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Realität oder Zahlenzauber? China: BIP stark – aber selbst Peking zweifelt an eigenen Zahlen

Zahlen eher gewürfelt..

China BIP Wachstum
Foto: Ali_Production - Freepik.com

Die jüngste BIP-Zahlen aus China funkeln auf dem Papier, doch der Glanz könnte trügerisch sein. Das Land vermeldet ein überraschend starkes Bruttoinlandsprodukt (BIP) für das erste Quartal 2024, das mit einem Wachstum von 5,3% die Erwartungen von Analysten übertrifft. Doch diese beeindruckenden Zahlen stehen im Schatten von Wirtschaftsindikatoren, die eine andere Sprache sprechen und eine Verlangsamung in verschiedenen Sektoren nahelegen. Es stellt sich die Frage: Ist dies ein Fall von Realität oder Zahlenzauber seitens Beijings?

Die Börsen sind jedenfalls enttäuscht: Sowohl der Hang Seng Index als auch der Shanghai Composite Index schlossen heute im Minus, was auf eine enttäuschte Reaktion der Märkte trotz der guten Nachrichten hindeutet. Die Investoren scheinen nicht davon überzeugt zu sein, dass das Wachstum nachhaltig ist. Und in der Tat gibt es dafür Anzeichen.

China und sein Wachstum: Getrieben von Infrastruktur und Schulden

Das augenscheinlich beeindruckende Wachstum des chinesischen BIPs wurde maßgeblich von massiven Investitionen in die Infrastruktur, insbesondere in das umfangreiche Hochgeschwindigkeitsbahnnetz, und in High-Tech-Sektoren angetrieben. Obwohl das Schienennetz in den letzten Jahrzehnten erheblich zur wirtschaftlichen Entwicklung beigetragen hat, hat ein weiterer Zubau nur noch marginale Vorteile.

Die zunehmende Staatsverschuldung, die teilweise zur Finanzierung dieser Projekte dient, zeigt ebenso, dass das Wachstum nicht nachhaltig ist. Fitch stufte das Rating von China gerade aufgrund der steigenden Verschuldung herab, die voraussichtlich dieses Jahr auf 61,3% des BIP ansteigen wird. Und dies sind nur die offiziellen Schulden. Die Total Social Financing, also das Maß der Gesamtverschuldung, zeigt eher rund 400 % des BIPs an.

Die Außenhandelszahlen Chinas werfen Fragen auf, die nicht leicht zu beantworten sind. Das Nationale Statistikbüro (NBS) verzeichnet einen Anstieg des Gesamtaußenhandels von 5,0% gegenüber dem Vorjahr. Die Exporte stiegen um 4,9%, während die Importe um 5,0% zunahmen. Im Gegensatz dazu berichtet die chinesische Zollbehörde aber von einem Rückgang der Exporte um -1,74% auf und einem bescheidenen Anstieg der Importe um +1,09%. Obwohl Abweichungen zwischen den Angaben des Zolls, des Statistikamtes und der Devisenkontrollbehörde (SAFE) aufgrund unterschiedlicher Erhebungszeiträume und -standards sowie der Währungsbasis – hier US-Dollar gegenüber Yuan – nicht ungewöhnlich sind, ist die Größenordnung der Diskrepanz beunruhigend. In einer Zeit, in der das internationale Vertrauen bereits angespannt ist, tragen solche Inkonsistenzen nicht zur Vertrauensbildung bei. Bezeichnenderweise hat die Peoples Bank of China (PBoC) den Referenzkurz des Yuan gegenüber des US-Dollars heute auf den niedrigsten Stand seit dem 1. März gesenkt – was den chinesischen Exporten helfen sollte.

Selbst China zweifelt an eigenen Wirtschaftszahlen

Das Nationale Statistikbüro (NBS) scheint seinen eigenen guten Daten wirklich nicht zu trauen. So schrieb das NBS: „Der Rückschlag einiger wichtiger wirtschaftlicher Indikatoren im März ist größtenteils auf die hohen Basiseffekte zurückzuführen. Aufgrund der Pandemie im letzten Jahr wurden die Produktionsauslastung, Exportaufträge und andere Rückstände einiger Unternehmen verzögert und im März und April des letzten Jahres erledigt, was die Basiszahlen für diese beiden Monate im Jahr 2023 aufgebläht hat.“

Treffend fasst ein italiensicherer Geschäftsmann in Shanghai die Reaktion auf die offiziellen Zahlen zusammen. Er schrieb auf „X“, vormals Twitter: „Die BIP-Statistiken enttäuschen nie, es sieht so aus, als würde die Wirtschaft boomen. Aber vielleicht lebe ich im falschen Bereich oder spreche mit den falschen Leuten. Ich sehe nichts von Euphorie und Boomzeiten.“

Chinas Spagat: High-Tech-Boom und Überkapazitäten

Die Auslastung der industriellen Kapazitäten in China, die im ersten Quartal auf 73,6% sank, unterstreicht das Problem der Überkapazitäten, das sowohl international als auch während des aktuellen Besuchs in Beijing von Bundeskanzler Scholz angesprochen wurde. Obwohl die Industrieproduktion um +4,5% und die Fertigungsindustrie sogar um fast +10% gestiegen ist, blieb der Konsum mit einem Anstieg der Einzelhandelsumsätze von nur +3,1% zurück. In Verbindung mit dem leichten Rückgang der Exporte, den die chinesische Zollbehörde meldet, verdichtet sich das Bild, dass die Produktion die Nachfrage übersteigt und zu einem Anwachsen der Lagerbestände führt.

Einer der wenigen wirklich positiven Nachrichten ist eine deutliche Verschiebung hin zu High-Tech-Industrien. Im ersten Quartal 2024 verzeichnete die High-Tech-Fertigung ein Wachstum von +7,5%, was 2,6 Prozentpunkte besser ist als im vierten Quartal 2023. Dies deutet auf eine strategische Ausrichtung der Wirtschaft auf Sektoren mit höherem Wert und auf Innovation hin. Die Produktion von Elektrofahrzeug-Ladeeinrichtungen, 3D-Druckgeräten und elektronischen Komponenten stieg im Jahresvergleich um +41,7%, 40,6% bzw. +39,5%.

Deprimierend hingegen ist wieder einmal der Blick auf den Immobilienmarkt. Die Preise für neue Wohnungen fielen im März um -0,34% gegenüber dem Vormonat, und der Sekundärmarkt verzeichnete einen noch stärkeren Rückgang. Die Verkaufsflächen für Wohnimmobilien gingen im ersten Quartal um 19,4% im Vergleich zum Vorjahr zurück, und der Gesamtumsatz sank um -27,6%. Diese Zahlen deuten auf eine anhaltende Schwäche im Immobiliensektor hin, die durch eine Überangebotssituation und sinkende Nachfrage gekennzeichnet ist.

China und sein Wachstum: Nicht “Qualitativ hochwertig”, aber geschönt?

Die offiziellen BIP-Zahlen aus China sind zwar beeindruckend, doch bei genauerer Betrachtung stellen sich  mehr Fragen, als sie Antworten liefern. Die Reaktion der Börsen und die eigenen Kommentare des Statistikbüros deuten darauf hin, dass die Lage der Wirtschaft wesentlich weniger rosig ist, als es die erste Schlagzeile vermuten lässt. Vor allem scheint das Wachstum nicht nachhaltig zu sein oder, im Sprech der Kommunistischen Partei, „qualitativ hochwertig“. Dies hinterlässt den bitteren Beigeschmack, dass die Zahlen eher gewürfelt sind als auf realen Daten basieren. So schafft China kein Vertrauen.



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7 Kommentare

  1. da wollte wohl das statistik amt die richtigen zahlen abliefern – chinese angst.

    jeder bei klarem verstand weiß, dass das abstrus ist. somit ist die übung mehr als misslungen.

  2. Moin, moin,

    „Realität oder Zahlenzauber?“ – da hätte man auch einen Artikel aus Berlin erwarten können, aber egal dann halt zum Kaffee am Morgen China, auch gut.

  3. @asyoulike
    tja, statt feuchte Träume von den Vorzügen eine autokratischen Regime gibt es halt Schreiberlinge, die sich die Mühe machen, den Zahlensalat aus China durchzuarbeiten und nicht nur auf headlines reinfallen.

    1. Gemeinsam gegen Radikale

      „…statt feuchte Träume von den Vorzügen eines autokratischen Regimes…..

      Stimme voll und ganz zu.

      Deswegen müssen wir auch gemeinsam ein grünautokratisches klimaradikales Regime verhindern👍

      Sonst werden diese radikalisierten Gesellschaftsspalter und Angstverbreiter auch hier folgendes verursachen:

      https://www.youtube.com/watch?v=aDyQxtg0V2w

      Aber natürlich nur mit guten Absichten.
      Wenn Teile der Bevölkerung (grüne Gutmenschen) meinen besser zu wissen, was für jedes Individuum das Richtige ist, dann wird es gefährlich.

      1. Die (links) Grünen repräsentieren nur eine Minderheit in der Gesellschaft.

        Da die Linksgrünen nicht in der Lage sind, breite Gesellschaftsschichten von ihren Ideen zu Überzeugen, wollen sie mit Gesetzen ihre Ideologien durchsetzen, auch gegen den Willen der Mehrheit der Bürger.

        Das ist es, was den ein oder andern so stört an dieser Partei und das ist es, was Proteste verursacht, die weniger gegen unser demokratisches System, sondern gegen die Arroganz dieser eigentlich kleinen Regierungsgruppe gerichtet sind.

        https://dawum.de/Bundestag/Forsa/2024-04-16/

        Nach aktuellen Umfrageergebnissen kann man folgendes feststellen.

        Die aus Sicht der Grünen rechten und bösen Parteien, also alles was nicht links der Mitte ist (also CDU/CSU und AFD und FDP und BSW) haben Zuspruch von pi mal Daumen 75 Prozent in der Gesellschaft.

        Alles links der Mitte (SPD und Grüne) kommen auf pi mal Daumen ein Viertel Zuspruch in der Bevölkerung.

        Und zu welchem Schluss kommen da die Grünen?

        Antwort: Der Fehler muss in der Gesellschaft liegen und die sind alle Rechts und Böse und es liegt bestimmt nicht an der Art der Politik der Grünen. 🙈

        1. @Günenfan
          Pi mal Daumen verorten Sie die sonstigen Parteien, zu denen übrigens auch die Linken, die Tierschutzpartei und die PARTEI zählen, mit 14 Prozent einfach mal rechts der Mitte.

          Dasselbe machen Sie mit dem BSW, das sich noch nicht ganz entschieden hat, ob es nun links- oder rechtradikale Poitionen vertreten soll. Ich würde sagen, bei Russland, Nationalstaatlichkeit und Abschottung schwer rechts, ansonsten aber in Teilen massiv sozialistisch. Zusammenfassend könnte man sagen: Wirtschaft wie Ludwig Erhard (aber deutlich für hohe Besteuerung von Konzernen und reichen Menschen), Sozialpolitik wie die Linke und eine Prise Populismus. Oder kurz: Ein Sammelbecken für Frustrierte aller Couleur. Teilen wir sie doch einfach 50:50 und ordnen sie beiden Richtungen zu.

          Pi mal Daumen landen wir dann bei 36 Prozent links der Mitte, was Pi mal Daumen natürlich einem Viertel entspricht.
          Da fällt mir noch ein: Pi mal Daumen entspricht auch der Anteil an Unentschlossenen und Nichtwählern einem Viertel der Gesellschaft. Die ignorieren wir einfach mal, wenn wir vom Zuspruch in der Gesellschaft schreiben. Nicht, dass da ggf. einiges an derzeit enttäuschten Grünen- und SPD-Wählern enthalten ist, die die schöne Statistik verhageln könnten.

          Man könnte es auch so sehen: Die von Ihnen genannten Parteien CDU/CSU, AFD, FDP und die halbe BSW haben laut der FORSA-Umfrage bei 77 Prozent der Bevölkerung eine Zustimmung von 55,5 Prozent. Die Unentschlossenen und Nichtwähler zählen natürlich ebenfalls zur Gesellschaft, geben aber den gelisteten Parteien keine Zustimmung.
          Damit verbleiben Pi mal Daumen 42,7 Prozent in der Gesellschaft, die explizit diesen Parteien ihren Zuspruch geben.
          Was natürlich Pi mal Daumen fast genau Ihren 75 Prozent entspricht 🙈

      2. @Gemeinsam gegen Radikale
        Komisch, bisher wurden alle Regierungen mit Gruener Beteiligung in demokratischen Wahlen gewaehlt und wenn sie abgewaehlt wurden, gab es keinerlei Versuche der Partei, mittels Putch an der Macht zu bleiben.

        Und die groesste Vorschriftspartei ist im Moment die CSU, die irgendwie per Zwang regeln will, wie man sich als ordentlicher Deutscher zu verhalten hat, Gender-Verbot, Kiffen-Verbot, Kreuzgebot im Klassenzimmer TBC….

        Die wahren Feinde der Demokratie sind aber unsere blauen Schluempfe, die unser Land fuer laepische 20,000 Euro an Russland verkaufen, Staatsbuerger abschieben wollen („Das ist kein Geheimplan. Das ist ein Versprechen“ – Rene Springer) und ganz offen zugibt, unsere parlamentarische Demokratie abschaffen zu wollen.Ach ja, und sich natuerlich auch von China bezahlen laesst, wo Alice Weidel hoffiert wird.

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