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Wie Peking die Zuverlässigkeit der USA in Frage stellt China und Taiwan-Invasion: Umgang mit Philippinen als Test für USA

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Im Schatten der großen Krisen der Welt, dem Israel-Hamas-Konflikt oder dem Ukraine-Krieg, schweelt im Südpazifik ein Konflikt, der das Potential hat, jederzeit in einen heißen Krieg zwischen China und den USA zu eskalieren: Dabei versucht China nicht nur, seine Vormachtstellung innerhalb der sogenannten Neun-Punkte-Linie gegen Staaten wie die Philippinen durchzusetzen, sondern bei Taiwan und anderen Staaten rund um den Pazifik Zweifel an der Zuverlässigkeit Amerikas als Bündnispartner zu erwecken. Dabei folgt China den Strategemen des Sun Zi.

Seit Monaten Spannungen zwischen Philippinen und China

Seit Monaten kommt es zu Spannungen zwischen chinesischen Fischern, der chinesischen Küstenwache und der philippinischen Armee in der Nähe des Scarborough-Riffs sowie des philippinischen Kriegsschiffs „BRP Sierra Madre“‘ an der Second Thomas Sandbank, die zum Scarborough-Riff gehört.

Seit 2012 versucht China, dass dort eine unbenannte meteorologische Station errichtete, die vollständige und exklusive Kontrolle über die fischreichen Gewässer rund um das Scarborough-Riff durchzusetzen. Die Philippinen, die das Gebiet ebenfalls als Teil der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) beanspruchen, ließen 1997 die „BRP Sierra Madre“, ein Schiff aus dem 2. Weltkrieg, auf Grund laufen und unterhalten dort eine militärische Stützpunkt. Allerdings muss das Schiff regelmäßig notdürftig repariert werden, damit es nicht auseinanderbricht.

2013 riefen die Philippinen den Ständigen Schiedshof (PCA) an, um die Territorialansprüche zwischen China und den Philippinen zu klären. China machte deutlich, dass es nicht gewillt war, den Schiedsspruch zu akzeptieren, egal wie er ausfallen würde. 2016 entschied der Schiedshof, dass die Second Thomas Sandbank Teil der philippinischen AWZ sei, aber das restliche Scarborough-Riff und die Gewässer herum international nutzbar wären. Kein Land hätte dort exklusive Rechte.

Nach jahrelangem Hin und Her bezüglich der „BRP Sierra Madre“ hat Beijing offenbar eine energischere Herangehensweise gewählt, um seinen Anspruch auf weite Teile des Südchinesischen Meeres zu stärken. Das Schiff aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs stand schon im August im Mittelpunkt der Spannungen zwischen den beiden asiatischen Ländern, als Schiffe der chinesischen Küstenwache zwei philippinische Versorgungsschiffe blockierten und Wasserwerfer gegen sie einsetzten. Die philippinischen Schiffe versuchten, Nahrungsmittel und andere Vorräte an das auf dem Schiff stationierte Militärpersonal zu liefern. Anfang Oktober filmte die BBC, wie die chinesische Küstenwache versuchte, eine Versorgungsfahrt zu der schwimmenden Garnison zu blockieren. Die Fernsehaufnahmen zeigen, wie Schiffe sich bis auf wenige Meter näherten. Ende Oktober blieb es nicht bei einer Annäherung, sondern Schiffe der chinesischen und philippinischen Küstenwache kollidierten bei einem erneuten Versuch, die „BRP Sierra Madre“ mit Nahrungsmitteln und anderen Gütern zu ergänzen. Diese Zwischenfälle sind nur die Höhepunkte verschiedener Vorfälle in den letzten Monaten, wie z.B. das Zerstören von Riffen durch chinesische Fischer5 oder das Ausbringen von Seesperren durch die chinesische Küstenwache6

In einem Statement verteidigte die chinesische Küstenwache die Blockade der „BRP Sierra Madre“, denn „China hat zweifellos die Souveränität über die Nansha-Inseln (Chinas Bezeichnung für die Spratly-Inseln), einschließlich des Ren’ai-Riffs (Chinas Bezeichnung für die Second Thomas Sandbank), und die angrenzenden Gewässer” und das chinesische Außenministerium ergänzte, dass die Second Thomas Sandbank „niemals philippinisches Territorium gewesen seien.”

Mittlerweile erwartet China, dass die Philippinen das Reich der Mitte vorher informiert, wenn es eine neue Versorgungsfahrt zur „BRP Sierra Madre“ plant. Natürlich hat der Inselstaat nicht vor, dem Begehr Chinas Folge zu leisten.

Die Spannungen zwischen China und den Philippinen im Südchinesischen Meer verstärken sich, seitdem der neue Präsident Ferdinand Marcos Jr. einen härteren Kurs gegen China einschlägt und die Philippinen wieder näher zu den USA bringt. Sein Vorgänger Rodrigo Duterte hatte eine Annäherung zu China versucht, musste aber einsehen, dass China ein eher unzuverlässiger Partner ist, der viel verspricht, aber wenig hält. Kurz nach seiner Amtübernahme sagte Marcos Jr., dass „keine Quadratmeter“ philippinischen Bodens aufgegeben werde. Er erlaubte dem US-Militär, seine Präsenz in seinem Land auszubauen. Zudem verstärken die Philippinen die Zusammenarbeit mit anderen Pazifik-Anrainerstaaten, wie mit Japan und Australien, aber auch Kanada, deren beider Marine gerade ein Manöver im Südchinesischen Meer abhielten.

China weitet seine Ansprüche aus

China, auf der anderen Seite, weitet seine Ansprüche aus. Im August diesen Jahres veröffentlichte das chinesische Ministerium für Naturressourcen eine neue Karte, die über die sogenannte 9-Punkte-Linie hinausgeht. Diese geht auf eine chinesische Karte aus dem Jahr 1936 – also aus den Zeiten der Republik China – zurück. Die einzige Regierung, die in der Region diese Karte akzeptiert, ist ausgerechnet die von Taiwan.

China verfolgt mit seinen Muskelspielen gegenüber den Philippinen mehrere Ziele.

Vordergründig will China mit aller Macht seine Vormachtstellung im Südchinesischen Meer durchsetzen. Dazu nutzt China nicht nur seine Küstenwache und die sogenannte Fischereimiliz. Mit der Novelle des Gesetzes zur Chinesischen Küstenwache wurde diese und auch die Fischereiflotte weiter in die chinesische Armee unter dem Kommando der Zentralen Militärkommission integriert und steht damit unter direktem Befehl von dessen Vorsitzenden, Xi Jinping. Zudem baut China systematisch Inseln im Südchinesischen Meer zu Militärstützpunkten aus, obwohl Xi Jinping 2015 versprach, künstlich aufgeschüttete Inseln nicht zu militarisierten.

Der Konflikt zwischen den Philippinen und China war sowohl Thema beim Treffen zwischen Xi Jinping und Joe Biden in San Francisco als auch bei einem bilateralen Treffen zwischen Xi Jinping und Ferdinand Marcos Jr. am Rande des APEC-Meetings in den USA. Allerdings scheint es dort keinerlei Fortschritte gegeben zu haben. Nach dem Treffen bezeichnete Marcos die Beilegung der Streitigkeiten als „work in progress“. China scheint nach Angaben von Beobachtern beim APEC-Treffen kein wirkliches Interesse zu zeigen, den Konflikt beizulegen. Ganz im Gegenteil. Denn China will im ersten Schritt an den Philippinen das Beispiel durchexerzieren, dass China seine Interessen auf den Rücken von Dritten durchsetzen kann. Direkte Adressaten für die Botschaft sind die anderen Anrainer-Staaten, wie Vietnam, Brunei und Malaysia.

China nährt Zweifel an Amerikas Rolle als zuverlässiger Verbündeter

China verfolgt aber noch eine andere Absicht, nämlich Zweifel an Amerikas Rolle als zuverlässiger Verbündeter nähren. Dabei bedient sich China seinem alten Kriegsstrategen Sun Zi, mit seinem Strategem: „Zeigst du dich demütig, wird der Feind überheblich. Fliehe, um ihn zu ermüden. Stifte Verwirrung. Greife an, wenn der Feind unvorbereitet ist und bewege dich, wenn er es nicht erwartet.“

Denn die Philippinen besitzen einen Verteidigungspakt mit den USA. Dieser würde die USA verpflichten, bei einer militärischen Auseinandersetzung dem Inselstaat beizustehen. Der Verteidigungsexperte an der S. Rajaratnam School of International Studies in Singapur, Collin Koh, sagte: „Die Chinesen könnten eine Gelegenheit gespürt haben, zu testen, inwieweit die USA in der Lage sein werden, den Philippinen dabei zu helfen, sich gegen China im Südchinesischen Meer zu behaupten, gerade zu einem Zeitpunkt, an dem die USA so stark in den Konflikt im Nahen Osten involviert sind. Die USA sahen sich im August und erneut im Oktober gezwungen, in einem Statement klarzustellen, dass sie bereit sind, bei einer weiteren Eskalation zwischen China und den Philippinen, letzteren gemäß des Verteidigungsabkommens, beizustehen. Die chinesische Seite spekuliert darauf, dass die USA keine großartige Lust verspüren, sich in einen Konflikt über ein verrostetes Wrack hineinziehen zu lassen.

Allerdings hätte die Weigerung der USA gefährliche Implikationen für die gesamte Region. Nicht nur die Philippinen, sondern auch Japan, Australien und Thailand besitzen direkte Verteidigungsbündnisse mit Amerika. Malaysia und Singapur haben Sicherheitskooperationen vereinbart, und auch Vietnam und Indien orientieren sich in den letzten Monaten mehr an den Vereinigten Staaten.

Ultimativer Adressat ist allerdings Taiwan

Der ultimative Adressat ist allerdings Taiwan. Taiwans zieht seine Abschreckung zum überwiegenden Teil aus dem Beistandspakt mit den USA, die in den vergangenen Konflikten so weit gingen, den Einsatz von Atombomben gegen China anzudrohen. Würden die Taiwaner zweifeln müssen, ob die Amerikaner weiterhin die Inselrepublik beschützen würden, wäre dies ein schwerer psychologischer Schlag.

Sun Zi selber gibt auch einen Ratschlag, wie man der Verwirrung begegnet: „Begegne der Unordnung mit Ordnung und dem Ungestüm mit Ruhe.”



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2 Kommentare

  1. Bei dem Artikel wurde Philippinen in der Überschrift falsch geschrieben.

    1. @Mark, danke für Hinweis, ist korrigiert!

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