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Inflation, EZB-Zinsen und Konsum Wirtschaft am Wendepunkt – Nur so gelingt die Wende

Wirtschaft am Wendepunkt - Nur so gelingt die Wende
Eurozone - Wirtschaft. Grafik: Fabrikasimf - Freepik.com

Die Wirtschaftserholung im Euroraum ist bisher nur ein zartes Pflänzchen, das jederzeit wieder zu verdörren droht, wenn sich der zurückhaltende Konsum und die schwächelnde Industrie nicht bald umkehren. Laut einem Bericht von Bloomberg müssen die Verbraucher in den Konsummodus wechseln, um die Wirtschaft in Schwung zu bringen. Die Konjunktur steht jetzt an einem Wendepunkt. Damit die Trendwende auch gelingt, muss die Inflation weiter zurückgehen, die EZB die Zinsen senken und die gestiegenen Löhne den Konsum entfachen.

Die EZB-Ratsmitglieder erwarten schon seit langem einen Konsumaufschwung in der Region, aber bisher sind ihre Prognosen nicht eingetreten – gelingt nun die Trendwende?

Wirtschaft: Konsum als Konjunkturmotor

Steigende Konsumausgaben wären für den Euroraum ein wichtiger Konjunkturmotor, der die Wirtschaft diesseits des Atlantiks wieder auf Wachstumskurs bringen könnte. Das Umfeld dafür müsste eigentlich passen angesichts Rekordbeschäftigung, stark gestiegener Löhne und der Annäherung der Teuerungsrate an die 2%-Marke. Während die Daten der vergangenen Woche zeigten, dass die Region die Rezession hinter sich gelassen hat und alle vier größten Volkswirtschaften der Eurozone stärker als erwartet gewachsen sind, war das Bild beim Konsum durchwachsen.

Sowohl Deutschland als auch Italien leiden immer noch unter schwacher Binnennachfrage.In Frankreich indessen haben die Haushalte ihre Ausgaben erhöht, und es gab jüngst einige Anzeichen dafür, dass ein konsumgetriebener Aufschwung kommen könnte. Laut den Einkaufsmanager-Befragungen von S&P Global erreichte die Aktivität im Dienstleistungssektor der Eurozone im April ein Elf-Monats-Hoch. Steigende Aufträge deuten darauf hin, dass sich die Dynamik fortsetzen könnte.

Wirtschaft: Konsum schwächelt - EZB liegt mit ihren Prognosen falsch
Verbraucher im Euroraum wollen mehr sparen und weniger ausgeben

Zieht der Konsum wieder an?

Die Konjunkturumfragen geben Anlass zur Hoffnung. Ladenbesitzer Kaweh Nemati in Frankfurt glaubt, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis die Kunden zurückkehren.

„Man muss positiv und optimistisch bleiben — alles andere bedeutet Aufgeben“, sagte Nemati, der eine kleine Boutique besitzt und einem Händlerinteressensverband im Frankfurter Nordend vorsteht. „Irgendwann werden die Verbraucher sagen müssen: ‚Wir haben lange genug gespart‘. Und wenn der erste Dominostein fällt, wird er hoffentlich andere mitreißen.”

Der niederländische Einzelhandelsriese Ahold Delhaize, der die Supermarktkette Albert Heijn betreibt, äußerte sich im Februar optimistisch zum Konsumausblick in Europa. Im vierten Quartal war die Absatzdynamik bei verschiedenen Marken von Ahold Delhaize erstmals seit über zwei Jahren positiv.

Wirtschaft im Euroraum mit Wachstums-Signal
Wirtschaft: Aktivität im Euroraum signalisiert Wachstum

Eurozone: Wirtschaft am Wendepunkt

„Wir stehen an einem Wendepunkt“, sagt Antonio Espasa, Europa-Chefvolkswirt bei der spanischen Santander CIB. Schub für die Nachfrage sei ab dem zweiten Halbjahr vom Lohnwachstum, der rückläufigen Inflation und der Aussicht auf Zinssenkungen durch die Europäische Zentralbank (EZB) zu erwarten.

„In Spanien wurden mehr Arbeitsplätze geschaffen als in anderen Ländern, und das verfügbare Realeinkommen wächst schneller“, so Espasa. „Gleichzeitig wächst die spanische Bevölkerung erheblich. Das ist sehr wichtig für den Konsum. Mehr Menschen, die ins Land kommen, bedeuten mehr Menschen, die etwas ausgeben.”

Von Bloomberg befragte Ökonomen erwarten, dass der private Konsum in Spanien doppelt so schnell wachsen wird wie in der Eurozone und fast so stark wie in den USA, wo er der Wirtschaft zu einem deutlich schnelleren Wachstum verhilft.

Die EZB-Räte erwarten schon seit langem einen Konsumaufschwung in der Region, der bisher aber noch nicht eingetreten ist. Bisher haben die Währungshüter den Anstieg des privaten Verbrauchs stets überschätzt — und ihre jüngsten Prognosen vom März könnten immer noch zu optimistisch sein.

Wirtschaft: EZB hat die Verbrauchernachfrage überschätzt
EZB hat die Verbrauchernachfrage überschätzt

Besserung in Deutschland

Die deutsche Wirtschaft befindet sich auf dem Weg der Besserung, aber es geht nur schleppend voran. In Deutschland dürfte die Stärke des Verbrauchs den größten Unterschied ausmachen. Die Haushalte hierzulande gehören im Euroraum zu den vorsichtigsten. Mit dem Ukraine-Krieg ist billiges Gas als wichtiger Grundstein der Industrie weggefallen, und die Ampel-Regierung ist zerstritten.

Der Ausblick allerdings scheint sich bereits aufzuhellen. Ifo-Präsident Clemens Fuest sagte im April im Bloomberg-TV-Interview, dass die Ausgaben der privaten Haushalte das Wachstum im zweiten Quartal stützen dürften. “Es sieht so aus, als ob das, worauf wir gewartet haben, jetzt kommt.” Es bleiben aber auch Risiken, vor allem im Industriesektor, sagt Fuest. Die Kernaussagen vom ifo-Präsident zum Zustand der deutschen Wirtschaft sehen Sie im nachfolgenden Video:

Leichtes Wirtschaftswachstum

Am Freitag hoben die Ökonomen der Deutschen Bank ihre Prognose für das Jahr 2024 an. Statt mit einer Schrumpfung des Bruttoinlandsprodukts um 0,2% rechnen sie nun mit 0,3% Wachstum, da sich der private Verbrauch stärker erholen dürfte als ursprünglich angenommen.

Für nachhaltige Zuversicht dürfte es allerdings ein beständigeres Konjunkturumfeld brauchen.

“In den Daten spricht nichts gegen einen sehr starken Anstieg des Konsums”, sagt Rolf Bürkl, Leiter des Bereichs Konsumklima beim Nürnberger Marktforschungsinstitut NIM, das regelmäßig in verschiedenen europäischen Ländern Umfragen zum Thema durchführt. „Ein starker psychologischer Faktor wird jedoch oft unterschätzt: die Unsicherheit. Sie ist im Hinblick auf die Verbraucherausgaben ebenso bedeutsam wie für die Unternehmensinvestitionen.“

Konsum: Verbraucher im Euroraum sparen, statt zu konsumieren
Die meisten Europäer sind noch nicht bereit, weniger zu sparen und mehr zu konsumieren

FMW/Bloomberg



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8 Kommentare

  1. Die Europäische Union sollte die Industrie als Rückgrat der europäischen Volkswirtschaft ansehen, und dies mittels einer gemeinsamen europäischen Industriepolitik, beispielsweise im Rahmen der Branchen Maschinenbau, Künstliche Intelligenz und Chipindustrie entsprechend zum Ausdruck bringen. Dazu gehört auch eine Netzwerkstrategie.

  2. Abschließend lässt sich festhalten, dass die aktuelle Inflation einen drastischen Einfluss auf das Einkommen der Bevölkerung hat. Immer mehr Menschen müssen mit weniger auskommen und leiden unter der steigenden Armut.

    In einer Welt, in der die Ausgaben für Versicherungen, Steuern, Energie, Mieten, Lebensmittel und Dienstleistungen unaufhörlich steigen, kann es schwierig sein, den Überblick zu behalten. Die Inflation hat uns fest im Griff und wir alle spüren die Auswirkungen in unserem Geldbeutel.

    Es ist dringend erforderlich, dass wir uns bewusst machen, wie wichtig es ist, dieses Problem anzugehen und Lösungen zu finden. Nicht der Bruttoinlandsprodukt ist mehr wichtig sondern die Bekämpfung der Armut.

    Wohlhabende juckt die Armut der Bevölkerung nicht, das wird auch so bleiben. Die Altersarmut wird immens steigen, und sie reden vom Wirtschaft und Wachstum.

    1. @Mufy: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist der Kuchen, der maximal zu verteilen ist. Das ist literarisch gesprochen, denn ein Teil davon ist nicht echt verteilbar, das Wenigste ist essbar. An die Armen kann nur der Anteil am BIP verteilt werden, der nicht zur Minderung des BIP beiträgt (Die Saat sähen, nicht essen). Steigt das BIP, steigt auch der Anteil, der für ärmere Menschen zur Verfügung steht. Fällt es, stehen weniger Mittel zur Bekämpfung von Armut zur Verfügung. Der Kuchen wird kleiner, weniger Leute werden satt.

      1. Ja danke für die Antwort. Wir müssen nur bei all den Werten die in Euro und US Dollar publiziert werden auch die Kaufkraft in Betracht ziehen. Die offiziellen Inflationszahlen werden seit Jahrzehnten unterschritten, damit die Bürger nicht in Panik geraten. Jeder sieht es doch an Ihrem Haushalt Einnahmen decken meist nicht die Ausgaben. Das führt entweder zur Verschuldung oder zur Minimalisierung des Lebens.

  3. Wie nachhaltig ist dieser Aufschwung? Wenn Russland weiter zündelt, kann ein Krieg in ganz Europa entstehen. Sehe für die EU in den nächsten Jahren eher schwarz Die Dominanz der USA wird bleiben. China könnte wieder kommen.

    1. @ Wolfgang Jagsch: Ihre Zweifel sind (m.M.n.) berechtigt.

      Russland sorgt für ein Prämie für die USA, weil diese zurzeit der einzig relativ krisensichere Kapitalmarkthafen ist. Die Sicherung des Kapitals bleibt aber wichtiger als die Steigerung desselben. Das sichert nicht die weltweite Dominanz der USA, kann aber den nord- und mittelamerikanischen Wirtschaftsraum etwas vom Rest der Welt abkoppeln. China steht an einer Weggabel: Politische Reformen und Öffnung des Kapitalmarkts oder es droht der langsame Niedergang. Und Europa? Wenn die Losung des Kapitals „Go West“ heißt, China zurück bleibt, ist für Europa nicht viel über. Das ist der perfekte Sturm.

  4. Moin, moin,

    wo ist die BRD-Bevölkerung arm? Wir haben in der BRD so viel Geld, dass wir schon gezwungen sind es ins Ausland (Entwicklungshilfe und Co.) zu versenken. Also wo sind wir arm?

  5. Schönes Spiel mit baldigem Ende

    Man sagt immer hohe Aktienkurse machen die Leute reicher. In den USA besitzen die oberen 10% 90 % der Aktien. Da bleibt noch etwas für die nächsten 20% und die unteren 70% werden immer ärmer durch die Inflation. Selbst ihre Beteiligung über die Pensionen werden durch Tiefstzinsen immer weniger.
    Da der Konsum sehr wichtig ist schaufeln sich die Umverteiler das eigene Grab.Die Elite will und kann das Problem nicht lösen, ( höhere Steuern oder weniger Ausgaben ) Der Mainstream ( soziale Spannungen) wird die Sache regeln, wovor Jamie Dimon schon länger warnte. Er hat aber beim schönen Spiel mitgemacht und nie etwas dagegen unternommen.Die nächste Generation kann beruhigt sein, wir konsumieren schon das Geld der übernächsten Generation.

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