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“Sie sind verdammt, wenn Sie es tun, und verdammt, wenn Sie es nicht tun” EZB hat bei Inflation versagt – jetzt sitzt sie in der Klemme

EZB versagt Inflation Zinsen

Lange hat die EZB die Inflation verharmlost und als „vorübergehend“ bezeichnet – nun muß sie die Zinsen weiter anheben, um ihre angekrazte Glaubwürdigkeit nicht vollends zu verlieren. Das sagt der ehemalige italienische Ministerpräsident Monti und bringt damit etwas auf den Punkt, was die immer zahlreicheren Kritiker der EZB ähnlich sehen.

Monti über das Versagen der EZB bei der Inflation und ihre Glaubwürdigkeit

Die EZB kann es sich nach ihrem Versagen bei der Bekämpfung der Inflation in der Vergangenheit nicht mehr leisten, als schwach angesehen zu werden, meint der ehemalige italienische Ministerpräsident Mario Monti. Das berichtet nun Bloomberg.

“Die EZB wie auch die großen Zentralbanken der Welt kommen aus einer Phase, in der sie einen beträchtlichen Teil ihrer Glaubwürdigkeit verloren haben, weil sie die Inflation nicht früh genug erkannt haben”, sagte Monti am Freitag in einem Interview.

Er äußerte sich kurz nachdem Daten aus dem Euroraum gezeigt hatten, dass sich der Anstieg der Verbraucherpreise im März drastisch verlangsamte und auf 6,9% zurückging, nachdem er im Februar noch bei 8,5% gelegen hatte.

Hätten sich die Zentralbanken in der Vergangenheit bei der Inflation nicht verkalkuliert, hätte der Rückgang der Inflationsrate den EZB-Rat vielleicht dazu veranlasst, nach 350 Basispunkten Zinserhöhungen eine Pause einzulegen, sagte er.

“Ich kann nicht in ihrer Seele lesen, die sie ja haben, aber es wäre verständlich, wenn sie besonders vorsichtig wären”, sagte Monti auf dem Ambrosetti-Workshop in Cernobbio, Italien.

EZB versagt Monti Zinsen Inflation
Mario Monti

Der frühere Premierminister war nicht der einzige, der am Ufer des Comer Sees auf das aktuelle Dilemma der Zentralbanken hinwies. Nouriel Roubini, Chairman von Roubini Macro Associates, glaubt, dass die Turbulenzen auf den Finanzmärkten im Zusammenhang mit den Krisen der Silicon Valley Bank und der Credit Suisse zu einer Verlangsamung der Zinserhöhungen führen könnten.

“Ich glaube, dass die Zentralbanken angesichts der Finanzkrise kneifen werden”, sagte Roubini und wies darauf hin, dass alles, was sie tun, negative Folgen haben könnte.

“Sie sind verdammt, wenn Sie es tun, und verdammt, wenn Sie es nicht tun”, sagte er. “Man kann sich nur zwischen schlechten Alternativen entscheiden.”

Spread-Ausweitung

Einige dieser negativen Auswirkungen sind eine Abschwächung der Wirtschaft und höhere Zinszahlungen für Staatsanleihen. Italien, dessen Schuldenstand derzeit 145% des Bruttoinlandsprodukts übersteigt, gehört zu den Ländern, die unter steigenden Zinsen leiden.

Monti ist sich dieser Gefahr durchaus bewusst. Er war von 2011 bis 2013 Ministerpräsident und leitete ein Kabinett von Technokraten, nachdem die Schuldenkrise im Euroraum die italienischen Kreditkosten außer Kontrolle zu bringen drohte und den damaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi zum Rücktritt zwang.

Auch wenn die Spreads zwischen italienischen und deutschen Staatsanleihen im Vergleich zu anderen südeuropäischen Ländern “unangemessen hoch” seien, gebe es derzeit keinen Grund “zur Beunruhigung”. Er sei zuversichtlich, dass die EZB bei Bedarf ihr Notfallinstrument einsetzen werde, so Monti.

Vize-Chef der EZB: Inflation ohne Nahrung und Energie bleibt hoch

Der Vizepräsident der EZB, Luis de Guindos, geht davon aus, dass die zugrundeliegende Preisdruck (Kerninflation) hoch bleiben wird, auch wenn sich die Inflation insgesamt verlangsamt.

“Wir glauben, dass die Gesamt-Inflation in diesem Jahr erheblich zurückgehen wird, während die Kerninflation hoch bleiben wird”, sagte er am Samstag in einer Rede bei einem Ambrosetti-Workshop im italienischen Cernobbio.

De Guindos sprach einen Tag, nachdem die Kerninflation im Euroraum, bei der volatile Elemente wie Lebensmittel und Energie herausgerechnet werden, einen neuen Rekordwert erreicht hatte.

Zu den Turbulenzen auf den Finanzmärkten sagte der EZB-Vize, der Bankensektor im Euroraum sei “widerstandsfähig” und verfüge über eine starke Kapital- und Liquiditätsausstattung, die deutlich über den Mindestanforderungen liege.

“Es ist noch zu früh, um Schlussfolgerungen über die Auswirkungen auf Wachstum und Inflation zu ziehen”, sagte er. “Die Turbulenzen sind vielleicht nur von kurzer Dauer, aber wenn es zu Verstärkungseffekten kommt, werden sie sich in den Daten niederschlagen.”

Er bekräftigte die Haltung der EZB, dass “die Senkung der Inflation auf unser mittelfristiges Ziel von 2% weiterhin von den Daten abhängen wird”.

FMW/Bloomberg

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3 Kommentare

  1. Dr. Sebastian Schaarschmidt

    Den Italiener sind selbst 0 Prozent Zinsen nicht genug. Das liegt am schlechten Rating.

    Durch diese negative Bewertung müssen die Italiener immer einen sogenannten Spread, einen Aufschlag zu den anderen,besser bewerteten Ländern der Eurozone zahlen.

    Zum Beispiel in der Eurokrise, bevor Draghi sein „Whatever it takes“ abgehalten hat, da musste der Stiefelstaat bis zu 7,5 Prozent Kupon bieten,um überhaupt noch Abnehmer ,auf seinen Auktionen zu finden.

    Nur Griechenland war seinerzeit schlechter bewertet, aber die waren ja schon unter einem Rettungsschirm „gerettet“.

    Es gab im Übrigen von Anfang an Bedenken, ob Italien euroreif sei, so titelte schon 1996 die FAZ: „Ist Italien reif für den Euro? „.

    Durch diese schlechte Bewertung, im Fachbereich der Volkswirtschaft „Rating“ genannt, war Italien von Anfang an in der geostrategischen Defensive.
    Sie waren von Anfang an daran interessiert, das der EZB Leitzins, der ja für alle gilt, möglichst tief angesetzt wird.
    Ich verweise hier auf die Diskussionen im Vorfeld der EZB Zinsanhebungen im Jahre 2000(4,75 %) und 2008( 4,25%).

    Man kann es Selbstzweck nennen oder eine Selbstverständlichkeit oder aber Überlebenswillen, andere nennen es nur blinden,nationalen Egoismus.
    Warum aber war Italien ( u.v.a.) im Euro überfordert? Nun ich denke da hilft ein Gleichnis weiter: Nehmen wir unser Bildungssystem: Da gibt es Hauptschüler, Realschüler und Gymnasiasten und hier wollte der „Hauptschüler Italien% unbedingt auf’s Gymnasium gehen.
    Nun einmal dort, muss dieser „Hauptschüler Italien“, möglichst daran interessiert sein, das der Lernstoff seinem Niveau entspricht.
    Mit Draghi wurde dann noch der passende Direktor für’s Gymnasiums gefunden.

    Aber was wäre die Alternative? Jetzt wo das Kind schon einmal in den Brunnen gefallen ist, scheuen alle Euroländer die längst fällige Konsequenz, die Auflösung der Eurozone und die Rückkehr zu den nationalen Währungen.
    Besonders die Deutschen. Es gibt zwar hin und wieder Kritik an der Eurozone, aber so richtig, will man doch auch nicht weg.
    „Scheitert der Euro, dann scheitert Europa“. Wir alle kennen diesen Spruch aus 2010 !

    Aber ist das so? Würden die USA, Kanada und Mexiko auf den Gedanken einer gemeinsamen Währung kommen, nur weil man zufällig auf dem selben Kontinent lebt?

    Sind die hochverzahnten RGW Länder auf den gleichen Gedanken gekommen, schließlich galt hier das Motto der „Sozialistischen Integration“ als heilig?

    Nein, nein und nochmals Nein. Diese Idee einer gemeinsamen Währung, heterogener Länder,hat die Europäische Union ganz für sich allein gepachtet.

    Diese Idee hatte als Grundlage, die für ihre restriktive Geldpolitik bekannte Bundesbank auszuschalten.

    Ich verweise hier auf die Zinserhöhungen unter Helmut Schlesinger in 92 ( 8,75 Prozent Leitzins bei knapp 5 Prozent Inflation).

    Schlesinger wurde dafür aus Italien hart kritisiert, schließlich musste die“ Banca Italia“ kurz darauf ihre Zinsen auf heute unvorstellbare 9 Prozent erhöhen, um die italienische Lira nicht gegenüber der DM abschmieren zu lassen.

    Das ging so bis 94,bis ein gewisser Silvio Berlusconi an die Macht kam. Kaum im Amt machte er in der Europäischen Union, Druck wegen der gemeinsamen Währung.
    „Schließlich hätten das die Deutschen in Maastricht versprochen“, tönte er schon 94,kurz nach seiner Wahl, im Europäischen Rat.

    Italien und Frankreich waren denn auch die Hauptreiber,hinter dem Euro Mitte der Neunziger. Das ging dann soweit, das Kohl 94 noch eine Amtszeit dran hing,weil er Wolfgang Schäuble nicht zutraute ,den Euro den Deutschen schmackhaft zu machen.
    Eine Volk- Abstimmung wurde deshalb von Anfang an strikt ausgeschlossen. In anderen Ländern gab es diese, mit den entsprechenden Ergebnissen.

    1. @den Dr
      Es ist durchaus falsch, dass die EZB der Erfinder der Idee einer gemeinsamen Währung unterschiedlicher Länder sei.
      Diese Idee gab es bereits Mitte des 19. Jahrhunderts mit der Lateinischen Münzunion und die Lateinische Münzunion existierte danach ca. 50 Jahre und bestand aus total unterschiedlichen Ländern und daneben assoziierten weiteren Ländern.
      ….
      Auch ist der US-Dollar heute offizielle Währung von ca. 15 Ländern weltweit.
      ….
      und es bleibt eine Tatsache, dass Deutschland wirtschaftlich der größte Profiteur der Eurozone ist.
      Die DM wäre vermutlich viel stärker im Außenverhältnis als es der Euro ist und daran würde die Exportwirtschaft leiden.
      Vor dem Euro nannte man Deutschland in den Neunzigern den schwachen Mann Europas.
      Der Wiederaufstieg Deutschlands begann erst nach der Euro-Einführung.

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