Europa

Anträge von Privatpersonen -42 % Baugenehmigungen sinken auf tiefsten Stand seit 11 Jahren

Die Anzahl der Baugenehmigungen in Deutschland sinkt massiv, in 2023 auf den tiefsten Stand seit elf Jahren. Hier die aktuellen Details.

Baustelle
Baustelle. Foto: Constiv-Freepik.com

Hohe Zinsen sollen dämpfend auf die Konjunktur wirken, damit die Inflation eingedämmt wird. Dass hohe Zinsen die wirtschaftliche Aktivität abwürgen, sieht man nirgendwo direkter als am Immobilienmarkt. Wenn Zinsen so schnell und kräftig ansteigen wie seit Sommer 2022, verteuern sich die monatlichen Finanzierungskosten für Projektentwickler und private Häuslebauer so sehr, dass viele ganz von einem Neubau absehen. Das sieht man immer stärker bei den staatlichen Statistiken für Baugenehmigungen.

Baugenehmigungen sinken im Jahresvergleich um 26,6 %

Und hierfür liegen jetzt die Zahlen für das Gesamtjahr 2023 vor. In Deutschland wurde laut Statistischem Bundesamt der Bau von 260.100 Wohnungen genehmigt. Das waren 26,6 % oder 94.100 Baugenehmigungen weniger als im Jahr 2022. Niedriger war die Zahl der Baugenehmigungen zuletzt im Jahr 2012 mit 241.100 Wohnungen. In den Zahlen sind sowohl die Baugenehmigungen für Wohnungen in neuen Gebäuden als auch für neue Wohnungen in bestehenden Gebäuden enthalten. Die Zahl der Baugenehmigungen ist ein wichtiger Frühindikator für die zukünftige Bauaktivität. Zum Rückgang der Bauvorhaben im Jahr 2023 dürften laut Aussage der Statistiker unter anderem gestiegene Kosten für Baumaterialien und verschlechterte Finanzierungsbedingungen beigetragen haben. Die Grafik, die bis 2010 zurückreicht, zeigt die Abwärtstendenz bei den Genehmigungen, die seit Anfang 2022 läuft.

Grafik zeigt Entwicklung der Baugenehmigungen seit dem Jahr 2010

Details

Im Jahr 2023 wurden in neu zu errichtenden Wohngebäuden 214.100 Wohnungen genehmigt. Das waren 29,7 % oder 90.200 Neubauwohnungen weniger als im Vorjahr. Rund 93 % der Bauanträge für Wohnungen in neuen Wohngebäuden werden in Deutschland von Unternehmen und Privatpersonen gestellt. Entsprechend prägen diese beiden Gruppen die Gesamtentwicklung. Auf Unternehmen entfielen 117.700 Baugenehmigungen für Wohnungen und damit 20,3 % oder 30.000 weniger als im Vorjahr. Auf Privatpersonen gingen 81.300 Baugenehmigungen zurück, das waren 42,2 % oder 59 400 weniger als im Jahr zuvor. Die Zahl der Baugenehmigungen, die auf Bauanträge der öffentlichen Hand zurückgehen, sank um 12,1 % (-1 500) auf 11.000 Bauanträge.

Nach Gebäudearten betrachtet ging im Jahr 2023 die Zahl der Baugenehmigungen für Einfamilienhäuser (-39,1 % oder -30.500 auf 47.600) und Zweifamilienhäuser (-48,3 % oder -13.400 auf 14.300 Wohnungen) besonders stark zurück. Diese beiden Gebäudearten werden im Allgemeinen von Privatpersonen errichtet. Etwa zwei Drittel der Neubauwohnungen in Deutschland entstehen in Mehrfamilienhäusern, die überwiegend von Unternehmen gebaut werden. Hier sank die Zahl der Baugenehmigungen um 25,1 % oder 47.800 auf 142.600 Wohnungen.

Aktueller Expetenkommentar

Der Branchenverband „Zentraler Immobilienausschuss (ZIA) sagt aktuell folgendes zu den stark rückläufigen Baugenehmigungen: Angesichts der neuesten Zahlen des Statistischen Bundesamtes zu den Baugenehmigungen von Wohnungen fordert die Immobilienwirtschaft eine schnelle politische Umkehr. „Beim Wachstumschancengesetz wird sich zeigen, ob auch die Verantwortlichen in den Ländern passgenaue Antworten auf den Ernst der Lage geben wollen“, sagte ZIA-Präsident Dr. Andreas Mattner. „Wir müssen dringendst die Serie schlechter Nachrichten durchbrechen. Denn mehr Wohnraum ist auch eine Frage des sozialen Zusammenhalts.“

Laut Statistischem Bundesamt ging die Zahl genehmigter Wohnungen 2023 gegenüber dem Vorjahr um 94 100 auf nun 260 100 Wohnungen – den tiefsten Stand seit 2012 – zurück. „Kein Wunder“, so der Präsident des Spitzenverbandes der Immobilienbranche, „unter den aktuellen Bedingungen ist es nicht möglich, neue Projekte anzugehen.“

Die Entscheidung zum Wachstumschancengesetz am 22. März im Bundesrat sei „die nächste Gelegenheit der politisch Verantwortlichen, zu zeigen, dass sie die Signale verstanden haben“, erklärt Mattner. Es sei „absolut unverzichtbar“, dass die vom Bund gewünschten steuerlichen Anreize („degressive AfA“) kommen. Die Länder dürften sich diesem Push für Wohnungsbau nicht verweigern. „Die wichtigen Impulse für mehr Wohnungen, die wir in Deutschland so dringend brauchen wie seit Jahrzehnten nicht, darf man nicht mit Themen aus anderen Bereichen der Daseinsvorsorge vermengen.“

Auch ein temporärer Verzicht auf die Grunderwerbsteuer und auf kommunale Abschöpfungen beim Wohnungsbau wären nun Schritte, die „grundlegende Veränderung bringen“, sagt Mattner.



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