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Direkte Staatsfinanzierung: Dammbruch bei der Bank of England

Lange galt die direkte Staatsfinanzierung durch die digitale Notenpresse als rote Linie in der Geldpolitik. Im Windschatten der Corona-Krise wird nun auch dieses Tabu gebrochen. Die Bank of England, eine der ältesten Notenbanken der Welt, macht den Anfang.

Die indirekte Staatsfinanzierung durch die Notenpresse ist bereits Realität

Der Aktionismus aufseiten der Geldpolitik zur Vermeidung des völligen Kollapses der Real- und Finanzwirtschaft während der Corona-Krise macht es fast unmöglich, den Überblick über sämtliche geldpolitische Maßnahmen und deren juristische Legitimität zu behalten. Schon vor der jetzigen Krise fand ein Großteil der Aktivitäten der Notenbanken zur Staatsfinanzierung in der rechtlichen Grauzone statt. So wurden beispielsweise die Anleihekaufprogramme im Zuge der Weltfinanzkrise und der Euro-Schuldenkrise vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nach einer Klageflut nur wegen eines operativen Tricks für rechtmäßig erklärt. Am 21. Juni 2016 wurde zum Beispiel das OMT-Programm (Outright Monetary Transaction Programm) der Europäischen Zentralbank höchstrichterlich abgesegnet. Damit folgten die deutschen Verfassungsschützer dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH).

Im Rahmen des OMT-Programms darf die EZB Staatsanleihen von EU-Mitgliedsstaaten in zunächst nicht begrenzter Höhe aufkaufen und als Forderungen auf der Aktivseite ihrer Bilanz verbuchen. Auf der Passivseite wird eine Verbindlichkeit gegen die eigene digitale Notenpresse gebucht. Aufgrund dieses buchhalterischen Mechanismus hat sich die Bilanz der Europäischen Zentralbank auch durch die Staatsfinanzierung aus der Notenpresse seit der Finanzkrise in atemberaubender Geschwindigkeit von ca. 1,5 Bio. Euro im April 2007 auf ca. fünf Bio. Euro aufgebläht. Bis zum Jahresultimo dürfte mindestens noch eine weitere Billion Euro durch die im März beschlossenen EZB-Programme dazukommen. Da drängt sich doch zwangsläufig die Szene aus Goethes Faust Teil 2 auf, in der Mephisto dem Kaiser unendlichen Nachschub an Geld verspricht.

Der Trick mit dem Sekundärmarkt

Offiziell ist es der EZB verboten, Staatsausgaben direkt aus der digitalen Notenpresse zu bezahlen. Also macht man es indirekt, durch die Zwischenschaltung von Strohleuten in Form von privaten Geschäftsbanken. Diese kaufen die Schuldscheine der Staaten z. B. von der deutschen Finanzagentur oder dem italienischen Finanzministerium auf und verkaufen sie am Zweitmarkt (Sekundärmarkt) innerhalb einer logischen Sekunde mit einem kleinen Preisaufschlag zur Deckung der eigenen Kosten an die EZB weiter. Ein Risiko gehen die Banken dabei nicht ein, da ihnen bereits vor der Transaktion eine Abnahmegarantie der gekauften Schuldpapiere von Seiten der Zentralbank vorliegt. Die Zahlungsfähigkeit der EZB steht dabei ebenfalls außer Frage, da sie über ein Geldschöpfungsprivileg für den Euro verfügt. Und schon ist die Finanzierung der Haushalte von bedürftigen EU-Mitgliedsstaaten durch die Notenpresse „indirekt“ und damit völlig legal und höchstrichterlich abgesegnet vollzogen. Einziger Unterschied zur direkten Staatsfinanzierung ist der, dass die Geschäftsbanken risikolos mitverdienen.

Die Bank of England erspart sich nun die Strohleute

Es brauchte nur einen Anlass, um letzte Linie zur direkten Staatsfinanzierung durch die Notenpresse zu überschreiten. Wenn Ökonomen und Politiker ihr beschwichtigendes Mantra wiederholen, dass nach der Corona-Pandemie alles wieder so sein wird, wie vorher, dann ist das zumindest im Falle der Geldpolitik plumpe Propaganda. Aber wahrscheinlich nicht nur in diesem speziellen Segment, sondern auch in anderen Bereichen der Politik, des Wirtschaftens, des Datenschutzes, unseres Rechtssystems und des sozialen Zusammenlebens.

Wie die britische Regierung heute Morgen berichtet, ist Großbritannien nun das erste entwickelte Land, das die direkte Staatsfinanzierung durch die Bank of England (BoE) in Anspruch nimmt. Offiziell geht es nur um Gelder zur Deckung der unmittelbaren Kosten für die Bekämpfung der Corona-Krise. Doch die sind gewaltig. Genauer spezifiziert werden diese Kosten bewusst nicht, das dürfte auch schwer möglich sein. Auf jeden Fall ermöglicht es diese Entscheidung der britischen Regierung, den Kapitalmarkt und die Strohleute (Geschäftsbanken) bei der Staatsfinanzierung durch die Bank of England zu umgehen. Zwar gilt für diese „außerordentliche“ Maßnahme eine Deadline bis zum Abklingen der Covid-19-Pandemi. Aber das ist natürlich eine sehr flexible Deadline. In Großbritannien wird diese Art der Geldpolitik bereits als „simbabwischer Stil“ kritisiert.

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4 Kommentare

  1. Pfund juckt es nicht im geringsten….

  2. Verrückte Welt!
    Ich nehme an, das ist nicht das letzte Tabu, das gebrochen wird.

  3. Die Reserve Bank of Zimbabwe gab im Juli 2008 sogar Geldscheine mit einem Nennwert von 100 Milliarden Simbabwe-Dollar aus. Deren Kaufkraft reichte jedoch nicht einmal für eine Rolle Toilettenpapier. Muss sie auch nicht, man kann die Geldscheine doch direkt und unmittelbar verwenden 😂😂

    Offensichtlich scheint nun auch der hemmungslose selbstzerstörerische Marktliberalismus und Kapitalismus mit seinem Latein am Ende (welch Wunder). Versuchen wir es doch mit einer sozialen Marktwirtschaft, bis jemandem Besseres einfällt.

  4. Pingback: das-bewegt-die-welt.de

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