Die EU hat sich auf eine Reihe von Sofortmaßnahmen zur Bewältigung der Energiekrise geeinigt. Bundeskanzler Olaf Scholz gab dem Druck anderer Mitgliedstaaten nach und ebnete den Weg für einen umstrittenen temporären Gaspreisdeckel, so berichtet es aktuell Bloomberg. “Wir haben auch ein klares Signal an den Markt gesendet”, sagte der Präsident des Europäischen Rates Charles Michel auf einer Pressekonferenz am frühen Freitag. “Das bedeutet, dass wir bereit sind, gemeinsam zu handeln, dass wir in der Lage sind, zusammenzuarbeiten, und dass es einen starken politischen Willen gibt. Ich bin zuversichtlich, dass wir sehr bald eine Wirkung erzielen werden.”
Nach stundenlangen Verhandlungen forderten die Staats- und Regierungschefs die Europäische Kommission auf, einen “zeitlich begrenzten dynamischen Preiskorridor für Erdgastransaktionen (Gaspreisdeckel) vorzuschlagen, um Episoden überhöhter Gaspreise sofort zu begrenzen”, heißt es in den gemeinsamen Schlussfolgerungen des Gipfels. Ein Modell für eine temporäre Begrenzung des Gaspreises für die Stromerzeugung soll weiter ausgearbeitet werden. Olaf Scholz lehnte radikalere Eingriffe in den Gasmarkt entschieden ab, obwohl sie von der Mehrheit der 27 Mitgliedsstaaten gefordert worden.
“Wir werden einen ergänzenden neuen Index entwickeln, der die Situation der LNG-Preise besser widerspiegelt, und in der Zwischenzeit werden wir einen Korrekturmechanismus für den Markt einrichten, um Episoden überhöhter Gaspreise zu begrenzen”, sagte die Präsidentin der Kommission Ursula von der Leyen auf einer Pressekonferenz. “Wir werden mit den Energieministern zusammen einen Gesetzesvorschlag zur Operationalisierung des Marktmechanismus vorzulegen.”
Die Staats- und Regierungschefs forderten Maßnahmen zur Vermeidung extremer Preisspitzen und eine gemeinsame Beschaffung als Druckmittel bei Verhandlungen mit Gaslieferanten. Diese wäre freiwillig, doch müssten 15% der für die Auffüllung der Gasspeicher benötigten Menge gemeinsam gekauft werden. Der Gipfel wird am heutigen Freitag mit Fragen der Wirtschaftspolitik fortgesetzt. Die Energieminister werden nächste Woche die Details der Pläne ausarbeiten.
Frankreich, Italien, Polen und andere Länder hatten sich für einen Gaspreisdeckel stark gemacht, da die hohen Gaspreise die Konjunktur belasten und die Inflation anheizen. Sollte sich die Union nicht einigen können, besteht die Gefahr, dass einzelne Länder eigene Wege gehen.
Preisspitzen
Der französische Präsident Emmanuel Macron sagte, das Ziel sei es, in den nächsten zwei bis drei Wochen konkrete Mechanismen festzulegen. “Die Tatsache, dass wir heute Abend eine Einigung erzielt und unsere Entschlossenheit gezeigt haben, ist ein klares Signal an die Märkte”, sagte er vor Reportern.
Der niederländische Premierminister Mark Rutte, der wie Olaf Scholz skeptisch gegenüber einem Gaspreisdeckel ist, findet es jedoch “sehr schwer vorstellbar”, dass es innerhalb der nächsten Wochen eine Einigung darauf geben könne. “Wir müssen wirklich alle Vor- und Nachteile und die Auswirkungen abwägen”, sagte Rutte. Die Preisobergrenze könnte auch zum zu einem höheren Grundpreis führen oder dazu, dass Europa gar kein Gas mehr bekommt.
Die europäischen Erdgaspreise sind seit dem Höchststand im August um mehr als 60% gesunken, da Flüssiggas zunehmend die ausbleibenden russischen Lieferungen ersetzt und geholfen hat, die Speicher aufzufüllen. Der milde Start in die Heizsaison hat ebenfalls dazu beigetragen die Nachfrage zu dämpfen. Die Temperaturen werden mit dem Wintereinbruch aber unweigerlich sinken, und die Gaspreise werden in den kommenden Monaten wahrscheinlich steigen.
FMW/Bloomberg
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