Gas

Vom Solarmodulgiganten zum Großproduzenten für Industriegase Wie Deutschland Sanktionsgewinner China den Rücken stärkt

Der Westen sanktioniert Russland massiv. Aber zum Beispiel Deutschland stärkt dem Sanktionsgewinner China den Rücken.

Peking ist die Hauptstadt von China

Ist es dem Reich der Mitte seinerzeit gelungen dem Solarpionier Deutschland mit Gigafabriken zur Zell- und Modulproduktion den Rang abzulaufen, schickt sich China jetzt an, seine Bezugsquelle Russland für eigene Großprojekte gewinnbringend zu nutzen. Das Gute daran ist, dass es ganz legal ist. Keine Sanktionen drohen für russisches Gas, das in China verflüssigt werden soll. Die nötige Ausrüstung zur Gasverflüssigung und Produktion von Industriegasen im großen Stil liefern westliche Unternehmen wie etwa Linde und BASF. Sind Produktionsschließungen am Standort von BASF in Deutschland beschlossen, baut der Chemiekonzern in China kräftig auf.

Russland wird Vasall von China

Schon zu Zeiten der Sowjetunion ging es um die Vormacht der Systeme. China hat Bestand bis heute, während die Sowjetunion bankrott ging. Dass Präsident Wladimir Putin sich an den russischen Großmachtvorstellungen übernimmt und das Land daran zerbrechen kann, ist in China längst auf der Tagesordnung. Das zeigte jüngst das chinesische Staatsfernsehen, worüber der ehemalige Dumaabgeordnete und Putinkritiker Gennadij Gudkow auf Twitter am 13. März informierte. Die eingeblendete Karte in der betreffenden Fernsehsendung demonstriert, wie China sich angeblich russische Landesteile im Osten einverleibt, während Kasachstan und auch die Mongolei mit Gebietsausweitungen nach Norden vom russischen Zusammenbruch profitieren sollen.

„Zeigen Sie das bitte den Hurra-Patrioten und Putrioten. Es ist möglich ohne Kommentare. Dies lief im wichtigsten Staatsfernsehen Chinas. Sie haben bereits begonnen, ernsthaft über ihren Anteil an Russland zu sprechen. Putin ist ein Vasall von Xi Jinping. Er wird ihm das Land im Austausch dafür geben, dass er im Kreml bleibt!“, lautet der Tweet von Gudkow.

Es mag wie ein verwirrtes Szenario anmuten. Doch die Ängste Russlands sind darin kanalisiert, dass China seinen Nachbarn bis zum letzten ausnutzt, um das eigene Fortbestehen zu sichern. Mit Technik aus dem Westen lassen sich Stärken ausspielen, über die der Rohstofflieferant nicht verfügt. Die vielbeschworene Diversifizierung der Wirtschaft, wie sie Dmitri Medwedew in seiner Präsidentschaft in Russland beschwor, fand nicht statt. Rohstoffe sind bis heute die russischen Zugpferde sowohl im Außenhandel als auch daheim, wenn es darum geht, Gasanschlüsse frei Haus zu legen und im Parteitagsstil zu beruhigen und zu überzeugen.

Deutschland liefert Technik

Großprojekte bescheren BASF und Linde in Russland große Verluste. Dafür muss nun Ausgleich her. Beide Unternehmen schlossen im Februar einen Vertrag über die Planung, Beschaffung und den Bau einer Synthesegasanlage in Zhanjiang in der südchinesischen Provinz Guangdong. Hier errichtet BASF aktuell seinen zukünftig drittgrößten Verbundstandort nach Ludwigshafen in Deutschland und Antwerpen in Belgien. Für dieses Projekt sind bis 2030 Investitionen in Höhe von bis zu 10 Milliarden Euro vorgesehen. Dies ist Unternehmensangaben zufolge die größte Investition des Chemiekonzerns. Der neue intelligente Verbundstandort soll einen Steamcracker mit einer Kapazität von 1 Million Tonnen Ethylen pro Jahr und nachgelagerte Anlagen für verbrauchernahe Produkte umfassen. „Es ist ein ehrgeiziges Projekt im dynamischsten Wachstumsmarkt der Chemieindustrie. In Zhanjiang werden wir die neuesten und innovativsten Technologien einsetzen und den Standort so zum Vorbild für eine nachhaltige Produktion machen – in China und weltweit“, unterstrich dazu Vorstandsvorsitzender Martin Brudermüller im BASF-Bericht 2022. Die erste Anlage am integrierten Verbundstandort ging im letzten August in Betrieb. Im März erfolgte dort der Spatenstich zum Bau des Acrylsäure­Komplexes, der 2025 werden soll. Acrylsäure ist bei der Herstellung von Komponenten für Klebstoffe, Bau- und Industrielacke ein wichtiges Vorprodukt.

Maßnahmen zur Kosteneinsparung treffen im Vergleich dazu Standorte in Europa und hier in erster Linie in Deutschland den Standort Nummer 1 Ludwigshafen. Als Grund dafür nannte Brudermüller bürokratische und langsame Genehmigungsverfahren, hohe Kosten für die meisten Produktionsfaktoren und but not least hohe Energiekosten, die die Wettbewerbsfähigkeit belasteten. Ein Blick in aktuelle Pressemitteilungen verdeutlicht, dass BASF sich in China und auch Indien verstärkt engagiert. Linde Engineering will den Auftrag von BASF mit seinem chinesischen Partnerunternehmen East China Engineering Science and Technology umsetzen. Beide Unternehmen hätten bereits bei der Planung und dem Bau mehrerer Rectisol®-Anlagen zur Entfernung von sauren Gasen in China zusammengearbeitet. Im neuen BASF-Projekt soll Linde als Konsortialführer fungieren und das Basis-Engineering und die Schlüsselausrüstung bereitstellen, während das chinesische Partnerunternehmen für die Detailplanung und den Bau zuständig ist. Das, was in Russland wegen des Krieges in der Ukraine nicht mehr möglich ist, läuft jetzt in und über China.

China nutzt Spielräume clever

Sowohl China als auch Indien betreiben mit Russland einen intensiven Handel. Führt Indien russisches Öl ein und verarbeitet es zu Diesel, um diesen dann ohne Sanktionsrisken nach Europa zu verschiffen, ist China ein Hotspot für technische Energieeinfuhren. Es bietet Unternehmen wie BASF und Linde Wege, um technisches Know how ins Land zu bringen, das dem Nachbarn fehlt. Um die LNG-Produktion umfangreich auszubauen, braucht Russland technische Ausrüstung. Was den Nachbau und die Lizenzfertigung angeht, hat sich China in der Vergangenheit bestens bewährt. Nun liegt das Reich der Mitte in der Mitte zwischen einem Land mit riesigen Öl- und Gasvorkommen und westlichen Unternehmen, die die neueste Verarbeitungstechnologien liefern. Die Spielräume gewinnbringend zu nutzen, dürfte nun das übergreifende Ziel sein.

„China beabsichtigt, eine noch engere Partnerschaft mit Russland im Energiesektor aufzubauen“, sagte der chinesische Botschafter in Russland Zhang Hanhui in einem Interview mit der russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti am 17. März. Dies sei der Eckpfeiler der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern. Zugleich gehe es um die Stärkung der internationale Energiesicherheit und Stabilität der Produktions- und Lieferketten. Ebenso sei eine großangelegte LNG-Produktion in China mit Erdgas, das über Gasleitungen aus Russland ins Land kommt, im Gespräch, erklärte russischen Medien zufolge Irina Fatjanowa, außerordentliche Professorin am Lehrstuhl für Corporate Governance und Innovation an der Russischen G. W. Plechanowa Universität für Wirtschaftswissenschaften. „Dieses Projekt befindet sich im Entwicklungsstatus.“ Im Land seien bereits kleine Gasverflüssigungsanlagen in Betrieb. China will offenbar die Produktion vergrößern und in Zukunft ein Gasverarbeitungscluster aufbauen, um die LNG-Exporte zu steigern. Klimmzüge, um Sanktionen zu umgehen, entfallen. Firmen wie BASF und Linde unterstützen China mit Technik, seine LNG-Exportambitionen umzusetzen wie seinerzeit deutsche Hersteller das Equipment zum Aufbau der Solargigafabriken lieferten. Die nötigen Rohstoffe kommen derweil von Russland.



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