Die türkische Zentralbank hatte in drei Schritten den Leitzins von Juni bis Ende August angehoben von 8,5 % auf 25 %. Damit hatte man die Märkte überrascht, und die türkische Lira konnte etwas aufwerten. Aber in den letzten Tagen herrschte Unsicherheit am Markt. Würde Präsident Recep Tayyip Erdogan diese Zinspolitik unterstützen? Denn bisher war ein ganz klarer Verfechter kräftig sinkender Zinsen! Jetzt aber gibt es Klarheit. Präsident Erdogan sagt aktuell, dass eine „straffe Geldpolitik“ erforderlich sei, um die Inflation in der Türkei zu bremsen (jüngst ist sie wieder gestiegen von 48 % auf 59 %). Damit ändert er offensichtlich seine bisherige Haltung, die Anleger lange Zeit frustriert hat.
Erdogan mit klarer Aussage pro restriktiver Geldpolitik für die Türkei
„Wir werden die Inflation mit Hilfe einer straffen Geldpolitik auf eine einstellige Zahl senken“, so sagte es Präsident Erdogan heute laut Bloomberg, als seine Regierung die Wirtschaftsziele für die nächsten drei Jahre vorstellte. Der türkische Präsident, der im Mai wiedergewählt wurde, um seine Regierung in ein drittes Jahrzehnt zu führen, ist als selbsternannter „Feind hoher Zinssätze“ bekannt. Er hat in den letzten Jahren drei Zentralbankgouverneure entlassen, weil sie nicht auf seiner Linie lagen.
Kurz nach seinem Wahlsieg stellte er sein Wirtschaftsteam um und ernannte Mehmet Simsek, einen ehemaligen Anleihenstrategen von Merrill Lynch, zum Finanzminister und Hafize Gaye Erkan, der früher bei Goldman Sachs tätig war, zur Zentralbankgouverneurin. Während sie seit Juni eine drastische Anhebung der Zinssätze und eine Lockerung der staatlichen Kontrolle über die Finanzmärkte beaufsichtigt haben, hatte Erdogan gesagt, dass seine Ansichten zur Geldpolitik unverändert seien. „Die Menschen sollten nicht dem Irrtum unterliegen, dass der Präsident eine ernsthafte Änderung der Zinspolitik anstrebt“, sagte er noch am 14. Juni. „Ich bin derselbe.“
Erdogans Fixierung
Die Fixierung des Präsidenten auf eine Strategie des Wachstums um jeden Preis und sein Drängen auf niedrige Zinssätze lösten einen Inflationsschub in der Türkei aus und veranlassten die Investoren, aus dem Land zu fliehen. Heute sagte Erdogan auch, dass seine Regierung die Verbrauchernachfrage drosseln werde. Dennoch sagte er, er werde „keine Zugeständnisse beim Wirtschaftswachstum machen“. Die Türkei hat ihre Ziele für das Wirtschaftswachstum im mittelfristigen Programm nach unten korrigiert. Das Bruttoinlandsprodukt wird in diesem Jahr 4,4 % betragen, gegenüber 5 % im vorherigen Bericht, wie Vizepräsident Cevdet Yilmaz erklärte.Die Regierung geht nun von einem Wachstum von 4 % im Jahr 2024 aus, vorher waren es 5,5 %.
Pessimistische Aussichten
Im März werden in der Türkei Kommunalwahlen abgehalten. Präsident Erdogan erhöht seit Jahren die geldpolitischen Anreize im Vorfeld der Wahlen und möchte die größte Stadt Istanbul zurückgewinnen, die derzeit von der Opposition gehalten wird. Die Regierung gab einen pessimistischen Ausblick auf die Inflation in der Türkei und korrigierte ihre Jahresendprognose von 25 % auf 65 % nach oben.
Die jährliche Inflationsrate stieg im August schneller als erwartet auf 58,9 % und unterstreicht die Herausforderung für die Zentralbank und Erdogan, die Lebenshaltungskostenkrise zu beenden. Die Zentralbank änderte ihre Inflationsprognose für das Jahresende im Juli auf 58 %, was mehr als eine Verdoppelung gegenüber dem Wert unter Erkans Vorgänger darstellt.
Die Geldpolitiker gehen davon aus, dass der Preisanstieg in der Türkei im zweiten Quartal des nächsten Jahres seinen Höhepunkt erreichen und sich bis zum Jahresende auf 33 % abschwächen wird. Die Projektion für das Jahresende 2025 liegt bei 15 %. Diese Inflationsprognosen für die nächsten zwei Jahre stimmen mit denen der Regierung überein.
Lira reagiert noch nicht
FMW: Die türkische Lira könnte jetzt eigentlich aufwerten, wo man diese klare Äußerung von Präsident Erdogan vernommen hat als klare Unterstützung für den massiv gestiegenen Leitzins. Aber noch tut sich nichts mit einem aktuellen USDTRY-Kurs von 26,81. Bereits am 21. September steht die nächste Zinsentscheidung der Zentralbank an. Mit dieser verbalen Rückendeckung des Präsidenten könnte der Leitzins erneut kräftig ansteigen.
FMW/Bloomberg
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