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May´s krachende Brexit-Niederlage: So reagiert Juncker, und so merkwürdig reagiert das Pfund

Wie erwartet, oder sogar noch schlimmer als erwartet, wurde der Brexit-Deal von Theresa May gestern Abend im britischen Parlament abgelehnt. Damit ist die Lage unklarer und verworrener denn je. Das Bizarre an der Situation ist: Nun hoffen Parlamentarier, britische Öffentlichkeit und der Devisenmarkt in London gemeinsam darauf, dass Theresa May sich bewegen wird, und einen noch viel besseren Deal für Großbritannien herausschlagen wird. Und irgendwie könne ja nun alles besser werden. So möchten wir beispielsweise eine wichtige Publikation zitieren, die sich mit dem britischen Devisenmarkt beschäftigt. Zitat:

„May’s initial statement after the defeat was more conciliatory than we expected and implies that perhaps she will change direction to try and find a resolution that Parliament supports,“ says Paul Dales, Chief UK Economist with Capital Economics. „If tonight’s catastrophic defeat for the government leads to a consensus in Parliament, then it could actually mark the start of an upturn for the economy and the Pound.“

Alles klar? Häähhhhhh? Wie soll das gehen? Die EU wird höchstens kosmetische Nachbesserungen anbieten können, wenn sie nicht ihr Gesicht verlieren will. Tja, der Devisenmarkt ist wohl „bester Hoffnung“. Im folgenden Chart haben wir seit gestern früh den Verlauf von Pfund vs US-Dollar in schwarz dargestellt, und den Verlauf von Euro vs Pfund in orange. Man sieht, dass das Pfund gewonnen hat nach der krachenden Ablehnung im Parlament gestern Abend.

Die Lage ist unklarer denn je

Nochmal: Hähhhh? Also, wird nun alles besser? Wir meinen, wie schon in den letzten Tagen: Die Lage ist unklarer denn je, eine Lösung ist weiter entfernt denn je, und der harte Brexit rückt immer näher. Die Signale aus London zeigen eindeutig, dass die eigenen Reihen heute das angesetzte Misstrauensvotum der Opposition gegen Theresa May abblocken werden. Sie bleibt also im Amt. Und sie hat klar gemacht, dass es mit ihr kein neues Brexit-Referendum für die Bevölkerung geben wird.

Macht sie nun das, was offenbar die Devisenhändler von ihr erwarten? Versucht sie (wie auch immer) einen besseren Deal für UK rauszuholen? Gelingt ihr das (wie auch immer), werden noch mehr Brexit-Hardliner um Boris Johnson gegen diesen Deal stimmen bei der nächsten Abstimmung. Denn sie wollen ja raus aus der EU, mit einer klaren Trennung! Also, bitte schön, warum sehen die Devisenhändler diese aktuelle Situation derart optimistisch? Wir wollen an dieser Stelle nicht dazu raten das Pfund zu shorten. Aber dennoch wollen wir darauf hinweisen, dass der aktuelle Pfund-Kurs doch womöglich deutlich zu hoch angesetzt ist bei dem Chaos, dass offenbar am Devisenmarkt in London kaum einer sehen will.

Gibt es doch ein zweites Referendum? Stürzt May heute doch? Oder macht die EU überraschend Zugeständnisse? Möglich ist alles, aber doch äußerst unwahrscheinlich nach aktueller Faktenlage. Trader sollten das Pfund im Auge behalten.

Brexit Pfund

EU bereitet sich auf harten Brexit vor, und hofft weiterhin das Beste

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat nach dem Scheitern des Brexit-Deals im britischen Parlament diese offizielle Erklärung verkünden lassen. Man geht stramm auf einen harten Brexit zu, auch wenn das in London noch niemand so wirklich wahrhaben will. Zitat:

Brüssel, 15. Januar 2019

Ich nehme das Ergebnis der Abstimmung heute Abend im britischen Unterhaus mit Bedauern zur Kenntnis.

Aufseiten der EU wird der Prozess zur Ratifizierung des Austrittsabkommens fortgesetzt.

Das Austrittsabkommen ist ein fairer Kompromiss und stellt den bestmöglichen Deal dar. Es begrenzt den Schaden, der für Bürgerinnen und Bürger sowie für Unternehmen in ganz Europa aufgrund des Brexit entsteht. Das Abkommen ist der einzige Weg, um einen geordneten Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union zu gewährleisten.

Die Europäische Kommission und insbesondere unser Chefunterhändler Michel Barnier haben sehr viel Zeit und Mühe in das Aushandeln des Austrittsabkommens investiert. Wir haben während des gesamten Prozesses mit viel Kreativität und Flexibilität nach Lösungen gesucht. Präsident Tusk und ich selbst haben Anfang dieser Woche erneut unseren guten Willen unter Beweis gestellt, indem wir Premierministerin Theresa May in einem Schriftwechsel weitere Klarstellungen und Zusicherungen angeboten haben.

Die Gefahr eines ungeordneten Austritts des Vereinigten Königreichs ist durch die Abstimmung heute Abend gestiegen. Auch wenn wir eine solche Situation nicht wünschen, wird die Europäische Kommission weiterhin an Maßnahmen für den Ernstfall arbeiten, um dafür zu sorgen, dass die EU vollständig vorbereitet ist.

Ich rufe das Vereinigte Königreich dringend auf, uns seine Vorstellungen über das weitere Vorgehen so rasch wie möglich mitzuteilen.

Die Zeit ist fast abgelaufen.



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5 Kommentare

  1. Wie jetzt Häähhhh? Da läuft das erwartete Drehbuch ab und das soll jetzt zur Verwirrung führen? May ist Teil der Krake und spielt ihre Rolle, am Ende ihres Auftritts auf der politischen Bühne hat ein neues Referendum zu stehen, das war von Anfang an klar. Jetzt stellt sich nur die Frage, ob es dieses mit vorherigem Chaos, oder ohne gibt. Bevorzugt wurde sicherlich eines mit kurzzeitigem Chaos, dann hätte man das abschreckende Beispiel für die Populisten und einen krachenden Sieg für die Befürworter des Verbleibs in der EU. Nun gibt es aber das Problem der steigenden Fragilität im globalen Wirtschaftssystem, bei gleichzeitigem Verlust des Pulvers um Probleme in die Zukunft zu verschieben. Die Hypotheken auf die Zukunft, die dummdreist 50 Jahre aufgenommen wurden, werden fällig.
    Zockt die Krake, oder bekommt sie kalte Füße? Also, Referendum mit kurzzeitigem harten Brexit, oder ohne?

    1. @Hans im Glück, Referendum mit kurzzeitigem harten Brexit, oder ohne?
      Und nochmal Häähhhhhh? Was soll das denn für ein Szenario sein? Referendum mit kurzzeitigem harten Brexit? Erst vollchaotisch und ohne Kompromissbereitschaft austreten, dann neu abstimmen und wieder eintreten? Die EU mag ja vieles sein, aber doch kein Jo-Jo! :)
      Artikel 50 des Vertrags über die Europäische Union sieht dazu folgendes vor: Ein Staat, der aus der Union ausgetreten ist und erneut Mitglied werden möchte, muss dies nach dem Verfahren des Artikels 49 beantragen.
      Artikel 49 sieht unter anderem vor: Das Abkommen bedarf der Ratifikation durch alle Vertragsstaaten gemäß ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften.

      Und Sie glauben jetzt im Ernst, dass nach einem harten Brexit mal so eben alle Mitgliedsstaaten (es darf nicht ein einziger dagegen sein) ganz locker und fluffig diese separatistischen Chaoten mit offenen Armen empfangen würde? Erinnert mich an die nette Geschichte mit dem verlorenen Sohn (oder war es ein Schaf?).
      Was hätte das weltweit für eine Wirkung in der Außendarstellung? Was würde das für das innere Gefüge der EU bedeuten? Da kann mal eben jeder rechtsnationalistische Separatistenschwachkopf das Volk aufhetzen, nach dem Referendum untertauchen und von der politischen Bühne verschwinden, weil er der nachfolgenden Verantwortung und den Konsequenzen nicht gewachsen ist. Nach der großen Siegesfeier versinkt man dann für zwei Jahre in Chaos und Unfähigkeit, tritt schnell aus, um dann reumütig in die offenen Arme der (doch nicht so bösen) EU zurückzukehren.

      Häähhhhhh?

  2. Die Börsen und Märkte haben da einfach eine eigene Logik, die man nicht wirklich verstehen muss. Heute habe ich folgende scharfsinnige Aussage eines brillanten Analysten gelesen: Im Gegensatz zu dem, was alle erwartet haben, ist das Pfund gestiegen, was beweist, dass die Märkte bereits damit gerechnet hatten. AHA!!!
    Hatten nun die Märkte mit dem Abstimmungsergebnis gerechnet oder mit einem steigenden Pfund? Oder vielleicht mit einem fallenden Pfund (da dies ja schließlich „alle“ und somit logischerweise auch die Märkte erwartet haben)??
    Wenn alle ein fallendes Pfund erwartet haben, außer die Märkte, kann man dann noch von alle sprechen?
    Sind nicht im Gegenteil gerade die Märkte „alle“, wenn es um Währungen geht? Die durchschnittliche Hausfrau hat sicher kein fallendes Pfund erwartet.
    Wie gesagt, man muss das nicht verstehen und sollte sich von dieser seltsamen Währung fernhalten, wie ich es nach einigen schlechten Erfahrungen und historisch niedriger Trefferquote seit einigen Jahren mache. Oder man handelt Cable entgegen allen Überzeugungen und sonstigen Strategien genau gegenteilig, ohne sich Gedanken darüber zu machen, ob das nicht eigentlich widersinnig ist ;)

    1. Bundesfinanzminister

      Ihr letzter Satz zum Thema Widersinn ist nicht von der Hand zu weisen. Jeder an der Börse kennt den Spruch „Buy the rumor, sell the fact (bzw. news)“. Auch ich habe heute von einem „brillanten Analysten“ eine interessante Formulierung zum Thema steigendes Pfund gelesen. Dieser gab tatsächlich zum Besten: „Erinnern Sie sich an den Spruch „verkaufen Sie das Gerücht und kaufen Sie die Nachricht“.
      Sine commentario!

    2. Gerade weil fast alle auf ein fallendes GBP gesetzt haben, möchte ich an dieser Stelle nicht kategorisch ausschließen, dass sich mal wieder ein paar Fatfingers und Großzocker auf Kosten der großen Masse bereichert haben.
      Zumindest ist dieser Ansatz auch nicht schlechter als die paar wenigen skurrilen Erklärungsversuche, die man derzeit finden kann.

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