Gas

Freiwilligkeit und viele Ausnahmen EU verkündet de facto wertlose Einigung über 15 Prozent weniger Gasnachfrage

Die EU hat eine Einigung der Mitgliedsstaaten für 15 Prozent Reduzierung der Gasnachfrage verkündet. Es ist aber eine wertlose Einigung.

EU-Flaggen

Die EU verkündet aktuell eine Einigung mit den Mitgliedsstaaten zur Reduktion des Gasverbrauchs. Doch das ist de facto eine wertlose Einigung. Was ist hier los? Erst letzte Woche verkündete EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen voller Stolz ihren Plan, dass die EU-Mitgliedsstaaten von August 2022 bis März 2023 ihre Gasnachfrage um 15 Prozent reduzieren sollen. Aber offenbar hatte sie dazu die Mitgliedsstaaten vorher gar nicht befragt. Denn nur wenige Stunden später hörte man aus Spanien, Griechenland, Portugal und anderen Ländern eindeutige Ablehnungen für diese Idee. Aus der spanischen Regierung hörte man es sogar klipp und klar, dass man „nicht einmal um eine vorherige Stellungnahme gebeten wurde“.

Einigung der EU-Staaten für eine „freiwillige“ Reduzierung der Gasnachfrage

Aktuell hat der EU-Rat verkündet, dass sich die Mitgliedstaaten verpflichten die Gasnachfrage im nächsten Winter um 15 Prozent zu senken. In dem Bemühen die Energieversorgungssicherheit der EU zu erhöhen, haben die Mitgliedstaaten laut der aktuellen Mitteilung heute eine politische Einigung über eine „freiwillige Reduzierung“ der Erdgasnachfrage um 15 Prozent in diesem Winter erzielt. Die Verordnung des Rates sehe auch die Möglichkeit vor, einen „Unionsalarm“ zur Versorgungssicherheit auszulösen – in diesem Fall würde die Reduzierung der Gasnachfrage obligatorisch.

Ziel der Reduzierung der Gasnachfrage sei es vor dem Winter Einsparungen zu erzielen, um sich auf mögliche Unterbrechungen der Gaslieferungen aus Russland vorzubereiten, das die Energieversorgung ständig als Waffe einsetzt. Die Mitgliedstaaten haben sich darauf geeinigt ihren Gasbedarf zwischen dem 1. August 2022 und dem 31. März 2023 durch Maßnahmen ihrer Wahl um 15 Prozent im Vergleich zu ihrem Durchschnittsverbrauch der letzten fünf Jahre zu senken.

Ausnahmen machen die Einigung de fact wertlos

Wer die Mitteilung des EU-Rats weiter liest, der merkt schnell: Die umfangreichen Ausnahmeregelungen machen die Einigung de facto wertlos. Die bereits letzte Woche ablehnenden Südländer werden sich dieser Ausnahmen bedienen, um de facto nach eigenem Ermessen so viel Gas wie bisher zu verfeuern, oder wenn möglich eben auch ein wenig einzusparen. Die Mitteilung sagt zu den Ausnahmen, im Wortlaut (übersetzt):

Während sich alle EU-Länder nach besten Kräften bemühen werden, die Reduktionen zu erreichen, hat der Rat einige Ausnahmen und Möglichkeiten zur Beantragung einer Abweichung von dem verbindlichen Reduktionsziel festgelegt, um der besonderen Situation der Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen und sicherzustellen, dass die Gasreduzierungen die Versorgungssicherheit in der EU wirksam verbessern.

Der Rat hat sich darauf geeinigt, dass Mitgliedstaaten, die nicht an die Gasnetze anderer Mitgliedstaaten angeschlossen sind, von den verpflichtenden Gasreduzierungen ausgenommen sind, da sie nicht in der Lage wären, erhebliche Mengen an Pipelinegas zugunsten anderer Mitgliedstaaten freizusetzen. Mitgliedstaaten, deren Stromnetze nicht mit dem europäischen Stromnetz synchronisiert sind und die bei der Stromerzeugung in hohem Maße auf Gas angewiesen sind, sind ebenfalls ausgenommen, um das Risiko einer Stromversorgungskrise zu vermeiden.

Die Mitgliedstaaten können eine Ausnahmeregelung zur Anpassung ihrer Verpflichtungen zur Nachfragereduzierung beantragen, wenn sie nur über begrenzte Verbindungsleitungen zu anderen Mitgliedstaaten verfügen und nachweisen können, dass ihre Exportkapazitäten der Verbindungsleitungen oder ihre inländische LNG-Infrastruktur in vollem Umfang für die Umleitung von Gas in andere Mitgliedstaaten genutzt werden.

Die Mitgliedstaaten können auch eine Ausnahmeregelung beantragen, wenn sie ihre Zielvorgaben für die Befüllung von Gasspeichern überschritten haben, wenn sie in hohem Maße von Gas als Rohstoff für kritische Industrien abhängig sind oder wenn ihr Gasverbrauch im vergangenen Jahr um mindestens 8 % gegenüber dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre gestiegen ist.

Ursula von der Leyen äußert sich

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat sich vor wenigen Minuten zu dieser Einigung geäußert. Die EU habe heute einen entscheidenden Schritt unternommen, um der Gefahr einer vollständigen Einstellung der Gaslieferungen durch Putin entgegenzutreten. „Ich begrüße nachdrücklich, dass die Verordnung des Rates über koordinierte Maßnahmen zur Senkung der Gasnachfrage nun vom Rat gebilligt worden ist“, so ihre Worte.

Die politische Einigung, die der Rat in Rekordzeit auf Grundlage des erst letzte Woche vorgelegten Kommissionsvorschlags „Gas sparen für einen sicheren Winter“ erzielt hat, wird ihrer Aussage nach für eine geordnete und koordinierte Senkung des Gasverbrauchs in der gesamten EU sorgen, um uns auf den kommenden Winter vorzubereiten. Dies ergänze all die anderen Maßnahmen, die bisher im Rahmen von REPowerEU ergriffen wurden, insbesondere die Maßnahmen zur Diversifizierung der Gasversorgungsquellen, zur beschleunigten Entwicklung erneuerbarer Energien und zur Steigerung der Energieeffizienz.

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Die gemeinsame Verpflichtung zur Verringerung des Verbrauchs um 15 Prozent sei sehr wichtig und werde dazu beitragen, unsere Gasspeicher vor dem Winter zu befüllen. Darüber hinaus sei die Möglichkeit, eine EU-Alarmstufe auszurufen, die eine obligatorische Senkung des Gasverbrauchs in allen Mitgliedstaaten auslöst, ein deutliches Signal dafür, dass die EU alles tun werde um ihre Versorgungssicherheit zu gewährleisten und die Verbraucherinnen und Verbraucher, Haushalte wie Industrie, zu schützen.

Durch gemeinsames Handeln zur Senkung der Gasnachfrage unter Berücksichtigung aller wichtigen nationalen Besonderheiten hat die EU laut Ursula von der Leyen nun das feste Fundament für die unverzichtbare Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten angesichts der Energieerpressung durch Putin geschaffen. Die Ankündigung von Gazprom die Gaslieferungen nach Europa über Nord Stream 1 ohne triftigen technischen Grund weiter zu verringern, verdeutliche einmal mehr, wie unzuverlässig Russland als Energielieferant sei. Dank des heutigen Beschlusses sei man nun bereit als Union unsere Energieversorgungssicherheit auf europäischer Ebene in Angriff zu nehmen.

EU-Alarmstufe

Was meint Ursula von der Leyen mit der „EU-Alarmstufe“? Dies wurde heute vom EU-Rat auch verkündet. Die Mitgliedstaaten haben sich darauf geeinigt, die Rolle des EU-Rates bei der Auslösung einer „EU-Warnmeldung“ zu stärken. Der Alarm würde durch einen Durchführungsbeschluss des Rates auf Vorschlag der EU-Kommission ausgelöst. Die Kommission würde einen Vorschlag zur Auslösung einer „Unionswarnung“ vorlegen, wenn ein erhebliches Risiko einer schwerwiegenden Gasverknappung oder einer außergewöhnlich hohen Gasnachfrage besteht oder wenn fünf oder mehr Mitgliedstaaten, die auf nationaler Ebene eine Warnung ausgesprochen haben, die Kommission darum ersuchen.

Die Mitgliedstaaten haben sich darauf geeinigt bei der Auswahl von Maßnahmen zur Nachfragereduzierung Maßnahmen den Vorrang zu geben, die geschützte Kunden wie Haushalte und für das Funktionieren der Gesellschaft wichtige Dienste wie kritische Einrichtungen, das Gesundheitswesen und die Verteidigung nicht beeinträchtigen. Zu den möglichen Maßnahmen gehören die Verringerung des Gasverbrauchs im Elektrizitätssektor, Maßnahmen zur Förderung des Brennstoffwechsels in der Industrie, nationale Sensibilisierungskampagnen, gezielte Verpflichtungen zur Verringerung des Heiz- und Kühlbedarfs sowie marktgestützte Maßnahmen wie Versteigerungen zwischen Unternehmen.

Die Mitgliedstaaten werden laut aktueller Mitteilung ihre nationalen Notfallpläne, in denen sie die geplanten Maßnahmen zur Nachfragereduzierung darlegen, aktualisieren und der Kommission regelmäßig über die Fortschritte ihrer Pläne berichten. Bei der Verordnung handele es sich um eine „außergewöhnliche und außerordentliche Maßnahme“, die für einen begrenzten Zeitraum vorgesehen ist. Sie wird daher für ein Jahr gelten, und die Kommission wird eine Überprüfung vornehmen, um ihre Verlängerung im Lichte der allgemeinen Gasversorgungslage in der EU bis Mai 2023 zu erwägen.



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7 Kommentare

  1. Eine unnötige populistische Symbolpolitik…
    Typisch.

    1. @Peter pan

      Wenn Energieeinsparungen unnötig sind, legen Sie uns doch bitte einmal dar, wie das Ganze über den Winter funktionieren soll. In gespannter Erwartung freue ich mich auf Ihre konstruktiven, machbaren und hoffentlich nicht populistischen Vorschläge.

      1. Meine Vorschläge würden Ihnen, Ihrem Ton nach zu urteilen, keinesfalls gefallen.

        Deutschland muss sich auf die Realpolitik besinnen. Und momentan hieße es fossile Energieträger. Gas, Öl, Atom.
        Nebenher mit Hochdruck an den alternativen forschen und arbeiten.
        Aber man kann nicht etwas ablehnen ohne eine Alternative zu haben und hoffen, das geht schon irgendwie.

        Diese Strategie erfordert das Heruntersteigen von dem hohen Ross der moralischen Überlegenheit.
        Wir müssen wieder Diplomatie!!! betreiben.
        Noch ist es nicht zu spät. Auch wenn die aktuelle dilettantische Regierung bereits enormen Schaden zugefügt hat. Deutschland hat sich in die Enge treiben lassen.
        Dennoch habe ich nich etwas Hoffnung…

        1. @Peter Pan

          In dem Artikel und Ihrem ersten Kommentar dazu geht es aber um die EU, um Europa und um Gas für die Industrie und zum Heizen im Winter. Sie schweifen vom Thema ab und reden über den deutschen Strommix.

          Also, wie sehen Ihre konstruktiven, machbaren und hoffentlich nicht populistischen Vorschläge zum eigentlichen Thema aus?

  2. DIPLOMATIE
    Markus Elsässers Vater war DIPLOMAT.
    Und Herr Elsässer beschwert sich: Kein Format von Diplomaten.
    Die gibt’s nicht mehr.
    Anscheinend haben die durch Corona, ihre Berufung gewechselt.
    De Facto,nach Lage der Dinge, befinden wir uns im Krieg.
    De Facto, tatsächlich,bringen die Sanktionen nur Elend für beide Seiten.
    De Facto, geben unsere, na ja, Politführungskräfte niemals zu, das……….
    De Facto, hat Russland den Krieg angefangen.
    De Facto, hat jemand wem, über Jahrzehnte provoziert und immer Nein gesagt.
    Tatsache ist wir wissen nicht wer?
    Ein gutes wird kommen, für beide Seiten.
    Jetzige Wirtschafts und Energiestrukturen werden aufgebrochen.
    Der Geist wird beschleunigt, Neues Erwirken.

  3. Ja, denke ich auch.
    So 60 bis 80 % werden es wohl sein. Bzw. zwangsläufig sein müssen.

    Deutschland will mehr Gas sparen als von EU gefordert

    https://www.n-tv.de/23489313

    1. @Helmut
      als altem N-TV-Leser und -Zitator dürfte dir auch folgender Artikel aus einer deiner Lieblingsquellen bekannt sein:
      https://www.n-tv.de/wirtschaft/Sanktionen-laehmen-Russlands-Wirtschaft-article23490413.html

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