen hat sich die BaFin vor allem auf Fintechs, jene Firmen, die mit Hilfe neuer Technologien das traditionelle Finanzwesen herausfordern. Die Behörde hat im vergangenen Jahr Sanktionen gegen rund ein Dutzend Zahlungsdienstleister und Fintechs verhängt. Die Einschränkungen waren teilweise gravierend und lasten auch auf den einst hochfliegenden Bewertungen, die Fintechs in privaten Finanzierungsrunden erreichen konnten.

Vermehrte Geldbußen der BaFin

Beamte verstehen das Geschäft nicht?

Für BaFin-Chef Branson ist die Kampagne, die in Europa ihresgleichen sucht, Teil der Imagekorrektur. Bei Wirecard lautete die Kritik an der Behörde — damals geführt von Felix Hufeld —, sie habe sich eher an Journalisten und Leerverkäufern abgearbeitet als dem mutmaßlichen Betrug bei der inzwischen kollabierten Firma nachzugehen. Nun, da die BaFin eine härtere Gangart eingeschlagen hat, beklagen Fintech-Manager hinter vorgehaltener Hand, dass die Beamten immer noch nichts von ihrem Geschäft verstehen und mit ihrem Übereifer die aufstrebende Branche zu ersticken drohen.

“Meine jetzige Einschätzung ist, es ist mehr als nur Show”, sagt Gerhard Schick, ein langjähriger grüner Bundestagsabgeordneter, der jetzt dem Verein Finanzwende vorsitzt, der sich als Gegen-Lobby zur Finanzindustrie sieht. “Eine wirkliche Bewertung der Kursveränderung bei der BaFin können wir erst in drei, vier Jahren vornehmen”, so Schick. Ein Test wird sein, ob es der BaFin gelingt, einen weiteren großen Skandal zu verhindern.

Wirecard implodierte 2020, nachdem sich herausstellte, dass rund 1,9 Milliarden Euro — ein Viertel der Bilanz des Dax-Unternehmens — wohl nichts als heiße Luft waren. Investoren verloren Milliarden, der Finanzstandort war blamiert. Behördenchef Hufeld und die oberste Wertpapieraufseherin der BaFin Elisabeth Roegele mussten ihren Hut nehmen, die Behörde bekam allerdings auch neue Befugnisse.

Neuer Schwung bei der BaFin durch neuen Chef

Der neue Behördenleiter Branson, ein Brite mit Schweizer Pass, versucht die Prozesse bei der Aufsichtsbehörde zu beschleunigen und sie “mutiger” zu machen, wenn es darum geht, Probleme anzugehen, die sie bei einzelnen Firmen oder im Finanzsystem insgesamt erkennt. Einige Änderungen begannen bereits vor dem Wirecard-Skandal, doch Branson “brachte viel Schwung in die Organisation”, so Hilmar Zettler, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes deutscher Banken.

Sein hartes Durchgreifen kam die Branche schon teuer zu stehen. Letzten Monat stürzte der französische Zahlungsverkehrsriese Worldline an der Börse um rund 60% ab, als er seinen Wachstumsausblick zurückschrauben und riskantere Kunden loswerden musste — großteils als Folge einer BaFin-Prüfung. Worldline setzt eigenen Angaben zufolge die Forderungen der BaFin um und geht sogar darüber hinaus. Unzer erklärte letztes Jahr, dass man mit der BaFin weiter zusammenarbeitet. Branson selbst stand für ein Interview nicht zur Verfügung. Auf einer kürzlich abgehaltenen Konferenz der der BaFin für Fintech-Manager sagte er, die Behörde habe “hohe Aufsichtsstandards, die alle Marktteilnehmer zu respektieren haben”.

“Die BaFin ist extrem offen für Innovation, deswegen sind wir mit diesem Austauschformat hier”, sagte Branson. “Aber wir sagen: Innovation muss grundsätzlich im Interesse der Kunden, des Finanzplatzes sein.”

Um sicherzustellen, dass das rasche Kundenwachstum der Fintech-Firmen nicht dem Aufbau von Kontrollen — zum Beispiel zur Verhinderung von Geldwäsche — vorauseilt, hat die BaFin bestimmten Neobanken und Zahlungsdienstleistern Obergrenzen für die Anzahl der Kunden eingeführt, die sie aufnehmen dürfen. Solaris war etwa aufgefordert worden, die Kundeneinlagen zu reduzieren, um die Kapitalstärke wieder in Einklang mit den Vorschriften zu bringen. Diese Maßnahme, die das Wachstum abgewürgt hätte, ist nun allerdings vom Tisch.

Viele Fintechs mussten zusätzliches Personal in den Bereichen Audit und Compliance einstellen. Einige, darunter Solaris, Unzer und die Neobank N26, mussten externe Prüfer bezahlen, die der BaFin über ihre Fortschritte bei der Behebung von Mängeln berichten. Zuletzt forderte die BaFin am Mittwoch eine Tochter der Schweizer Leonteq auf, ihre Kontrollen zur Verhinderung von Geldwäsche zu verbessern.

Zu viel Regulierung belastet Branche?

Hinter den Kulissen murren einige Manager, dass die BaFin sich vor allem darauf konzentriere, der Politik zu zeigen, dass sie die Regeln durchsetzt. Die Belastung für die Branche, sei es durch zeitaufwändige regulatorische Arbeiten oder Kosten, sei in Deutschland höher als in anderen europäischen Ländern. “Wir stellen auch fest, dass die Anforderungen der Regulatorik in Deutschland höher scheinen als im europäischen Ausland”, ließ der Bundesverband der Zahlungsinstitute wissen. “Wir sehen hier als Verband die Notwendigkeit, eine strategische Ausrichtung festzulegen, um den Finanzstandort Deutschland zu sichern.”

Genau diese Notwendigkeit sieht die BaFin allerdings ebenfalls — und ist gerade deshalb proaktiv, so Valeriya Dinger, Wirtschaftsprofessorin an der Universität Osnabrück und Mitglied im Fachbeirat der BaFin. “Das Vertrauen wurde durch die Ereignisse um Wirecard wirklich erschüttert”, so Dinger. Die Bemühungen der Behörde seien “gut für den Finanzplatz, aber auch für die einzelnen Firmen, weil es hilft zu sagen, dass man aus einem Land mit funktionierender Regulierung kommt”.

FMW/Bloomberg



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